Zuständigkeit des Richters für Prüfung der Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Sorge der Mutter

Autor: RiAG Dr. Jürgen Schmid, w.aufsf. Ri., München
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 11/2012
1. Besteht der Verdacht, dass die elterliche Sorge der gem. § 1626a Abs. 2 BGB allein sorgeberechtigten Mutter wegen Geschäftsunfähigkeit ruht und kommt daher die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater gem. § 1678 Abs. 2 BGB in Betracht, ist der Richter für das gesamte Verfahren einschließlich der Prüfung der Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Sorge zuständig.2. Die Bestellung eines Vormunds kommt in diesen Fällen erst in Betracht, wenn feststeht, dass dem Vater die elterliche Sorge nicht übertragen wird.3. Die unter Auslassung der Prüfung, ob die elterliche Sorge auf den Vater zu übertragen ist, erfolgte Anordnung der Vormundschaft durch den Rechtspfleger ist wegen der Missachtung des Richtervorbehalts unwirksam.

OLG Dresden, Beschl. v. 14.3.2012 - 23 WF 1162/11

Vorinstanz: AG Bautzen, Beschl. v. 6.10.2011 - 54 F 618/11

BGB §§ 1673 Abs. 1, 1678 Abs. 2; RPflG §§ 8 Abs. 4, 14 Abs. 1 Nr. 3

Das Problem:

Die unter Betreuung stehende, nach § 1626a BGB allein sorgeberechtigte Mutter und der Vater eines minderjährigen Kindes haben bis Anfang 2010 zusammengelebt. Das im Betreuungsverfahren eingeholte Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass bei der Mutter eine leichte intellektuelle Minderbegabung vom Grade einer Lernbehinderung sowie eine Alkoholabhängigkeit und eine Polytoxikomanie vorliege, so dass von Geschäftsunfähigkeit auszugehen sei. Das Familiengericht hat durch den Rechtspfleger in einem Aktenvermerk das Ruhen der elterlichen Sorge der Mutter festgestellt und mit Beschluss vom 6.10.2011 Vormundschaft für das Kind (sowie ein weiteres Kind) angeordnet und das Jugendamt als Vormund bestellt. Hiergegen wandte sich die Mutter mit der zulässigen Beschwerde, da sie in einer betreuten Mutter-Kind-Einrichtung bei der Kindererziehung unterstützt werde.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG verweist das Verfahren unter Aufhebung des Beschlusses vom 6.10.2011 ans AG zurück. Dem Richter sei die Entscheidung nach § 1678 Abs. 2 BGB – ob dem Vater die elterliche Sorge für das Kind zu übertragen sei – nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 RPflG vorbehalten, so dass er auch alle Verrichtungen zur Vorbereitung dieser Entscheidung selbst treffen müsse, ohne dass der Rechtspfleger dem durch Anordnung der Vormundschaft vorgreifen dürfe. Da somit nach § 8 Abs. 4 RPflG der Rechtspfleger anstatt des Richters entschieden habe, sei der Beschluss des AG unwirksam, so dass ohne die Voraussetzung nach § 69 Abs. 1 FamFG eine Zurückverweisung vorzunehmen gewesen sei. Außerdem spreche viel dafür, dass die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge (die im vorliegenden Fall bisher nicht durch Beschluss erfolgt ist) bei Geschäftsunfähigkeit der Mutter ebenfalls dem Richter vorbehalten bleiben müsse. Das Gericht könne sich im Hinblick auf die Frage der Geschäftsunfähigkeit auch nicht auf das Gutachten im Betreuungsverfahren stützen, da erst bei einem Intelligenzquotienten unter 60 oder beim Vorliegen psycho-pathologischer Störungen aufgrund chronischen Alkohol- oder Drogenmissbrauchs Geschäftsunfähigkeit vorliege.


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