Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung: Was Anwälte dazu wissen müssen

04.08.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Rechtsanwälte,Rentenversicherung,Antrag,Befreiung,Versorgungswerk Angestellte Rechtsanwälte müssen nicht zwingend gesetzlich rentenversichert sein © Bu - Anwalt-Suchservice

Syndikusanwälte können sich von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen. Die DRV hat jedoch dieses Jahr in einem wichtigen Punkt ihre Verwaltungspraxis geändert.

Rechtsanwälte, die als Angestellte tätig sind, können sich aufgrund der Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen. Die Rechtsgrundlage dafür ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.

Was sind die Grundvoraussetzungen für eine Befreiung?


Voraussetzung für eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung ist eine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer und im Versorgungswerk. Außerdem muss der Antragsteller oder die Antragstellerin eine berufsspezifische Tätigkeit ausüben. Davon wird bei Rechtsanwälten ausgegangen, die in einer Anwaltskanzlei beschäftigt sind. Komplizierter wird es bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern.

Wie und wo können Rechtsanwälte die Befreiung beantragen?


Die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung findet auf schriftlichen Antrag hin statt. Dieser ist an das Versorgungswerk zu übersenden, das ihn nach Bestätigung der Pflichtmitgliedschaft an die Deutsche Rentenversicherung weiterleitet. Diese trifft dann die Entscheidung, was drei bis sechs Monate dauern kann.

Was kann man gegen eine Ablehnung des Antrags tun?


Man kann gegen den Ablehnungsbescheid innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe Widerspruch einlegen. Wird diesem nicht abgeholfen, können Antragsteller innerhalb eines Monats Klage zum Sozialgericht erheben.

Wann gilt die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung rückwirkend?


Die Deutsche Rentenversicherung spricht die Befreiung rückwirkend aus, wenn der entsprechende Antrag innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit bzw. nach Beginn der Mitgliedschaft gestellt wird. Ansonsten gilt die Befreiung ab dem Tag der Antragstellung.

Wird der Antrag nicht innerhalb der ersten drei Monate ab Beginn der angestellten Tätigkeit an das Versorgungswerk zurückgesendet, besteht bis zum Antragseingang neben der Pflicht zur Beitragszahlung an die Deutsche Rentenversicherung zusätzlich auch noch eine Beitragspflicht gegenüber dem Versorgungswerk. Ein rechtzeitiges Absenden ist also unbedingt zu empfehlen.

Was gilt für Syndikusanwälte?


Seit 1.1.2016 gibt es die Möglichkeit einer Anwaltszulassung als Syndikusanwalt bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber, § 46 Abs. 2 BRAO.

Syndikusanwälte können sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen. Dies bestätigt ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 15.12.2016 (Az. B 5 RE 7/16 R).

Kriterien für eine Tätigkeit als Syndikusanwalt nach § 46 Abs. 3 BRAO sind:

Die Tätigkeit ist geprägt durch:

- Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten,
- Erteilung von Rechtsrat,
- Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbstständige Führen von Verhandlungen oder hinsichtlich der Verwirklichung von Rechten,
- Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten.

Wichtig ist ferner, dass die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts vertraglich und tatsächlich gewährleistet ist.

Die Prüfung, ob diese Kriterien vorliegen, findet durch die zuständige Rechtsanwaltskammer statt. Diese muss im Zulassungsverfahren die Deutsche Rentenversicherung anhören.

Eine Zulassung als Syndikusanwalt kann durch die Rechtsanwaltskammer ab Antragseingang ausgesprochen werden, frühestens aber ab Beginn der Tätigkeit, für die die Zulassung beantragt wurde.

Nicht-Syndikusanwälte: Welche Verfahrensänderung gibt es bei der DRV?


Jahrelang war es Verwaltungspraxis bei der Deutschen Rentenversicherung, dass auch bestimmte angestellte Rechtsanwälte, die nicht als Syndizi tätig waren, sich von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen konnten. Und zwar dann, wenn diese in Steuer- und Wirtschaftsberatungsgesellschaften tätig waren. Dies beruhte auf dem schon genannten BSG-Urteil von 2016, das besagt:

"Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung ist daher nach der neueren Rechtsprechung des BGH die Stellung als Angestellter eines Steuerberaters oder einer Steuerberatungsgesellschaft und damit eines den anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfenen Arbeitgebers mit dem Status des Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege iS von § 1 BRAO vereinbar, wenn der Anstellungsvertrag die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts sicherstellt. Damit kommt es ebenfalls im Gegensatz zu der oben zitierten Rechtsprechung des BGH heute entscheidend auf die konkrete Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit bei der Bearbeitung der dem Einzelnen übertragenen Mandate an ... und ist die früher betonte Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit in Gestalt der eigenen Rechtsbeziehung zum Auftraggeber unerheblich geworden.
Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG an."

Man könnte also grob verkürzt sagen: Wer Mandanten berät, ohne direkt weisungsgebunden zu handeln, arbeitet anwaltlich - auch wenn er angestellt ist.

Dementsprechend war auch eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung möglich. Erforderlich war hier nur die Angabe im Befreiungsantrag, dass der Antragsteller steuerberatend tätig sei. Aber: Das einschlägige Antragsformular 6355 der DRV wurde mit Wirkung zum 22. Mai 2022 geändert. Nun ist darin eine Befreiung ohne Syndikuszulassung nicht mehr vorgesehen.

Die DRV hat ihre Rechtsauffassung also geändert. Denn: Das BSG-Urteil vom Dezember 2016 beziehe sich auf einen Fall nach alter Rechtslage, also vor Einführung der Syndikuszulassung am 1. Januar 2016. § 46 Abs. 2 BRAO sei so formuliert, dass eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber immer eine Syndikuszulassung erfordere. Ohne diese gibt es also auch keine Befreiung mehr.

Eine mögliche Kritik an dieser neuen Rechtsauffassung besteht darin, dass das BSG-Urteil von 2016 auf die Tätigkeit abstellt, also auf die Beratung von Mandanten - und dort findet sich kein Hinweis darauf, dass dies nur für Altfälle von vor 2016 gelten soll.

Auch im Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsbereich tätige Rechtsanwälte können eine Syndikuszulassung beantragen - sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.

Was ist bei einem Wechsel des Arbeitgebers zu beachten?


Das Bundessozialgericht hat 2012 entschieden, dass bei jedem Arbeitgeberwechsel ein neuer Befreiungsantrag erforderlich ist - also auch bei jedem Wechsel der Kanzlei. Dies gilt ebenso bei jeder wesentlichen Änderung des Tätigkeitsfeldes, auch wenn der Arbeitgeber beibehalten wird (Urteil vom 31.10.2012, Az. B 12 R 5/10 R).

Praxistipp


Fragen zur Befreiung von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung beantworten die Versorgungswerke für Rechtsanwälte in den verschiedenen Bundesländern. Auch die Rechtsanwaltskammern halten oft Informationen zu diesem Thema bereit. Vor dem Antrag auf eine Befreiung sollte immer eine Abwägung des finanziellen Nutzens stattfinden, insbesondere, wenn bereits Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung vorhanden sind.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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