Scheidung: Wer bekommt die Kinder?

10.03.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 6 Min. (25677 mal gelesen)
Textnachrichten Die Frage, wer die Kinder bekommt, ist oft nicht einfach zu beantworten. © Bu - Anwalt-Suchservice

Eltern stehen nach einer Trennung oder Ehescheidung vor der Frage, wer die Kinder aufziehen darf oder bei wem diese künftig wohnen. Dies ist ein sehr streitträchtiges Thema - und die Kinder dürfen mitreden.

Aufgrund ihres sogenannten Aufenthaltsbestimmungsrechtes können grundsätzlich die Eltern darüber entscheiden, wo sich ihr Kind aufhalten soll. Darüber entsteht auch in der Regel kein Streit, solange die Ehe gut läuft, alle zusammen in einem Haushalt wohnen und beide Elternteile gemeinsam das Sorgerecht für die Kinder haben. Zum Problem wird die Sache aber schnell im Falle einer Trennung oder Scheidung. Dann wird oft vor lauter Streit unter den Eltern das Wohl der Kinder nicht ausreichend berücksichtigt und die Eltern können sich nicht darüber einigen, ob diese künftig bei Mutter oder Vater wohnen sollen. Gibt es keine Einigung, muss das Familiengericht entscheiden.

Wo ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht geregelt?


Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teil des Sorgerechts. Es gehört zur sogenannten Personensorge für Kinder. In § 1626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) finden sich Vorschriften zu diesem Thema. Danach haben Eltern das Recht, aber auch die Pflicht, für ihre minderjährigen Kinder zu sorgen. Nach § 1631 BGB sind sie verpflichtet und berechtigt, ihre Kinder zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und natürlich auch darüber zu bestimmen, wo sich diese aufhalten. Dazu gehört natürlich auch die Bestimmung des Wohnorts der Kinder.

Wie beantragt man das Aufenthaltsbestimmungsrecht?


Haben beide Elternteile das Sorgerecht inne, können auch beide über den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen bzw. müssen sich einigen. Soll sich an diesem Zustand etwas ändern, ist ein Antrag beim Familiengericht notwendig. Dies ist eine Abteilung des örtlichen Amtsgerichts. Dort findet dann ein gerichtliches Verfahren zur Aufenthaltsbestimmung statt. Das Gericht kann das Recht zur Aufenthaltsbestimmung einem der Ehegatten allein übertragen, ohne etwas am gemeinsamen Sorgerecht zu ändern. Das bedeutet: Beide Elternteile haben dann immer noch das gemeinsame Sorgerecht und müssen über andere wichtige Angelegenheiten des Kindes (Schulbesuch, Fernreisen, Operationen) gemeinsam und einvernehmlich entscheiden. Allerdings bestimmt ein Elternteil allein darüber, wo das Kind wohnt.

Nach welchen Kriterien entscheidet das Gericht?


Für das Gericht ist beim Aufenthaltsbestimmungsrecht ausschließlich das Kindeswohl maßgeblich. Es spielt kaum eine Rolle, was die Eltern wollen, wer schuld ist an der Trennung und warum jetzt ein Elternteil den anderen hasst. Normalerweise wird das Gericht Wert darauf legen, dass das Kind nicht aus seiner gewohnten Umgebung gerissen wird, dass es seine sozialen Kontakte (Schule, Sportverein, Freunde) behält und mit seinen Geschwistern zusammenbleiben kann. Berücksichtigt werden jedoch auch Anhaltspunkte, nach denen ein Elternteil vielleicht ungeeignet für die Betreuung des Kindes ist - wie beispielsweise Drogen- und Alkoholsucht oder Gewalt. Was es nicht gibt, ist eine feste Regel, nach der das Kind immer bei der Mutter bleibt, oder bei dem Elternteil, der die bisherige Wohnung weiter bewohnt.

Welches Mitspracherecht hat das Kind?


Sobald das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat, ist sein eigener Wunsch ausschlaggebend. Dann muss es schon besondere Gründe geben, damit das Gericht den Aufenthaltsort des Kindes gegen dessen Willen festlegt. Aber: Das Gericht wird auch jüngere Kinder immer dazu befragen, bei welchem Elternteil sie gerne leben möchten.

