Unterhaltsrechtliche Gleichstellung von Eltern ehelicher und nichtehelicher Kinder kommt!

30.05.2007, Autor: Herr Ernst Andreas Kolb / Lesedauer ca. 3 Min. (4221 mal gelesen)
Bundesverfassungsgericht stoppt Ungleichbehandlung von Eltern nichtehelicher und ehelicher Kinder beim Betreuungsunterhalt. Hierdurch verzögert sich die zum 01.07.2007 geplante Unterhaltsrechtsreform.

Das Bundesverfassungsgericht hat auf eine Vorlage des OLG Hamm am 28.02.2007 (bekannt gegeben am 23.05.2007) mit 7 zu 1 Stimmen einen für das Unterhaltsrecht weitreichenden Beschluss gefällt und die unterschiedliche Dauer der Unterhaltsansprüche für die Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder für verfassungswidrig erklärt.

Bisher gilt, dass der Elternteil (Vater oder Mutter), der ein nichteheliches Kind betreut, nach § 1615 l Abs. 2 S. 3 BGB im Regelfall maximal 3 Jahre gegenüber dem anderen Elternteil Anspruch auf Unterhalt hat. Nur in wenigen Ausnahmefällen, nämlich bei "grober Unbilligkeit" unter "Berücksichtigung der Belange des Kindes" kann auch darüber hinaus Unterhalt für die Kinderbetreuung verlangt werden.

Demgegenüber gewährt § 1570 BGB dem geschiedenen Ehegatten grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines Kindes. Dieser Anspruch wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass ein(e) geschiedene(r) Mutter bzw. Vater bis zum Ende der Grundschulzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen muss. Diese Zeit kann unproblematisch verlängert werden, wenn ein weiteres minderjähriges Kind zu betreuen ist. Im Ergebnis gewährt die Kindesbetreuung also einen recht kommod ausgestalteten gesetzlichen Unterhaltsanspruch des geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten.

Die unterhaltsrechtliche Privilegierung geschiedener bzw. getrennt lebender Ehegatten dient dem Ziel, das Kind in den Mittelpunkt elterlicher Sorge zu stellen. Der betreuende Elternteil soll durch den langjährigen Unterhaltsanspruch wirtschaftlich entlastet werden, um dieser Aufgabe gerecht werden zu können.

Das Ausmaß der Zuwendung, die ein Kind benötigt, lässt sich allerdings nicht daran bestimmen, ob es ehelich oder nichtehelich geboren ist. Folgereichtig hält das BVerfG die vom Gesetzgeber derzeit vorgenommene Differenzierung zwischen den Unterhaltsansprüchen der Eltern ehelicher und nichtehelicher Kinder für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG, wonach die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder zwingend geboten ist.

Das BVerfG hat dem Gesetzgeber daher aufgegeben, bis spätestens zum 31.12.2008 eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Im Ergebnis wird dies auf eine weitere Angleichung des Rechts von Eltern nichtehelicher Kinder mit dem bestehenden Ehegattenunterhaltsrecht hinauslaufen.

Konsequenzen für die Praxis:


Die Reform des Unterhaltsrechts (beabsichtigtes In-Kraft-Treten zum 01.07.2007) wird sich auf unbestimmte Dauer verzögern. Der Gesetzgeber wird die Vorgaben des BVerfG noch einarbeiten, um eine Lösung "aus einem Guss" zu bringen.
Das ist günstig für Ehepartner, die durch die beabsichtigte Verschärfung der Erwerbsobliegenheit bei anderen Unterhaltsansprüchen als demjenigen der Kindesbetreuung Nachteile erleiden würden. Für die insoweit Unterhaltsverpflichteten wiederum wirkt sich diese Verzögerung natürlich nachteilig aus, wenn und insoweit eine beabsichtigte Trennung/Scheidung bewusst verzögert wurde, um in den Genuss der "Segnungen" des neuen Unterhaltsrechts zu gelangen.

Nicht betreuende Elternteile minderjähriger nichtehelicher Kinder müssen künftig fürchten, nicht nur verschärft für den Kindesunterhalt zu haften, sondern in ähnlicher Konsequenz wie getrennt lebende und geschiedene Ehegatten eine langjährige Unterhaltsverpflichtung für den anderen Elternteil eingehen zu müssen.
Im Ergebnis kann eine nichteheliche Lebensgemeinschaft genauso schwerwiegende Härten für den allein zurückbleibenden Partner nach sich ziehen wie nach einer gescheiterten Ehe.
Neben steuerlichen Nachteilen wird die "Ehe light" für (potenziell) Unterhaltsverpflichtete unattraktiv. Auf der anderen Seite kann eine Mutter, die die alleinige elterliche Sorge für ein nichteheliches Kind innehat, einer langjährigen eigenen Versorgung durch den Kindesvater entgegensehen (entsprechende Leistungsfähigkeit einmal unterstellt). Mit extremen Missbrauchsfällen ist daher nach der Gesetzesreform auf jeden Fall zu rechnen. Es bleibt abzuwarten, in welcher Weise die Obergerichte dem im Rahmen ihrer unterhaltsrechtlichen Leitlinien ein Korrektiv vorschieben.


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