Wer haftet bei Unfällen durch Überholen in der Baustelle?

07.11.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Das Wichtigste in Kürze

1. Straßenverkehrsordnung: Autos müssen beim Überholen generell einen ausreichenden Seitenabstand einzuhalten (§ 5 Abs. 4 StVO). Dies gilt erst recht in Baustellen.

2. Risikoerhöhung: In Baustellen ist die Fahrbahn meist verengt, wodurch Überholen grundsätzlich ein erhöhtes Unfallrisiko birgt. Das gilt in besonderem Maße beim Überholen von Lkw.

3. Haftungsverteilung: Kommt es zum Unfall, wird die Haftung zumeist zwischen den Unfallbeteiligten aufgeteilt. Der Überholende kann zum überwiegenden Teil haften, wenn er gegen Sorgfalspflichten oder bei unklarer Verkehrslage überholt hat.
In Autobahnbaustellen sind die Fahrbahnen meist verengt und häufig kurvig. Dadurch kommt es immer wieder zu Kollisionen zwischen Fahrzeugen, ganz besonders bei Überholvorgängen. Bei einem solchen Baustellenunfall gibt es einige Besonderheiten, was die Haftung betrifft.

Welche Regeln gelten nach der StVO in Autobahnbaustellen?


Laut § 5 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) haben Autos beim Überholen generell einen ausreichenden Seitenabstand einzuhalten. Dies ist allerdings in vielen Autobahnbaustellen gar nicht möglich, da die Überholspur oft nur 2,50 Meter breit ist. Hier stoßen viele moderne Autos – nicht zuletzt SUVs – an ihre Grenzen. Auch Kleintransporter überholen oft in Baustellen, obwohl diese Fahrzeuge kaum auf die Überholspur passen. Die Gefahr eines Unfalls ist daher in Baustellen oft hoch. Eine seitliche Kollision ist schnell passiert, wenn sich eines der beiden Fahrzeuge nicht exakt an seine Fahrspur hält.

Wann hat der überholende Autofahrer eine gesteigerte Sorgfaltspflicht?


Nach einem Unfall in einer Autobahnbaustelle ist es häufig nicht einfach, einem der Unfallbeteiligten eindeutig die Schuld nachzuweisen. Die Gerichte sprechen dann immer wieder von einer gesteigerten Sorgfaltspflicht des überholenden Fahrzeugführers. Was ist damit gemeint?

Dazu ein Urteil: Das Oberlandesgericht Oldenburg befasste sich mit dem Zusammenstoß eines niederländischen LKW mit einem überholenden PKW in einer Baustelle auf der A30. Das Auto hatte den LKW mit Anhänger überholt, obwohl dieser vorher schon einmal auf den linken Fahrstreifen geraten war. Während des Überholvorgangs kollidierten beide seitlich. Es entstand ein Sachschaden von 5.000 Euro. Die Schuldfrage ließ sich nicht klären, da es keine Zeugen gab.

Laut Gericht hätte der Autofahrer in der Baustelle durchaus überholen dürfen. Es habe kein ausgeschildertes Überholverbot gegeben. Im Verhältnis zum LKW habe er keine höhere Sorgfaltspflicht gehabt. Tatsächlich hätten beide Fahrer, auch der des LKW, in der Baustelle besonders aufmerksam fahren müssen. Dass der LKW zuvor schon einmal auf den linken Fahrstreifen geraten sei, ändere daran nichts. Der PKW-Fahrer habe sich darauf verlassen dürfen, dass dies nicht noch einmal passiere und dass der andere seine Spur halte. Das Gericht teilte hier die Haftung hälftig zwischen den beiden Unfallbeteiligten auf (Urteil vom 11.5.2013, Az. 6 U 64/12).

Wer haftet in einer Baustelle bei erzwungenem Spurwechsel im Reißverschluss?


