OLG Köln, Urt. 28.5.2020 - 21 U 53/19

Eigenmächtige Räumung verpflichtet zum Schadensersatz

Autor: RA Robert Harsch, Lörrach
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 10/2020
1. Das eigenmächtige Ausräumen mit Inbesitznahme der Wohnung ohne erkennbare Besitzaufgabe des Mieters ist verbotene Eigenmacht nach § 858 Abs. 1 BGB und unerlaubte Selbsthilfe nach § 229 BGB, welche die auch verschuldensunabhängige Haftung nach § 231 BGB auslöst, wobei es nicht darauf ankommt, ob ein Mietvertrag geschlossen ist.2. Dabei ist dem Vermieter bzw. Verleiher die Berufung auf einen Irrtum über Voraussetzungen und Umfang des Selbsthilferechts verwehrt3. Der so unrechtmäßig handelnde Vermieter hat ein aussagekräftiges Gegenstandsverzeichnis zu erstellen und deren Wert schätzen zu lassen, andernfalls sich die Beweislast umkehrt.

BGB §§ 221, 231, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 598, 858 Abs. 1; ZPO § 287

Das Problem

Die Klägerin betrieb ein Gewerbe in Büroräumen des Beklagten. Sie macht Schadensersatz von rund 13.000 € wegen Nichtherausgabe von 89 und Beschädigung von 6 Gegenständen geltend. Ob ein Mietvertrag über die Räume bestand, blieb offen. Die Klägerin kündigte fristlos unter dem 12.12.2017. Einen gerichtlichen Titel auf Räumung und Herausgabe gibt es nicht. Die Parteien hatten als Abholtermin für die Einrichtungs- und sonstigen Gegenstände den 19.1.2018 vereinbart. Dennoch ließ der Beklagte diese bereits ohne Vorankündigung am 17.1.2017 abtransportieren und einlagern. Die Klägerin rügt, dass nicht alle ihre Einrichtungs- und sonstigen Gebrauchsgegenstände vorhanden und ein Teil davon beschädigt sei.

Die Entscheidung des Gerichts

Die „Selbstjustiz“ ist verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) und unerlaubte Selbsthilfe (§ 229 BGB). Dafür steht der Vermieter bzw. Verleiher in der Schadenersatzhaftung, was nach § 231 BGB selbst bei irrtümlicher Selbsthilfe gilt. Es kommt auch nicht auf den Bestand eines Mietvertrags an. Ein reines Gefälligkeitsverhältnis auf Nutzungsgestattung wurde verneint. Die Klägerin war erkennbar auf die Raumnutzung angewiesen, so dass zumindest ein Leihverhältnis (§ 598 BGB) anzunehmen war, das die Obhutspflicht des Verleihers nach § 241 BGB begründet. Einrichtungen sind vollständig und unbeschädigt herauszugeben, andernfalls es nach § 281 Abs. 1 S. 2 BGB zu einer Beweislastumkehr kommt (BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 [Dötsch]), die sich auf Bestand, Zustand und Wert bezieht. Erforderlich war zudem, vor Inbesitznahme der Gegenstände ein aussagekräftiges Verzeichnis der verwahrten Sachen aufzustellen und deren Wert schätzen zu lassen (BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 [Dötsch]). Die Schadensersatzpflicht richtet sich wegen der Beweisnot des Nutzers dahin, dass der Beklagte beweisen muss, in welchem Umfang Bestand und Wert der Gegenstände von den Angaben abweichen, welche der Anspruchsteller hierzu erklärt hat, soweit die dort angesetzten Werte plausibel sind (BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, MDR 2010, 1106 = MietRB 2010, 286 [Dötsch]).


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