Was bedeutet das gemeinsame Sorgerecht?


Haben beide Elternteile das gemeinsame Sorgerecht, können auch beide über den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen. Dies kann, wie oben erwähnt, nur durch ein gerichtliches Verfahren geändert werden. Bei verheirateten Paaren ist das gemeinsame Sorgerecht die Regel. Wenn die Eltern jedoch nicht verheiratet sind, liegt das alleinige Sorgerecht bei der Mutter. Auch dann können beide Elternteile durch eine Sorgerechtserklärung bei Gericht das gemeinsame Sorgerecht übernehmen. Dieses kann ihnen auch durch eine Gerichtsentscheidung zuerkannt werden.

Was gilt bei Trennung und Scheidung?


Kommt es zu einer Trennung oder Scheidung, kann das Kind nur bei einem Elternteil bleiben. Die beste Lösung ist natürlich eine Einigung der Eltern über die Frage, bei wem das Kind leben soll. Dies bedeutet nicht, dass der andere Elternteil sein Kind nicht mehr sehen darf: Er oder sie behält ein Umgangsrecht. Besteht das gemeinsame Sorgerecht weiter, muss auch der Elternteil, bei dem das Kind nicht wohnt, über wichtige Fragen in dessen Leben mitentscheiden. Wenn sich die Eltern nicht einigen können, muss das Gericht entscheiden. Spricht es einem Elternteil das alleinige Sorgerecht oder auch lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu, lebt das Kind künftig bei diesem Elternteil.

Was gilt, wenn das Kind von zu Hause ausziehen will?


Möchte ein minderjähriges Kind von zu Hause ausziehen, könnten die Eltern natürlich auf die Idee kommen, ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht als Gegenargument anzuführen. Theoretisch sind sie auch im Recht und könnten den Umzug untersagen. Eine ganz andere Frage ist, ob dies zweckmäßig ist oder im realen Leben überhaupt umgesetzt werden kann. Wenn sich das Kind aus irgendwelchen Gründen selbst eine Wohnung leisten kann, werden sich die Eltern meist wohl eher damit abfinden müssen. Allerdings müssen Sie bei einem minderjährigen Kind den Mietvertrag mit unterschreiben, damit dieser wirksam ist.

In extremen Fällen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, kann das Jugendamt einschreiten. Das Amt kann dann das Kind wieder zu seinen Eltern schicken oder es an anderer Stelle unterbringen – womöglich in einem Jugendheim oder einer betreuten Wohngruppe. Diese Möglichkeit besteht sogar dann, wenn das Kind mit Zustimmung seiner Eltern von zu Hause ausgezogen ist und nach Meinung des Jugendamtes das Kindeswohl in Gefahr ist.

Welche Besonderheiten gelten bei Pflegekindern?


Bei Pflegekindern hängt das Recht zur Aufenthaltsbestimmung davon ab, welche Regelungen über das Sorgerecht getroffen wurden. Dieses wird häufig den leiblichen Eltern entzogen und dann durch das Jugendamt oder eine gemeinnützige Organisation ausgeübt. Diese ist dann auch berechtigt, über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen.
In anderen Fällen wird das Sorgerecht nur zum Teil auf eine solche Organisation übertragen. Dies kann auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht betreffen. Eltern mit Sorgerecht können grundsätzlich von dritten Personen die Herausgabe ihres Kindes fordern. Rechtsgrundlage dafür ist § 1632 BGB. Lebt das Kind jedoch schon länger in Familienpflege, kann das Familiengericht anordnen, dass es bei der Pflegefamilie bleibt. Dies ist jedoch nur möglich, wenn anderenfalls das Kindeswohl gefährdet wäre.

Was gilt im Urlaub?


