OLG Celle, Beschl. 13.9.2018 - 17 UF 28/18

Ehevertrag: Sittenwidrigkeit bei Beschränkung des Kinderbetreuungsunterhalts auf Existenzminimum

Autor: Notar Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Regen und Zwiesel
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 03/2019
Die kompensationslose ehevertragliche Beschränkung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt auf das Existenzminimum führt bei nicht auszuschließendem Kinderwunsch zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung, wenn bereits bei Vertragsschluss absehbar war, dass berufliche Einschränkungen aufgrund der Kinderbetreuung nur einen Ehegatten treffen würden. Diese Unwirksamkeit erfasst bei vereinbarter salvatorischer Klausel nicht den gesamten Vertrag. Ein in der Gesamtschau für einen Ehegatten allein nachteiliger Ehevertrag ist nur dann insgesamt unwirksam, wenn er Ergebnis einer ungleichen Verhandlungsposition ist (vgl. BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10, FamRZ 2013, 195 = FamRB 2013, 34; BGH v. 15.3.2017 – XII ZB 109/16, FamRZ 2017, 884 = FamRB 2017, 203).

OLG Celle, Beschl. v. 13.9.2018 - 17 UF 28/18

Vorinstanz: AG Celle, Beschl. v. 12.12.2017 - 23a F 20019/17

BGB § 138, § 139, § 242, § 1408, § 1585c

Das Problem

Neun Tage vor der Eheschließung vereinbarten der Ehemann, ein geschäftsführender Gesellschafter eines Autohauses, und die Ehefrau, eine gelernte Hotelfachfrau, einen Ehevertrag, in dem sie den Ausschluss des Zugewinnausgleichs bei einer Scheidung, den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und den Verzicht auf jeglichen nachehelichen Unterhalt vereinbarten. Beim nachehelichen Unterhalt war eine Ausnahme für den Fall vorgesehen, dass ein Ehegatte in Not geraten und ihm der monatliche notwendige Eigenbedarf – Selbstbehalt – nach der Düsseldorfer Tabelle nicht zur Verfügung stehen würde. In diesem Fall sollte Unterhalt bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Kinderbetreuungsunterhalt in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlichen Einkünften und dem Betrag des notwendigen Eigenbedarfs bezahlt werden. Der Ehevertrag enthielt ferner eine salvatorische Klausel. Die Ehefrau bildete sich während der Ehe zum Betriebswirt für das Hotel- und Gaststättengewerbe fort. Nach Geburt des ersten Kindes gab sie ihren Beruf auf und arbeitete nur noch auf Teilzeitbasis im Autohaus des Ehemannes. Zudem ließ sie sich während der Ehe zur Yogalehrerin ausbilden. Aus der Ehe ist noch ein zweites Kind hervorgegangen. Die Ehefrau hält den Ehevertrag im Hinblick auf die bereits bei Heirat beabsichtigte Familiengründung für nichtig. Zudem behauptet sie, dass sie keinen Entwurf der zu protokollierenden Vereinbarung erhalten habe. Sie fordert deshalb Auskunft über das Anfangs-, das Trennungs- und das Endvermögen des Ehemannes sowie über seine Einkünfte. Das AG hat den Antrag mit Hinweis auf die Wirksamkeit des Ehevertrags abgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Ehefrau.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Beschwerde hat nur teilweise Erfolg, nämlich hinsichtlich der Auskunft zum nachehelichen Unterhalt. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich und damit auch auf diesbezügliche Auskunftserteilung steht der Ehefrau dagegen nicht zu.

Trotz bestehender Ehevertragsfreiheit dürfen Vereinbarungen nicht zu einer einseitigen und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigten Lastenverteilung führen, die für einen Ehegatten unzumutbar sind. Dies gilt insbesondere bei einem Eingriff in den Kernbereich der gesetzlich geregelten Scheidungsfolgen. Trotz der Wirksamkeit einzelner Regelungen kann sich darüber hinaus die Sittenwidrigkeit auch aus einer Gesamtwürdigung des Vertrags bei einer unangemessenen Benachteiligung eines Ehegatten, dessen unterlegene Verhandlungsposition ausgenutzt wurde, ergeben. Die Beschränkung des Kinderbetreuungsunterhalts auf das Existenzminimum hat weder etwas mit Teilhabegerechtigkeit noch mit Nachteilsausgleich zu tun, sondern stuft den unterhaltsbedürftigen Ehegatten auf Sozialhilfeniveau ein. Bei kinderlosen Ehegatten im gebärfähigen Alter wird die Absicht einer Familiengründung, insbesondere bei einer Heirat im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt, vermutet. Im Hinblick auf die Stellung des Ehemannes als Unternehmer war auch davon auszugehen, dass die Ehe eine Tendenz zur Alleinverdienerehe aufwies. War der nacheheliche Unterhalt der Ehefrau auf das Existenzminimum trotz des unstreitig erheblichen Einkommens des Ehemannes beschränkt, hatte das auch Auswirkungen auf die Gestaltung Kinderbetreuung durch die Ehefrau. Ein legitimes Interesse des Ehemannes besteht hierfür nicht. Bei einem Eingriff in den Kernbereich der Scheidungsfolgen muss auch keine unterlegene Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten ausgenutzt werden.

Nicht sittenwidrig ist der Ausschluss des Zugewinnausgleichs, der nicht zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählt. Der Ausschluss eines Ehegatten vom arbeitsteilig erworbenen Vermögen ist nicht zu beanstanden. Insbesondere muss ein Ehegatte, der ein erhebliches Einkommen erwirtschaftet, den anderen hieran nicht beteiligen.

Auch die Gesamtschau der Regelungen führt zu keiner Sittenwidrigkeit des gesamten Vertrags. Hierzu fehlt jedenfalls das subjektive Element der Ausnutzung der Unterlegenheit des benachteiligten Ehegatten. Der Umstand, dass Eheschließung und Vertragsvereinbarung voneinander abhängen, begründet für sich noch keine ungleiche Verhandlungsposition der Ehegatten. Sie ergibt sich auch nicht aus dem unterschiedlichen Bildungs- und Erfahrungshorizont der Eheleute bei Vertragsschluss. Die Frau hat die Bedeutung und Tragweite der vom Notar erläuterten Regelungen erfasst. Zudem hat sich die Beurkundung allein auf den Ehevertrag beschränkt und es war auch keine Drucksituation (z.B. anwesender Säugling) gegeben. Die Nichtigkeit der Regelung zum nachehelichen Unterhalt erfasst nicht den Zugewinnausgleich, da die salvatorische Klausel wegen des Fehlens der Ausnutzung einer unterlegenen Verhandlungsposition nicht unwirksam ist.


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