OLG Koblenz, Beschl. 28.6.2017 - 13 UF 217/17

Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes bei Verzögerungen der Schulausbildung und späterem Studiengangwechsel

Autor: RiOLG Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Brandenburg/Havel
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 11/2017
Ein Ausbildungsunterhaltsanspruch des volljährigen Kindes kann auch dann noch gegeben sein, wenn sich seine allgemeine Schulausbildung aufgrund nicht ausreichender Leistungen erheblich verzögert und nach Beginn des Studiums bis zum Abschluss des zweiten Semesters ein Studiengangwechsel vorgenommen wird.

OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2017 - 13 UF 217/17

Vorinstanz: AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, Beschl. v. 15.3.2017

BGB §§ 1570, 1601, 1610 Abs. 2, 1614 Abs. 1, 1615l

Das Problem

Die 1990 geborene Tochter (T) des Ag. bezog in der Zeit von 10/2014 bis 9/2015 als Studentin einer Hochschule in N. vom anspruchstellenden Land Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG, die i.H.v. insgesamt 6.571 € als Vorausleistungen erbracht wurden. Im Alter von 16 1/2 Jahren hat T ein Kind bekommen. Nach einer hierdurch bedingten Verzögerung erlangte sie in 7/2008 an einer Wirtschaftsschule die mittlere Reife. Anschließend besuchte sie die Fachoberschule. Nach Wiederholung der 11. Klasse und einem Wechsel vom sozialen in den künstlerischen Zweig erreichte T 2011 das Fachabitur. Da ihre Noten nicht ausreichten, um die zum Abitur führende 13. Klasse zu besuchen, wiederholte T erfolgreich die 12. Klasse. Nach Abschluss der 13. Klasse bestand T das Abitur jedoch nicht. Anschließend begann sie zum Wintersemester 2013/2014 nach bestandenem Eignungstest und befähigt durch das Fachabitur im Alter von 23 Jahren mit einem Chemiestudium an der TH in N. In 10/2013 schlossen T und der Ag. einen Unterhaltsvergleich vor dem AG in N. ab über seine fortbestehende Verpflichtung zum Ausbildungsunterhalt. Nach dem 2. Semester wechselte T (ohne Prüfungsergebnisse im Fach Chemie) den Studiengang. Seit dem Wintersemester 2014/2015 studiert sie Mediendesign an der Hochschule in H. Das AG hat den Ag. antragsgemäß im Umfang der erbrachten Vorausleistungen i.H.v. 6.571 € zur Zahlung verpflichtet. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner, der sein erstinstanzliches Abweisungsbegehren weiterverfolgt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG weist die Beschwerde ab. Es bejaht die allein dem Grunde nach im Streit stehende Unterhaltsverpflichtung des Ag. für das (nur) streitgegenständliche erste Jahr des Mediendesignstudiums der T. Nach der mit Blick auf § 1615l BGB bzw. § 1570 BGB hinzunehmenden Verzögerung ihrer Ausbildung durch die Kinderbetreuung könne der T in der Zeit zwischen 2008 und 2013 allenfalls ein leichtes Versagen vorgeworfen werden, das jedoch nicht zu einem Verstoß gegen das Gegenseitigkeitsprinzip und damit zum Entfallen ihres Unterhaltsanspruchs geführt habe. Der unterhaltspflichtige Ag. habe keine ernsthaften Einwände gegen den Ausbildungsweg der T erhoben und von ihr auch nicht gefordert, sich angesichts ihrer schulischen Noten besser für eine „solide” Berufsausbildung zu entscheiden. Vielmehr habe er weiter regelmäßig Unterhalt gezahlt. Das Studium sei eine vorhersehbare Folge des vom Ag. seiner Tochter zugebilligten Ausbildungswegs. Zum aufgenommenen Chemiestudium sei sie mit Blick auf den positiven Eignungstest auch nicht offenkundig ungeeignet gewesen. Der Ag. habe auch mit der Gefahr eines unterhaltsrechtlich erlaubten einmaligen Studienfachwechsels (aufgrund eigener Fehleinschätzung der T) bis zum Abschluss des 2. Studiensemesters rechnen müssen. Es sei für den Ag. auch weder eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit gegeben noch habe T im Rahmen des Unterhaltsvergleichs aus 2013 für den Fall eines Studienfachwechsels auf etwaige Unterhaltsansprüche verzichtet, was zudem gem. § 1614 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen wäre.


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