Obliegenheiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils während seiner Erstausbildung

Autor: RiOLG Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Brandenburg/Havel
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 08/2011
Der Berechtigung eines Elternteils, trotz gesteigerter Unterhaltspflicht eine erste Berufsausbildung zu erlangen, steht seine Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben, um sie in angemessener und üblicher Zeit zu beenden und Ausbildungsverzögerungen zu vermeiden. Eine Verletzung dieser Ausbildungsobliegenheit kann die Zurechnung fiktiver Erwerbseinkünfte zur Folge haben.

KG, Beschl. v. 11.4.2011 - 17 UF 45/11

Vorinstanz: AG Tempelhof-Kreuzberg - 162 F 19210/10

BGB § 1603 Abs. 2 S. 1

Das Problem:

Der Antragsgegner ist seiner im Mai 2009 nichtehelich geborenen Tochter zum Unterhalt verpflichtet. Im Oktober 2007 hatte er eine (erste) Berufsausbildung zur Fachkraft im Gaststättengewerbe aufgenommen, die bis Anfang September 2009 dauern sollte. Nachdem er die Abschlussprüfung nicht bestanden hatte, gab der Antragsgegner diese Ausbildung im August 2009 auf. Zum 31.8.2009 hat der Antragsgegner mit einer neuen Ausbildung zum Maler und Lackierer begonnen. Er bezieht hierfür eine monatliche Ausbildungsvergütung i.H.v. 330 € brutto. Das AG hat den Antragsgegner unter Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zur Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 120 € verpflichtet. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der sich im Hinblick auf seine geringe Ausbildungsvergütung auf Leistungsunfähigkeit beruft.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das KG hat die Beschwerde des Vaters zurückgewiesen. Anknüpfend an die Rspr. des BGH (BGH v. 15.12.1993 – XII ZR 172/92, FamRZ 1994, 372) stellt es fest, dass der Abschluss einer Erstausbildung des Unterhaltspflichtigen grundsätzlich Vorrang vor einer kurzfristigen Sicherstellung des Unterhalts des Berechtigten hat. Es liege auch im Interesse des Kindes, wenn der Unterhaltspflichtige durch die Berufsausbildung in die Lage versetzt wird, den Unterhalt langfristig durch eine besser qualifizierte, dauerhafte Erwerbstätigkeit aufzubringen anstatt durch ungelernte Tätigkeiten oder Gelegenheitsarbeit. Das KG führt weiter aus, dass den Unterhaltspflichtigen dabei die Obliegenheit trifft, seine Ausbildung planvoll, zielstrebig sowie mit dem notwendigen Fleiß voranzutreiben und unnötige Ausbildungsverzögerungen zu vermeiden. Diesen Anforderungen sei der Antragsgegner, der nicht einmal den Versuch unternommen habe, die Prüfung zu wiederholen, nicht gerecht geworden. Nach erfolgloser Abschlussprüfung habe er keine neue Ausbildung beginnen dürfen, sondern eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufnehmen müssen. Vom Zeitpunkt des Abbruchs der ersten Ausbildung an seien dem Antragsgegner daher fiktive Einkünfte zuzurechnen. Unter Berücksichtigung der absolvierten Ausbildungszeit von fast zwei Jahren und den dabei in Gaststätten gesammelten praktischen Erfahrungen hat das KG unter Heranziehung von verschiedenen im Internet verfügbaren Lohnregistern ein Bruttoeinkommen von monatlich 1.600 € für erzielbar gehalten. Dieses versetze den Antragsgegner in die Lage, Kindesunterhalt jedenfalls in der vom AG festgestellten Höhe zu leisten.


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