OLG Bamberg, Beschl. 28.4.2022 - 7 UF 66/22

Härtefallscheidung bei Sexualdelikt zulasten gemeinsamer Tochter

Autor: RiAG Niels Bauer, Lörrach
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 02/2023
Eine strafrechtliche Verurteilung bezüglich eines Sexualdeliktes zulasten eines Angehörigen stellt eine objektive unbillige Härte i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB dar.

FamFG § 1565 Abs. 2

Das Problem

Die Eheleute haben u.a. eine gemeinsame Tochter. Zum Nachteil dieses Kindes kam es ausweislich eines rechtskräftig gewordenen Strafbefehls zu Vorfällen sexueller Belästigung. Diese sollen sich so dargestellt haben, dass der Ehemann die Tochter gegen ihren Willen an der Achsel in der Nähe der Brust sowie am Oberschenkel in der Nähe des Schambereichs berührt habe. Der Ehemann hat dies bestritten und erklärte ergänzend vor dem FamG, dass seine pubertierende Tochter von ihm unbemerkt die körperliche Nähe abgelehnt habe. Da somit seine kriminelle Energie (allenfalls) „eher“ gering einzuordnen sei, die Ehefrau ausgezogen und sie auch keinen Kontakt mehr zueinander hätten, sei ihr das Abwarten des Trennungsjahrs zumutbar. Rechtlich wird dies weiterhin darauf gestützt, dass die Ehe nur mittelbar betroffen wäre. Das AG hat die Beteiligten vor Ablauf des Trennungsjahrs geschieden und dem Ehemann die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG lehnt den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für ein gegen den Beschluss des AG gerichtetes Beschwerdeverfahren ab. Obwohl der Senat ausführt, dass an das Vorliegen eines Härtefalls i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB hohe Anforderungen zu stellen sind, ließ er hierfür allein die strafrechtliche Verurteilung durch einen rechtskräftigen Strafbefehl ausreichen. Ob das Geschehen sich tatsächlich so zugetragen habe, spiele keine Rolle. Maßstab sei, ob ein besonnener Dritter bei ruhiger Abwägung aller Umstände auf das Verhalten des anderen Ehegatten mit einem Scheidungsantrag reagieren würde (mit Verweis auf Bdb. OLG v. 5.10.1994 – 9 WF 124/94, FamRZ 1995, 807; OLG Stuttgart v. 17.9.2015 – 11 UF 76/15, juris Rz. 9 = FamRB 2016, 255). Das OLG hat sowohl in der sexuellen Belästigung der Tochter eine ausreichende mittelbare unbillige Härte als auch in der Verurteilung des Ehemanns eine unmittelbare unbillige Härte für die Ehefrau gesehen, denn es ist ihr nicht zuzumuten, die Ehe mit einem Ehegatten fortzuführen, der wegen des sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Tochter verurteilt worden ist. Ausdrücklich ohne Belang war für das OLG die Schwere des Tatvorwurfs oder dass es sich lediglich um einen Strafbefehl handelte. Außerdem entspricht es aus Sicht des Senats auch der Billigkeit, dass der Ehemann die Kosten des Scheidungsverfahrens trägt.


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