Vor dem OLG Frankfurt a. M. ging es um einen Baustellenunfall auf einer Bundesstraße. Wegen einer Baustelle war dort nur die linke Spur der Straße befahrbar. Die Fahrzeuge von der rechten Spur mussten sich per Reißverschlussverfahren einordnen. Ein LKW mit Anhänger fuhr links, der spätere Kläger mit seinem PKW rechts. Der Kläger wollte vor dem LKW einscheren und kollidierte dabei mit diesem. Vor Gericht erklärte er, wegen des Reißverschlussverfahrens davon ausgegangen zu sein, Vorfahrt zu haben.

Das Gericht erklärte, dass die Betriebsgefahr eines LKW deutlich größer sei als die bei einem PKW. Hier habe jedoch der PKW-Fahrer den Unfall mitverursacht. Er sei dazu verpflichtet gewesen, seinen Richtungswechsel rechtzeitig vorher deutlich anzuzeigen. Dies sei aber gar nicht möglich gewesen, während er neben dem LKW hergefahren sei: Dessen Fahrer habe keine Chance gehabt, den PKW blinken zu sehen. Aus diesem Grund hätte der PKW-Fahrer hier bremsen und sich hinter dem LKW einordnen müssen.

Das Reißverschlussverfahren gewähre einem Fahrzeug erst dann ein Vorfahrtsrecht nach § 7 Absatz 4 StVO, wenn der Abstand der auf mehreren Fahrstreifen ankommenden Fahrzeuge kein Einordnen auf den durchgehenden Fahrstreifen mit ausreichendem Abstand gemäß § 4 StVO mehr ermögliche. Der PKW-Fahrer habe nicht nachweisen können, dass dies hier der Fall gewesen sei.

Zusätzlich stand für das Gericht auch nicht fest, dass der PKW im Reißverschluss überhaupt gerade an der Reihe gewesen war. Zumindest habe er nicht das Recht gehabt, den Spurwechsel zu erzwingen. In diesem Fall haftete daher der PKW-Fahrer zu 70 Prozent (OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.12.2003, Az. 16 U 173/03).

Was gilt für das Überholen in der Baustelle bei unklarer Verkehrslage?


Das Landgericht Osnabrück beschäftigte sich mit einem Baustellenunfall auf der Autobahn A1. Dort hatte ein PKW einen langsam fahrenden Militärsattelschlepper in einer Baustelle überholt. Die rechte Fahrbahn war 3 Meter breit, der Sattelschlepper 2,95 Meter. Es kam zur Kollision und der Schaden betrug 4.100 Euro. Der PKW-Fahrer klagte, um seinen Schaden vollständig ersetzt zu bekommen.

Das Gericht sah hier jedoch eine anteilige Mithaftung. Zwar hafte der Halter des LKW auch ohne jedes nachweisbare Verschulden schon wegen der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs. Dies ist die abstrakte Gefahr, die grundsätzlich immer dadurch besteht, dass man überhaupt ein Fahrzeug im Straßenverkehr betreibt. Vor Gericht wird bei ihrer Berücksichtigung ein größeres Fahrzeug als gefährlicher betrachtet.

Hier musste sich jedoch nach dem Gericht der PKW-Fahrer ein Mitverschulden anrechnen lassen. Er hatte nämlich entgegen § 5 Abs. 3 StVO bei unklarer Verkehrslage überholt. Er hätte sehen können, dass der LKW hier nach links und rechts jeweils nur wenige Zentimeter Platz gehabt habe. Ein gefahrloses Überholen sei gar nicht möglich gewesen. Der PKW-Fahrer musste deswegen 1/3 seines Schadens selbst tragen (Urteil vom 2.6.2006, Az. 5 O 1098/06).

Praxistipp zu Unfällen in Baustellen


Gerichtsverfahren um Unfälle in einer Baustelle enden regelmäßig mit einer Mithaftung beider Beteiligten. Daher sollte man in Baustellen immer auf Sicherheit fahren. Wenn es an einer engen oder unübersichtlichen Stelle zu einem Unfall kommt, kann dem Überholenden leicht ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 StVO (Überholen bei unklarer Verkehrslage) vorgeworfen werden. Kommt es zu einem Rechtsstreit, kann ein Fachanwalt für Verkehrsrecht dabei helfen, die Frage nach der Mithaftung sachgerecht zu klären.

(Bu)


 Stephan Buch
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