Unterschieben eines Kindes und Ausschluss des Versorgungsausgleichs

Autor: RiOLG Frank Götsche, Brandenburg/Havel
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 06/2012
a) Verschweigt die Ehefrau ihrem Ehemann, dass ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstammt, kann dies zu einem vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen.b) Beruft sich im Versorgungsausgleichsverfahren ein Elternteil auf die Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater, so ist zu prüfen, ob eine Ausnahme von der Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB zuzulassen ist (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 25.6.2008 – XII ZB 163/06, FamRZ 2008, 1836 = FamRB 2008, 336).c) Die fehlende Abstammung vom Ehemann kann nicht nur angenommen werden, wenn die anderweitige leibliche Vaterschaft unstreitig ist, sondern auch dann, wenn der Ausschluss der leiblichen Vaterschaft des Ehemannes in zulässiger Weise festgestellt worden ist (im Anschluss an Senatsurt. v. 15.2.2012 – XII ZR 137/09, FamRZ 2012, 779 = FamRB 2012, 137).

BGH, Beschl. v. 21.3.2012 - XII ZB 147/10

Vorinstanz: OLG Schleswig, Entsch. v. 26.3.2010 - 10 UF 228/09

BGB § 1587h a.F.; VersAusglG § 27

Das Problem:

Die Antragstellerin und der Antragsgegner hatten am 6.1.1967 die Ehe geschlossen, aus der eine in 1967 geborene Tochter hervorging. Im November 1984 hatte die Antragsstellerin zudem einen behinderten Sohn geboren. In einem parallel geführten Unterhaltsrechtsstreit (vgl. dazu BGH v. 15.2.2012 – XII ZR 137/09, FamRB 2012, 137) hat das Familiengericht über die Abstammung des Sohnes ein Sachverständigengutachten eingeholt, wonach die Vaterschaft des Antragsgegners ausgeschlossen ist. Von dem außerehelichen Kontakt, aus dem der Sohn stammte, berichtete die Antragstellerin dem Antragsgegner erstmals im Jahre 2005.

Auf den der Antragstellerin im Dezember 1995 zugestellten Scheidungsantrag des Antragsgegners wurde die Ehe durch rechtskräftiges Verbundurteil geschieden. Im Wege des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs wurden gesetzliche Rentenanwartschaften i.H.v. 1.021 DM, bezogen auf den 30.11.1995, vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen wurden. Der Ausgleich weiterer Anrechte aus einer betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes wurde dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Nach Erreichen der Altersgrenze begehrt die Antragstellerin im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vom ehezeitlichen Anteil (monatlich 2.751,76 €) an der vom Antragsgegner bezogenen betrieblichen Altersrente die Hälfte.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der BGH führt (noch auf der Grundlage des vor dem 1.9.2009 geltenden Rechts des Versorgungsausgleichs) aus, dass das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten darstelle und eine unbillige Härte i.S.d. § 1587h Nr. 1 BGB a.F. bzw. § 1587c Nr. 1 BGB a.F. begründen könne. Eine unbillige Härte liege vor, wenn eine Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falls dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde, was sich im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben müsse.

Da hier Erkenntnisse über die (Nicht-)Vaterschaft des Ehemannes bereits in zulässiger Weise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens in einem parallel geführten Unterhaltsrechtsstreit gewonnen seien, stehe die Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB einer Verwertung des Gutachtens im Versorgungsausgleichsverfahren nicht entgegen. Bei den beiderseitigen Einkommensverhältnissen sei auch der der Antragstellerin zustehende Unterhaltsanspruch aus dem Parallelverfahren einzubeziehen. Zu beachten sei ferner, dass die Antragstellerin an den in der Ehezeit erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften bereits durch den durchgeführten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich teilhabe.

Nach alledem sei der schuldrechtliche Versorgungsausgleich für denjenigen Teil der Ehezeit auszuschließen, in dem die Antragstellerin dem Antragsgegner die mögliche Abstammung des Kindes von einem anderen Mann verschwiegen hat (hier: ab Geburt des untergeschobenen Kindes Ende November 1984 bis zum Ende der Ehezeit, also Ende November 1995). Dafür müsse die vom Ehemann in der Gesamtehezeit erworbene Anwartschaft um diejenige gekürzt werden, die er in der auszuschließenden Zeit erworben hat, um anschließend den Wertunterschied aus der so bereinigten Versorgungsanwartschaft auszugleichen (BGH v. 25.6.2008 – XII ZB 163/06, FamRZ 2008, 1836 = FamRB 2008, 336; v. 29.3.2006 – XII ZB 2/02, FamRZ 2006, 769 [771] = FamRB 2006, 203; v. 26.11.2003 – XII ZB 75/02, FamRZ 2004, 256 [257] = FamRB 2004, 78). Es seien also die auf die auszuschließende Zeit entfallenden Anwartschaften auf das gesetzliche Ehezeitende bezogen zu ermitteln und diese von den auf die gesamte Ehezeit entfallenden Anwartschaften abzuziehen.


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