Pauschalreisen: Wer haftet für Unfälle bei organisierten Ausflügen?

14.05.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Jeep,Urlaub,Ausflug,Reiseleitung Reiseveranstalter haften ungern für organisierte Ausflüge am Urlaubsort. © Ma - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Organisierte Ausflüge: Insbesondere Pauschalurlauber werden am Urlaubsort mit zahlreichen Zusatzangeboten kleinerer örtlicher Anbieter, wie bspw. Stadtrundfahrten, Bootstouren, Reitausflüge, geführte Radtouren, Jeep-Safaris, Tauchen etc, beworben - oft direkt über den Reiseveranstalter.

2. Vertragspartner: Kommt es zu Mängeln oder gar Unfällen bei der Wahrnehmung des Zusatzangebotes, stellt sich die Frage wer eigentlich Vertragspartner des Zusatzangebotes ist und damit haftet: der Reiseveranstalter oder der örtliche Anbieter. Die Reiseveranstalter wollen wegen der möglichen Haftung vorzugsweise nur als Vermittler auftreten.

3. Haftung des Reiseveranstalters: Erweckt ein Propekt für ein Zusatzangebot beim Urlauber den subjektiven Gesamteindruck, dass der Reiseveranstalter der Organisator ist, haftet dieser auch für Unfälle. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn auf einem Prospekt der Hinweis "Buchen Sie bei Ihrer Reiseleitung!" aufgedruckt ist.
Pauschalurlauber kennen diese Situation: Kaum ist man am Ferienort im Hotel eingetroffen, wird schon für eine Vielzahl von Veranstaltungen und Ausflügen Werbung gemacht. Am besten soll man sich schnellstmöglich anmelden, um nichts zu verpassen. Dabei reicht die Palette der Angebote von Stadtrundfahrten über Bootstouren, Reitausflüge, geführte Radtouren und Jeep-Safaris durchs Gelände bis hin zum Schnorcheln mit Mantarochen und Walhaien. Solche Aktivitäten sind für Urlauber oft unvergessliche Erlebnisse, die der Reise erst die richtige Würze geben. Allerdings kann auch dabei ein Unfall stattfinden, etwa, weil der örtliche Anbieter nicht die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat oder der Urlauber einfach mit einer sportlichen oder fahrerischen Situation überfordert ist. Muss dann der Reiseveranstalter haften?

Wer ist eigentlich mein Vertragspartner des Zusatzangebotes?


Die Buchung von Zusatzangeboten findet in der Regel über den örtlichen Reiseleiter des Reiseveranstalters statt. Oft begrüßt dieser die Gäste und weist sie dabei auf die Angebote der örtlichen Vertragspartner seines Unternehmens hin. Dies sind meist kleinere örtliche Anbieter. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wer nun eigentlich mit wem einen Vertrag abschließt. Reiseveranstalter vertreten häufig den Standpunkt, dass sie eine Reiseleistung nur vermitteln. Damit würde im Ernstfall der örtliche Unternehmer haften. Ob dieser zahlungskräftig oder gut versichert ist, kann niemand wissen. Besonders bei Personenschäden geht es jedoch schnell um große Geldsummen.

Urteil des Bundesgerichtshofes: Busunfall in Ägypten


Vor einigen Jahren befasste sich der Bundesgerichtshof mit der sogenannten Vermittlerfalle bei Touristen-Ausflügen. Damals ging es um einen von Pauschalreisenden gebuchten Tagesausflug nach Kairo. Dieser endete tragisch: Der schlecht beleuchtete Ausflugsbus fuhr zu schnell und kollidierte mit einem LKW. Der Busfahrer und ein Sicherheitsmann wurden getötet und einige Reisende verletzt. Der Reiseveranstalter berief sich gegenüber den Reisenden darauf, nur Vermittler des Ausflugs gewesen zu sein. Für Schäden wollte er nicht einstehen.

Der Bundesgerichtshof betonte, dass Reiseveranstalter grundsätzlich nur für ihre eigenen Leistungen haften müssen. Allerdings hänge die Entscheidung, ob im konkreten Fall eine eigene oder fremde Leistung vorliege, davon ab, wie dies aus der Sicht der Reisenden organisiert sei. Hier sei der Ausflug mit einem Prospekt beworben worden, auf dem groß gedruckt stand "nur bei Ihrem Reiseveranstalter buchbar". Erst im Kleingedruckten stand, dass der Reiseveranstalter nur Vermittler sei und eine örtliche Agentur die eigentliche Verantwortung trage. Wenn der Veranstalter nach außen hin den Eindruck erwecke, dass er verantwortlich sei, müsse er auch selbst haften – so der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.6.2007, Az. X ZR 61/06).

BGH: Urteil zu Jeep-Safari in Bulgarien


2016 befasste sich der Bundesgerichtshof erneut mit dem Thema. Diesmal klagte ein Ehepaar, das eine Pauschalreise nach Bulgarien gebucht hatte. Ihnen war beim Eintreffen am Urlaubsort eine Begrüßungsmappe mit dem Logo des Reiseveranstalters und der Überschrift "Ihr Ausflugsprogramm" überreicht worden. Darin gab es ein Angebot für eine "Berg und Tal: Geländewagen-Tour". Unter der Liste der Ausflüge war angegeben, dass der Reiseveranstalter nur Vermittler sei und eine örtliche Agentur die Verantwortung trage. Die Ausflüge seien direkt bei dieser zu buchen, per SMS oder E-Mail. Fettgedruckt stand aber darunter: "Buchen Sie bei Ihrer Reiseleitung!" Dem folgte das Paar und buchte beim Reiseleiter des Reiseveranstalters die Jeep-Safari. Dabei kam es zu einem Unfall und beide wurden verletzt.

