Unfallschaden am Privat-Pkw bei Rufbereitschaft – Erstattungsanspruch

Autor: RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz, Dr. Ditz und Partner, Rastatt
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 11/2011
Hat der Arbeitnehmer im Rahmen einer Rufbereitschaft seinen eigenen Pkw eingesetzt und einen Sachschaden erlitten, so kann er vom Arbeitgeber analog § 670 BGB die Erstattung des Unfallschadens verlangen. Die Höhe dieses Ersatzanspruchs bemisst sich nach den Regeln des innerbetrieblichen Schadensausgleichs.

BAG, Urt. v. 22.6.2011 - 8 AZR 102/10

Vorinstanz: LAG München - 6 Sa 637/09

BGB §§ 254, 670

Das Problem:

Der Kläger ist Arzt eines Krankenhauses. Er hatte im Rahmen seiner Rufbereitschaft auf der Fahrt von seinem Wohnort zum Krankenhaus einen Unfall mit seinem eigenen Pkw. Mit der Klage begehrt er die Erstattung des Pkw-Schadens, da es sich um eine Dienstfahrt gehandelt habe. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts:

Das BAG sprach dem Kläger – anders als die Vorinstanzen – dem Grunde nach einen Ersatzanspruch zu. Dieser ergebe sich aus einer analogen Anwendung von § 670 BGB. Danach habe der Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz von Schäden, die ihm bei Erbringung der Arbeitsleistung auch ohne Verschulden des Arbeitgebers entstehen. Voraussetzung sei, dass
  • der Schaden nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen sei, und
  • der Arbeitnehmer ihn nicht selbst tragen müsse, weil er dafür eine besondere Vergütung erhalte.
Erstattungsfähig seien zudem nur außergewöhnliche Sachschäden, mit denen der Arbeitnehmer nach der Art des Betriebs oder der Arbeit nicht ohne weiteres rechnen müsse.

Ein Einsatz im Bestätigungsbereich des Arbeitgebers liege vor, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug hätte einsetzen und damit dessen Unfallgefahr hätte tragen müssen (BAG, Urt. v. 28.10.2010 – 8 AZR 647/09, ArbRB 2011, 165 [Hülbach]) oder wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordere, das eigene Fahrzeug für eine Fahrt zu nutzen (BAG, Urt. v. 23.11.2006 – 8 AZR 701/05, ArbRB 2007, 130 [Werxhausen]). Grundsätzlich habe der Arbeitnehmer seine Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zwar selbst zu tragen (BAG, Urt. v. 21.7.1993 – 4 AZR 471/92, ArbRB online). Dies werde jedoch durch die vom Arbeitgeber angeordnete Rufbereitschaft abgeändert. Damit sei die Pkw-Nutzung auf Verlangen des Arbeitgebers erfolgt. Sei es dem Arbeitnehmer freigestellt, wie er zur Arbeitsstelle gelange, erfolge die Nutzung des Pkw zwar grds. nicht im Risikobereich des Arbeitgebers. Etwas anderes gelte aber, wenn der Arbeitnehmer bei angeordneter Rufbereitschaft es für erforderlich halten durfte, seinen Privat-Pkw für die Fahrt vom Wohnort zur Arbeitsstätte zu benutzen, um rechtzeitig am Arbeitsort zu erscheinen.

Bei Rufbereitschaft sei der Arbeitnehmer grds. verpflichtet, sich auf schnellstmöglichem Wege zur Arbeit zu begeben. Der Arbeitgeber habe die Dauer der Rufbereitschaft angeordnet und ferner – im Unterschied zum normalen Wegerisiko – Anspruch auf Mitteilung, wo sich der Arbeitnehmer aufhalte; er bestimme auch den Zeitpunkt, ab dem dieser sich auf den Weg zur Arbeitsaufnahme machen müsse. Der Arbeitnehmer dürfe es daher für erforderlich halten, aus seiner Sicht den schnellsten Weg durch Nutzung seines Privat-Pkw zu wählen.

Damit habe im Streitfall die Nutzung des Pkw im Risikobereich des Krankenhauses gelegen. Der dem Kläger im Rahmen der Rufbereitschaft an seinem Privat-Pkw entstandene Schaden sei daher vom Krankenhaus in entsprechender Anwendung des § 670 BGB zu erstatten.


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