Unterhaltsanspruch bei verzögertem Studienbeginn infolge langer Wartezeit

Autor: RiOLG Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Brandenburg/Havel
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 09/2016
Hat das volljährige Kind seinen Vater trotz Nachfrage nicht über seinen Studienentschluss (im Fach Medizin) informiert, so besteht unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt, wenn das Kind während der langen Wartezeit nach dem Abitur eine studiennahe Berufsausbildung absolviert und anschließend bis zum Studienbeginn über einen längeren Zeitraum von mehr als zwei Jahren den erlernten Beruf ausübt.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.7.2016 - 5 UF 370/15

Vorinstanz: AG Büdingen, Beschl. v. 29.10.2015 - 53 F 994/14

BGB §§ 1601, 1610 Abs. 2

Das Problem

Die im November 1984 geborene Tochter ist aus einer nichtehelichen Beziehung des Vaters zu ihrer Mutter hervorgegangen. Die Eltern haben nie zusammengelebt, und es bestand kaum Kontakt zwischen Vater und Tochter. Im Jahr 2004 legte die Tochter das Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3 ab. Einen anschließend vom Vater verfassten Brief, in dem er ausführte, er gehe davon aus, nach dem Schulabschluss keinen weiteren Kindesunterhalt mehr zahlen zu müssen, anderenfalls möge sich die Tochter bei ihm melden, ließ diese unbeantwortet. Beide unterhielten auch anschließend keine persönlichen Kontakte. Der Vater stellte nach dem Abitur seine früheren Unterhaltszahlungen vollständig ein und leistete auch während der anschließenden Berufsausbildung seiner Tochter als anästhesietechnische Assistentin, die sie von 2/2005 bis Anfang 2008 erfolgreich absolvierte, keinen Unterhalt. Von 2/2008 bis 9/2010 arbeitete die Tochter in ihrem erlernten Beruf. Zum Wintersemester 2010/2011 konnte sie mit dem Medizinstudium beginnen, für das sie sich bereits zum Wintersemester 2004/2005 und anschließend durchgängig im Vergabeverfahren der ZVS beworben hatte. Für ihr Studium erhielt die Tochter antragsgemäß Vorausleistungen nach dem BAföG i.H.v. monatlich rund 288 €. Das Studierendenwerk (Ast.) verlangt von dem Vater (Ag.) aus übergegangenem Recht (§ 37 Abs. 1 BAföG) Erstattung seiner für die Zeit von 10/2011 bis 9/2012 erbrachten Vorausleistungen, was dieser vorgerichtlich ablehnte. Das AG hat den daraufhin eingereichten Antrag abgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Ast.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG weist die Beschwerde zurück. Der Tochter stehe gegenüber dem Vater kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt für ihr Medizinstudium zu, der auf den Ast. übergegangen sein könnte. Zwar seien hier die Grundsätze zum Ausbildungsgang Abitur-Lehre-Studium anwendbar. Es bestehe auch ein enger fachlicher Zusammenhang zwischen dem erlernten Beruf als anästhesietechnische Assistentin und dem Medizinstudium. Der Unterhaltsanspruch scheitere ebenfalls nicht an dem Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten. Denn die Tochter habe die lange Wartezeit nicht zu vertreten und ihre praktische Ausbildung sowie die anschließende Berufsausübung nur zur Überbrückung bis zur Aufnahme ihres Medizinstudiums genutzt. Entscheidende Bedeutung gewinne hier aber der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Tochter habe dem Vater (unstreitig) zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, welches (langfristige) Ausbildungsziel sie verfolge. Im Hinblick auf das Alter der Tochter (von bereits 26 Jahren bei Studienbeginn) habe er sich daher zusammen mit seiner Ehefrau darauf einstellen dürfen und auch eingestellt, von ihr nicht mehr auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden. Das machten seine finanziellen Dispositionen (Erwerb eines Eigenheims sowie Inanspruchnahme verschiedener Konsumkredite) deutlich. Unter diesen Umständen erscheine es unzumutbar, den Vater zur Finanzierung des Medizinstudiums seiner Tochter in Anspruch zu nehmen. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „Familien-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Familienrecht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme