Sozialauswahl bei Versetzung durch Änderungskündigung

Autor: RA FAArbR Werner M. Mues, CBH – Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 03/2011
Sollen Arbeitnehmer wegen Stilllegung eines Betriebsteils im Wege der Änderungskündigung an andere Arbeitsorte versetzt werden, so hat der Arbeitgeber im Rahmen einer sozialen Auswahl analog § 1 Abs. 3 KSchG zu entscheiden, welchem Arbeitnehmer er die Weiterbeschäftigung an welchem Ort anbietet. Im Rahmen der Sozialauswahl sind auch im Fall der Änderungskündigung allein die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung maßgebend, nicht aber freiwillige Unterhaltsleistungen.

BAG, Urt. v. 12.8.2010 - 2 AZR 945/08

Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg - 20 Sa 1594/07

KSchG §§ 1, 2

Das Problem:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Änderungskündigung, mit der sie gegen ihren Willen in einen weiter entfernt gelegenen Betrieb versetzt wurde. Die Änderungskündigung erfolgte wegen der Schließung des bisherigen Beschäftigungsbetriebs im Rahmen einer Restrukturierung, die mehrere Betriebsstätten betraf. Für die Entscheidung darüber, welche Arbeitnehmer in einen wohnortnahen Betrieb versetzt werden sollten, hatte der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat in einem Interessenausgleich ein Punktesystem vereinbart. Hierin wurde die Pflegebedürftigkeit von im Haushalt des Arbeitnehmers lebenden Angehörigen und die Betreuungsbedürftigkeit von Kindern bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres unabhängig vom Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung mit einer hohen Punktzahl bewertet.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das BAG hat die klageabweisende Entscheidung des LAG aufgehoben und die Sache zurückverweisen.

Sind von einer Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers – wie hier – mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen und konkurrieren diese um anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten, hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welchen Arbeitnehmer er auf dem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt. Dies gilt auch, wenn er zur Vermeidung einer Beendigungskündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG freie Arbeitsplätze in einem anderen Betrieb des Unternehmens besetzen kann und für die Versetzung durch Änderungskündigung eine Auswahlentscheidung unter konkurrierenden Arbeitnehmern über die Zuweisung jeweils günstigerer Beschäftigungsmöglichkeiten getroffen werden muss.

Wird für das einer Änderungskündigung vorgeschaltete Auswahlverfahren eine Richtlinie vereinbart, findet eine Beschränkung der Überprüfbarkeit der Auswahlentscheidung gem. § 1 Abs. 4 KSchG nur statt, wenn auch bei einer Änderungskündigung ausschließlich auf die gesetzlichen Kriterien
  • Betriebszugehörigkeit,
  • Unterhaltspflichten,
  • Lebensalter und
  • Schwerbehinderung
abgestellt und auf eine Heranziehung zusätzlicher Faktoren verzichtet wird. Die Berücksichtigung freiwilliger Unterhaltsleistungen und der Pflegebedürftigkeit von Angehörigen führen im Streitfall dazu, dass die Richtlinie nicht den Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 KSchG entspricht und eine uneingeschränkte Überprüfung des Auswahlverfahrens für die Versetzungen analog § 1 Abs. 3 KSchG hätte erfolgen müssen, was das LAG unterlassen und deshalb nachzuholen hat.


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