Wahlmöglichkeit für den anwaltlichen Pfleger zwischen Vergütung nach VBVG oder RVG

Autor: Dipl.-Rpfl. Hagen Schneider, Magdeburg
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2013
1. Wird ein Rechtsanwalt zum Ergänzungspfleger bestellt, kann er für Leistungen, für die ein anderer Pfleger wegen notwendiger Fachkenntnisse einen Rechtsanwalt heranziehen müsste, wählen, ob er eine Vergütung nach dem VBVG oder Aufwendungsersatz nach dem RVG geltend macht.2. Der Aufwendungsersatz nach dem RVG ist nicht auf die Gebühren der Beratungshilfe zu beschränken, wenn der anwaltliche Ergänzungspfleger in Asylverfahren Tätigkeiten erbringt, die nicht typischerweise in den Bereich der Beratungshilfe fallen.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.1.2013 - 6 UF 344/11 (n.rkr.)

Vorinstanz: AG Darmstadt, Beschl. v. 7.11.2011 - 51 F 1340/10 PF

BGB §§ 1835 Abs. 1, Abs. 3, 1836 Abs. 1 S. 2; RVG-VV Nr. 2300

Das Problem:

Einem minderjährigen Ausländer, der ohne seine Eltern nach Deutschland eingereist ist, wurde für das Asylverfahren ein anwaltlicher Ergänzungspfleger mit dem Aufgabenkreis „ausländer- und asylrechtliche Betreuung” bestellt. Im Rahmen seiner Tätigkeit führte der Anwalt Gespräche, z.T. auch unter Hinzuziehung eines Dolmetschers, fertigte den Asylantrag und nahm an der Anhörung im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teil. Für seine Tätigkeit hat der Anwalt einen Aufwendungsersatz nach dem RVG geltend gemacht. Das AG hat jedoch nicht die beantragte 1,8 Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV), sondern nur die Geschäftsgebühr im Beratungshilfeverfahren (Nr. 2503 RVG-VV) i.H.v. 70 € nebst Auslagen zuerkannt. Dagegen wurde erfolglos Erinnerung eingelegt und gegen die Erinnerungsentscheidung die Beschwerde.

Die Entscheidung des Gerichts:

Die Beschwerde ist begründet. Wird ein Anwalt zum Ergänzungspfleger bestellt, kann er nach § 1835 Abs. 3, § 1915 Abs. 1 BGB frei wählen, ob er wegen von ihm erbrachter Leistungen, für die ein anderer Pfleger wegen erforderlicher fachspezifischer Kenntnisse einen Rechtsanwalt heranziehen müsste, nach dem VBVG abrechnet oder als Aufwendungsersatz nach dem RVG abrechnet. So hat auch der BGH (BGH v. 20.12.2006 – XII ZB 118/03, FamRZ 2007, 381 = FamRB 2007, 107) festgestellt, dass ein Betroffener keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Pfleger oder Betreuer solche Dienste erbringen kann, ohne einen Anwalt heranziehen zu müssen.

Kann der Ergänzungspfleger eine Vergütung nach dem RVG geltend machen, ist jedoch zu prüfen, ob sich diese auf die Gebühren und Auslagen der Beratungshilfe beschränkt, weil der Pfleger Tätigkeiten erbringt, die typischerweise der Beratungshilfe zuzurechnen sind. Im Bereich des Asylrechts geht die anwaltliche Tätigkeit jedoch im Regelfall darüber hinaus, auch wenn der Aufgabenkreis als „Vertretung in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten” beschränkt wird. Hier wird im Einzelfall ein ausführliches Gespräch mit dem jugendlichen Asylbewerber, im Regelfall unter Beiziehung eines Dolmetschers, geführt und der Asylantrag gefertigt. Darüber hinaus erfolgt oft auch die Teilnahme bei dem Anhörungstermin vor dem Bundesamt. Dabei handelt es sich nicht um beratungshilfetypische Angelegenheiten, sondern vielmehr um Aufgaben, bei denen es sich nicht um spezifische Anwaltstätigkeiten handelt, so dass eine Beschränkung auf die Beratungshilfe- oder VKH-Vergütung unstatthaft ist (so auch: OLG Frankfurt v. 10.1.2013 – 5 WF 215/11, FamRB 2013, 216, nachstehend).

Das Gericht hat zudem festgestellt, dass die Beschränkung der Pflegervergütung auf die Beratungshilfegeschäftsgebühr der Nr. 2503 RVG-VV (70 €) nicht statthaft ist, wenn Tätigkeiten erbracht werden, die nicht typischerweise der Beratungshilfe zuzuordnen sind. Diese Gebühr ist offensichtlich nicht kostendeckend und berücksichtigt auch nicht die höhere Verpflichtung, die für den Ergänzungspfleger im Vergleich zu einem nur im Rahmen der Beratungshilfe tätigen Anwalt besteht. In diesem Zusammenhang wurde durch das Beschwerdegericht darauf hingewiesen, dass dem anwaltlichen Pfleger bei einer Beschränkung auf die bloße Beratungshilfevergütung ein Ablehnungsrecht zustünde, wenn er mehrere Pflegschaften gleichzeitig führt (§ 1786 Abs. 1 Nr. 8, § 1915 Abs. 1 BGB), was wiederum dazu führen würde, dass die im Asylverfahren qualifizierten Anwälte nicht mehr bestellt würden und die dringend erforderliche Hilfe für minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge nicht mehr gewährleistet wäre.

Handelt es sich um eilbedürftige Angelegenheiten, ist dem Ergänzungspfleger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Vergütung auch dann zu gewähren, wenn er die Tätigkeit vor der förmlichen Bestellung ausführt. Hierzu gehören auch die Asylverfahren unbegleiteter Jugendlicher.


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