Oft kommt es vor, dass nach einer Trennung oder Scheidung zwar ein Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat, jedoch beide das gemeinsame Sorgerecht behalten. Regelmäßig hat dann der andere Elternteil ein Umgangsrecht mit den Kindern. Darf nun der Elternteil mit Aufenthaltsbestimmungsrecht dem anderen verbieten, mit den Kindern in den Urlaub zu fahren? Dazu muss man wissen: Das Aufenthaltsbestimmungsrecht bezieht sich eigentlich nicht auf den Urlaub, sondern nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt, also „Wohnen und Leben“.

Maßgeblich ist hier, ob der gemeinsame Urlaub eine Entscheidung des täglichen Lebens darstellt. Der urlaubsbereite Elternteil darf nämlich über Alltagsfragen bei gemeinsamem Sorgerecht auch allein entscheiden. Anders ist es, wenn es um eine Entscheidung von erheblicher Bedeutung für das Kind geht. Bei dieser haben beide mitzureden. Der andere Elternteil kann immer dann der Reise widersprechen, wenn diese besondere Risiken für das Kind bedeutet. Dies kann zum Beispiel der Fall sein bei Reisen in ein Krisengebiet, abenteuerlichen und riskanten Unternehmungen und bei Flugreisen mit Kleinkindern. In manchen Fällen spielt auch der Verdacht eine Rolle, dass ein Elternteil dem anderen das Kind durch eine Reise in sein Heimatland auf Dauer entziehen könnte. Im Zweifel muss das Gericht entscheiden, vermitteln kann manchmal auch das Jugendamt.

Wann ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht eingeschränkt


Dieses elterliche Recht kann auch eingeschränkt werden - und zwar, indem das Kind auf Anordnung eines Gerichts in einer Einrichtung untergebracht wird, die gerade den Zweck hat, seine Bewegungsfreiheit einzuschränken. Allerdings kann eine freiheitsentziehende Unterbringung nur durch einen Gerichtsbeschluss und bei einer erheblichen Gefährdung des Kindeswohls stattfinden. Auch darf es keine andere Möglichkeit geben, wie die Unterbringung in einer betreuten Wohngruppe oder in einem offenen Jugendheim. Internate werden übrigens nicht als „Freiheitsentzug“ angesehen.

Wann liegt eine Kindesentführung vor?


Nimmt ein Elternteil das Kind gegen den Willen des anderen einfach mit, ohne das alleinige Sorgerecht zu haben oder auch nur das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, liegt eine Straftat vor. Nämlich eine Entziehung Minderjähriger nach § 235 des Strafgesetzbuches. Dafür droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Eine solche Strafbarkeit steht oft im Raum, wenn ein Elternteil mit ausländischen Wurzeln mit dem Kind in sein Heimatland reist und dort mit dem Kind bleibt. Den Elternteil interessiert dann meist eine mögliche Strafbarkeit in Deutschland wenig.

Allerdings können besorgte Elternteile mit alleinigem Aufenthaltsbestimmungsrecht einige praktische Vorsichtsmaßnahmen treffen. So können sie die Ausweisdokumente des Kindes sicher aufbewahren und seine Schule oder Kita anweisen, das Kind nicht dem anderen Elternteil mitzugeben.
Wenn dann doch so etwas passiert, ist eine Rückführung des Kindes mit Unterstützung von ausländischen Behörden nach dem „Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen“ möglich. Natürlich muss der jeweilige Staat dieses Abkommen auch unterzeichnet haben. Die Türkei zum Beispiel gehört zu den Unterzeichnern, die meisten Staaten aus dem islamischen Kulturkreis nicht. Hier kommt – sofern das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht beim deutschen Elternteil liegt – allenfalls ein Vorgehen über deutsche Konsulate und ausländische Gerichte in Frage.

Praxistipp


Streiten Eltern um das Recht zur Aufenthaltsbestimmung ihres Kindes, sind die Fronten schnell verhärtet und es kommt zu langen Gerichtsprozessen. In der Regel ist eine gütliche Einigung besser – besonders für das Kind. Qualifizierten Rechtsrat zum Thema Aufenthaltsbestimmung erhalten Sie bei einem Fachanwalt für Familienrecht.

(Bu)


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 Stephan Buch
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