Saarl. OLG, Beschl. 11.1.2022 - 6 UF 91/21

Berücksichtigung einer Abfindung anlässlich der Auflösung eines Arbeitsvertrags beim Zugewinn oder Unterhalt

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2022
Erhält ein Ehegatte anlässlich der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, ist der zum Endvermögensstichtag noch vorhandene Betrag unter folgenden Voraussetzungen eine Aktivposition in der Vermögensbilanz im Zugewinnausgleich: Der Betrag wurde/wird nicht in eine Unterhaltsregelung einbezogen und unterliegt damit nicht dem Doppelverwertungsverbot. Und der Pflichtige ist auf den Betrag nicht für eigene Unterhaltszwecke oder für Zwecke anderer Unterhaltsberechtigter angewiesen. Letztere Voraussetzung ist aufgrund einer stichtagsbezogenen Prognose zu prüfen.

BGB § 1373, § 1376, § 1378

Das Problem

Der Ehemann, von Beruf Elektriker und zuletzt als Qualitätsprüfer beschäftigt, schloss mit seinem Arbeitgeber kurz vor der Trennung der Beteiligten einen Aufhebungsvertrag. Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens war von der erhaltenen hohen Abfindung noch ein Betrag i.H.v. 90.000 € vorhanden. Zu diesem Zeitpunkt war der Ehemann 55 Jahre alt und zu 50 % schwerbeschädigt. Er beabsichtigt, mit 61 Jahren die Altersrente zu beziehen. Einer Erwerbstätigkeit will er bis dahin nicht mehr nachgehen. Nach seiner Vorstellung wird die Abfindung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts benötigt. Unterhaltsansprüche der Ehefrau sind zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht worden. Auch sonstige Unterhaltsberechtigte sind nicht vorhanden. Ist dieser Vermögenswert bei den Aktiva in der Zugewinnbilanz zu berücksichtigen?

Die Entscheidung des Gerichts

Der Zugewinn umfasst die zum Anfangs- und Endvermögen den Ehegatten am jeweiligen Stichtag zustehenden rechtlich geschützten Positionen mit wirtschaftlichem Wert. Nach Ansicht des Senats sei die Abfindung nicht von vornherein für den Zugewinnausgleich wegen eines Verstoßes gegen die Doppelverwertung gesperrt. Zu keinem Zeitpunkt habe die Ehefrau Unterhaltsansprüche geltend gemacht. Angesichts ihres Einkommens und des Wohnvorteils sei prognostizierbar ein solcher Anspruch auch in Zukunft nicht gegeben. Voraussetzung für ein Doppelverwertungsverbot sei aber, dass die Abfindung für den Unterhalt entweder bereits einbezogen und gerichtlich zuerkannt oder durch die Beteiligten in einem Vertrag wirksam berücksichtigt worden sei. Bei einer arbeitsrechtlichen Abfindung müsse entsprechend der herrschenden Meinung differenziert werden, ob die Abfindung Entschädigungscharakter für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit einhergehenden Besitzstands habe. Dann gehöre sie zum Vermögen. Alternativ könnte ihr aber auch vorwiegend Lohnersatzfunktion für die Überbrückung von Zeiten eines verminderten Einkommens zukommen. Dann sei sie unterhaltsrechtlich als Einkommen zu qualifizieren. Der Senat ordnet grundsätzlich die hier gezahlte Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes ein. Selbst wenn man aber vorwiegend unterhaltsrechtlichen Charakter annähme, sei keine andere Beurteilung geboten. Die Sicherung des Lebensbedarfs müsse durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit abgedeckt werden. Der Ehemann habe sich unterhaltsrechtlich vorwerfbar verhalten. Der bloße Verweis auf die anerkannte Schwerbehinderung sei insoweit nicht schlüssig. Jahrelang habe er die bisherige Tätigkeit trotz Schwerbehinderung beanstandungsfrei ausgeübt. Eine konkrete Erkrankung, die einer weiteren Tätigkeit im erlernten Beruf entgegenstehe, habe er nicht einmal behauptet. Unstreitig habe er sich um eine adäquat bezahlte Anstellung nicht bemüht. In Anbetracht des erheblichen Zeitraums bis zu der geplanten Verrentung, der guten Berufschancen von Facharbeitern in Industrie und Handwerk und seines zuletzt erzielten Einkommens stehe außer Frage, dass der Ehemann aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung eine qualifizierte Tätigkeit mit adäquater Vergütung bei entsprechenden Bemühungen hätte finden können. Die Ehefrau müsse daher den Verbrauch der Abfindung für den eigenen Unterhalt des Ehemanns nicht hinnehmen. Da auch sonstige Unterhaltsberechtigte nicht vorhanden seien, bleibe – unabhängig von der Einordnung – die Abfindung jedenfalls bei der Vermögensbilanz zu berücksichtigen.


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