OLG Stuttgart, Beschl. 17.7.2024 - 16 UF 144/23

Zur Anwendbarkeit des Doppelverwertungsverbotes bei einem Darlehen für ein im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Familienheims

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 03/2025
1. Zum Verbot der Doppelverwertung bei Berücksichtigung von Immobiliendarlehen im Zugewinnausgleich und nachehelichem Ehegattenunterhalt.2. Das Verbot der Doppelverwertung kann nur die Tilgung und nicht die Zinsen betreffen, weil als Passivposition beim Endvermögen im Zugewinn nach § 1375 Abs. 1 BGB nur die Tilgung angesetzt wird. Aber auch der Abzug des Tilgungsanteils des Darlehens vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen führt nicht zu einer einseitigen und ungerechtfertigten Benachteiligung des Unterhaltsberechtigten, wenn der Nachteil der Verbindlichkeit in beiden Ausgleichssystemen durch damit einhergehende Vorteile vollständig ausgeglichen wird. Im Zugewinnausgleich steht der Restschuld am Stichtag ein diese übersteigender Wert der Immobilie entgegen, im Unterhalt ein das Einkommen erhöhender Wohnvorteil.3. Das Verbot der Doppelverwertung greift daher nicht in Bezug auf Verbindlichkeiten ein, denen sowohl im Güterrecht als auch im Unterhalt ein zumindest gleich hoher, dem anderen Ehegatten zugutekommender und durch die Darlehensaufnahme geschaffener wirtschaftlicher Wert entgegensteht. Für den Bereich des nachehelichen Unterhalts ist dies in der Regel durch die Begrenzung der Abzugsfähigkeit eines Darlehens bis zur Höhe des Wohnvorteils, ggf. erhöht um zulässige sekundäre Altersvorsorge (BGH v.18.1.2017 – XII ZB 118/16, FamRZ 2017, 519 m. Anm. Hauß = FamRB 2017, 170 [Seiler]), gewährleistet. Im Zugewinnausgleich darf in der Vermögensbilanz zum Endvermögen der Wert der Immobilie nicht niedriger sein als die Restschuld am Stichtag.

BGB §§ 242, 1573 Abs. 2, 1570, 1575 Abs. 1

Das Problem

Die Eheleute sind rechtskräftig geschieden. Der Antragsteller bewohnt weiterhin eine in seinem Alleineigentum stehende Immobilie mit einem Wohnwert von 1.400 €. Er führt das zur Finanzierung aufgenommene Darlehen mit einer monatlichen Annuität von 1.400 € (Zins und Tilgung) zurück. Die Folgesache Zugewinn wurde durch Vergleich erledigt. Im Endvermögen wurde das für die Immobilienfinanzierung aufgenommene Darlehen mit der Belastung zum Stichtag berücksichtigt. Der durch Vergleich ermittelte Betrag von ca. 90.000 € wurde vor Rechtskraft der Scheidung bezahlt. Die Folgesache nachehelicher Unterhalt wurde abgetrennt. Bei der Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt hatte das AG zwar den Wohnvorteil berücksichtigt, nicht aber den Tilgungsanteil der monatlichen Rate. Dem stehe das Doppelverwertungsverbot entgegen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH ändert den Beschluss des AG ab. Nach Ansicht des Senats kann vom Einkommen des Antragstellers die volle Darlehensrate von monatlich 1.400 € in Abzug gebracht werden. Ohne die Zins- und Tilgungsleistung gäbe es den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Darlehen in der Zugewinnausgleichsberechnung als Passivposten im Endvermögen des Antragstellers bereits berücksichtigt worden sei. Der Abzug der vollen Darlehensrate stelle keine unzulässige zweifache Heranziehung desselben Vermögensgegenstands zum Nachteil eines Ehegatten dar. Das hierzu entwickelte Verbot der Doppelverwertung beruhe auf der grundsätzlichen Erwägung, dass eine doppelte Teilhabe eines Ehegatten an geldwerten Positionen des anderen nicht gerechtfertigt sei (BGH v. 11.12.2002 – XII ZR 27/00 Rz. 18, FamRB 2003, 173 [Schober]).

Eine solche doppelte Teilhabe an einem (positiven) Vermögensgegenstand des anderen Ehegatten könne eintreten, wenn jeweils dieselbe Vermögensposition ausgeglichen werde. Dies sei im Verhältnis zwischen Unterhalt und Zugewinnausgleich regelmäßig nicht der Fall. Der Zugewinnausgleich sei auf ein stichtagsbezogenes Vermögen gerichtet, während der Unterhalt, der den laufenden Lebensbedarf decken soll, auf Einkünften und Vermögenserträgen aufbaue. Zu einer Konkurrenz zwischen Zugewinnausgleich und Unterhalt könne es nur dann kommen, wenn zum Unterhalt auch der Vermögensstamm herangezogen werde. Eine zweifache Teilhabe sei dann ausgeschlossen, falls der Unterhalt lediglich aus Vermögenseinkünften bemessen werde, während sich der Zugewinnausgleich auf den Vermögensstamm beschränke. Das Verbot der Doppelverwertung könne ohnehin nur die Tilgung, nicht aber die Zinsen, betreffen. Als Passiva beim Endvermögen im Zugewinn würde nach § 1375 Abs. 1 BGB lediglich die Tilgung angesetzt (Wendl/Dose, 10. Aufl., § 4 Rz. 484).

Aber auch der Abzug des Tilgungsanteils bedeute keine ungerechtfertigte Benachteiligung der Antragsgegnerin. Der Nachteil der Verbindlichkeit in beiden Ausgleichssystemen werde durch damit einhergehende Vorteile vollständig ausgeglichen. Im Zugewinnausgleich stehe der Restschuld am Stichtag ein dieser übersteigende Wert der Immobilie entgegen, im Unterhalt ein das Einkommen erhöhender Wohnvorteil (Wendl/Dose, 10. Aufl., § 4 Rz. 484; Pichlmeier, NZFam 2014, 385, 387; Borth, FamRZ 2019, 160, 162). Zu unbilligen Ergebnissen würde es vielmehr führen, in einer Konstellation wie der vorliegenden die Antragsgegnerin an der Immobilie im Zugewinn über deren Wert im Endvermögen und im nachehelichen Unterhalt über einen Wohnvorteil teilhaben zu lassen, dem Antragsteller die damit zusammenhänge Darlehenslast aber nur in einem Ausgleichssystem zu gestatten (Pichlmeier, NZFam 2014, 385, 387). Das Verbot der Doppelverwertung könne daher nicht in Bezug auf Verbindlichkeiten eingreifen, denen sowohl im Güterrecht als auch im Unterhalt ein zumindest gleich hoher, dem anderen Ehegatten zugutekommender und durch die Darlehensaufnahme geschaffener wirtschaftlicher Wert entgegenstehe.


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