Neues Reiserecht für Pauschalreisen ab 1. Juli 2018

Wie haftet der Reiseveranstalter für Unfälle?


Die beiden bei der Jeep-Safari verletzten Reisenden verlangten von ihrem Reiseveranstalter Schmerzensgeld. Dieser verwies lediglich auf den Vertrag: Aus diesem ginge hervor, dass er lediglich als Vermittler für die von der örtlichen Agentur organisierten Ausflüge auftrete. Die ersten Gerichtsinstanzen gaben dem Veranstalter recht. Entscheidend war aus Sicht der Gerichte die Buchungsmöglichkeit über die E-Mail-Adresse der örtlichen Agentur. Durch diesen Hinweis habe der Reiseveranstalter ausreichend deutlich gemacht, dass er nur als Vermittler fungieren wollte.

Der Bundesgerichtshof sah dies anders (Urteil vom 12.1.2016, Az. X ZR 4/15). Der Reiseveranstalter könne sich nicht durch einen Hinweis im Kleingedruckten von der Haftung befreien. Bei der Verantwortung für die Veranstaltung von Ausflügen komme es auf den subjektiven Gesamteindruck der Reisenden selbst an und nicht darauf, ob der jeweilige Pauschalreiseveranstalter an irgendeiner Stelle in die AGB geschrieben habe, dass er nur als Vermittler auftrete.

Bereits das Einfügen des Ausflugsprogramms in eine Begrüßungsmappe mit dem Logo des Reiseveranstalters und die Überschrift "Ihr Ausflugsprogramm" seien Anzeichen dafür, dass der Reiseveranstalter verantwortlich sei. Auch die Aufforderung, einen Ausflug bei der Reiseleitung zu buchen, könnten Reisende so verstehen, dass der Reiseveranstalter ihr Vertragspartner werden wolle.

Welche Auswirkungen hat der Hinweis auf die fremde Mailadresse?


Dem BGH zufolge war der im Kleingedruckten enthaltene Hinweis auf eine Vermittlerrolle des Reiseveranstalters und die Kontaktdaten der örtlichen Agentur nicht entscheidend. Wegen der geringen Schriftgröße und der Einbettung in den restlichen Text würden diese Informationen hinter den auffälliger gedruckten Hinweisen auf den Veranstalter zurücktreten. Wenn für einen Ausflug auf den Infotafeln des Reiseveranstalters im Hotel geworben werde und dieser Ausflug von der Reiseleitung angeboten sowie bei dieser bezahlt werde, könne der Reisende davon ausgehen, dass der Reiseveranstalter auch Veranstalter des Ausflugs sei.

Wann haftet der Reiseveranstalter nicht für Ausflüge?


Für manche Sach- oder Personenschaden auf Ausflügen haftet der Reiseveranstalter trotz allem nur eingeschränkt oder überhaupt nicht. Zum Beispiel kann ein solcher Fall vorliegen, wenn auch der örtlichen Agentur kein Vorwurf zu machen ist – etwa bei Vorkommnissen im Rahmen höherer Gewalt wie bei einem plötzlichen Unwetter. Natürlich haftet der Reiseveranstalter ebenfalls nicht, wenn der Reisende selbst den Schadensfall verursacht hat - etwa durch einen Fahrfehler oder Alkoholeinfluss.

Urteil: Unfall beim Hoteltransfer


Der Transfer zwischen Flughafen und Hotel wird in der Regel durch örtliche Unternehmer durchgeführt. Dabei kommen meist keine Diskussionen um die Vermittlerfrage auf. Denn: Der Bustransfer ist eine Leistung, die zum Leistungspaket der gebuchten Reise gehört und von Anfang an mitgebucht und mitbezahlt ist. Ein vor dem Bundesgerichtshof verhandelter Fall betraf eine Türkeireise mit inbegriffenem Flughafentransfer. Der Transferbus wurde auf der eigenen Fahrspur von einem Geisterfahrer gerammt. Dabei wurden die Reisenden teilweise schwer verletzt. Sie forderten anschließend unter anderem die Rückzahlung des Reisepreises. Den Unfall – durch den der Urlaub zum Krankenhausaufenthalt wurde – sahen sie als Reisemangel an, für den der Reiseveranstalter haften müsse.

Das Landgericht Düsseldorf lehnte zunächst eine Haftung des Veranstalters ab. Der allein von dem Geisterfahrer verschuldete Unfall sei nicht die Schuld des Reiseveranstalters. So etwas gehöre zum "allgemeinen Lebensrisiko". Allerdings sah der Bundesgerichtshof dies anders. Die Reiseleistung sei mangelhaft gewesen, weil es dem Reiseveranstalter nicht gelungen sei, die Reisenden unversehrt ins Hotel zu transportieren. Daher hätten sie keine der gebuchten Leistungen in Anspruch nehmen können. Für die Erstattung des Reisepreises sei ein Verschulden des Reiseveranstalters nicht entscheidend. Wenn die Reise durch Umstände außerhalb seines Einflusses vereitelt werde, trage der Reiseveranstalter das Risiko, den vereinbarten Preis nicht zu erhalten. Die beiden Klagen in diesem Fall hatten Erfolg (Urteile vom 6.12.2016, Az. X ZR 117/15 und X ZR 118/15).

Praxistipp zur Haftung bei Urlauber-Ausflügen


Oft versuchen Reiseveranstalter, über Hinweise im Kleingedruckten eine Haftung für Veranstaltungen vor Ort zu vermeiden. Daher müssen viele Kunden ihr Recht gerichtlich einklagen. Ein auf das Zivilrecht und speziell auf das Reiserecht spezialisierter Rechtsanwalt kann Ihnen dabei behilflich sein und Sie zu Ihrem konkreten Fall beraten.

(Bu)


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