Zwangsversteigerung der Wohnung: Welche Rechte habe ich als Mieter?

14.04.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (8127 mal gelesen)
Zwangsversteigerung,Mietwohnung,Kündigung,Sonderkündigungsrecht Was müssen Mieter wissen, deren Wohnung zwangsversteigert wird? © Bu - Anwalt-Suchservice

Geht dem Vermieter das Geld aus und wird die Mietwohnung zwangsversteigert, machen sich die Mieter Sorgen um ihre Wohnsituation. Diese sind oft begründet. Mieterschutz gibt es aber auch hier.

Ein bekannter mietrechtlicher Grundsatz lautet „Kauf bricht nicht Miete“. Wenn eine Mietwohnung verkauft wird, tritt der neue Eigentümer an der Stelle des bisherigen Vermieters in den Mietvertrag ein. Die beiderseitigen Rechte und Pflichten der Vertragspartner bestehen weiter. Allerdings gibt es bei der Zwangsversteigerung eine Ausnahme: Wer die Wohnung ersteigert, hat ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht.

Was muss man zum Sonderkündigungsrecht wissen?


Das Sonderkündigungsrecht beruht auf § 57a des Zwangsvollstreckungsgesetzes (ZVG). Diese Vorschrift erlaubt dem neuen Eigentümer, den Mietvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen. Allerdings darf er sich damit nicht zu lange Zeit lassen: Die Kündigung muss zum ersten Termin erfolgen, für den sie zulässig ist.

Die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist in einem solchen Fall ist in § 573d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Man spricht hier auch von einer außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist. Der Vermieter darf den Mietvertrag spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen (dreimonatige Frist). Die Dauer des Mietverhältnisses spielt dabei keine Rolle. Zum Nachteil des Mieters abweichend vereinbarte Fristen sind unwirksam.

Das Sonderkündigungsrecht bei Zwangsversteigerung wird nicht durch einen vertraglichen Kündigungsausschluss oder längere Kündigungsfristen blockiert, die Mieter und Vermieter womöglich vereinbart haben.

Was ist der „erste zulässige Zeitpunkt“?


Als erster zulässiger Termin gilt der erstmögliche Termin nach dem Zuschlag. Das bedeutet: Die Kündigung muss spätestens bis zum dritten Werktag des auf den Zuschlag folgenden Monats stattgefunden haben.

Allerdings möchte der Gesetzgeber übereilte Kündigungen vermeiden. Er verlangt deswegen vom Erwerber nicht, dass er die Kündigung bis zum 3. Werktag eines Monats vornimmt, wenn dieser den Zuschlag bei der Zwangsversteigerung erst am 1. oder 2. Werktag desselben Monats oder an einem der letzten Tage des Vormonats erhalten hat. Der Erwerber muss Gelegenheit haben, die Sach- und Rechtslage zu prüfen, sich über die Immobilie (und den Mieter!) zu informieren und die Argumente für und gegen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses abzuwägen. Dies betonte das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 5.9.2002, Az. 10 U 66/02).

Trotzdem sollte mit der Kündigung auch nicht zu lange gewartet werden: Diese muss ohne „vorwerfbares Zögern“ stattfinden. Das OLG Oldenburg erklärte zum Beispiel eine Kündigung für verspätet, die am 9.10. ausgesprochen worden war. Der neue Eigentümer hatte das Grundstück am 28.9. ersteigert. Hier ging es jedoch nicht um eine Wohnung, sondern um das Betriebsgelände eines Autohauses. Das Gericht erklärte, dass eine Überlegungsfrist von einer Woche bei Zwangsversteigerungen in der Regel ausreichend sei (Urteil vom 17.12.2001, Az. 11 U 63/01).

Welcher Kündigungsgrund muss vorliegen?


Keiner, könnte man meinen - schließlich handelt es sich um ein Sonderkündigungsrecht infolge der Zwangsversteigerung. Dem ist aber nicht so. Insbesondere bei Wohnräumen profitieren Mieter auch bei der Zwangsversteigerung davon, dass der Vermieter nur aus berechtigtem Interesse kündigen darf. Dieser muss also einen gesetzlich zulässigen Kündigungsgrund haben. Vertragsverletzungen oder Mietrückstände kommen bei einem frisch erworbenen Grundstück nicht in Betracht. Darum läuft es meist auf Eigenbedarf hinaus.

Wann liegt Eigenbedarf vor?


Eigenbedarf besteht, wenn der Vermieter die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Im Kündigungsschreiben muss dieser Grund auch angegeben und erläutert werden. Dabei muss der Vermieter auch mitteilen, warum er gerade diese Wohnung benötigt. Ohne ausreichende Begründung ist die Kündigung nicht wirksam – dies ist ein häufiger Fehler von Vermieterseite.

Auch kann wegen Eigenbedarf nur gekündigt werden, wenn ein entsprechender Wohnbedarf vorliegt. Beispielsweise kann ein alleinstehender Vermieter nicht den Mietern eines 200-Quadratmeter-Einfamilienhauses kündigen, weil er dort alleine wohnen möchte. Wenn er jedoch verheiratet ist, in einer Kleinwohnung wohnt und gerade sein zweites Kind unterwegs ist, sieht die Sache anders aus. Ebenso kann ein Vermieter mit Familie keinen Eigenbedarf an einer Ein-Zimmer-Studentenbude für sich selbst anmelden. Wenn aber seine Tochter in der betreffenden Stadt studieren möchte, geht das. Stellt sich nachher heraus, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war, kann der gekündigte Mieter Schadensersatz fordern.

Eigenbedarf auch nach Fristablauf?


Wichtig zu wissen: Der Wohnungserwerber hat grundsätzlich immer ein Recht auf die Eigenbedarfskündigung, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Er kann also auch aus diesem Grund kündigen, wenn er nicht den ersten zulässigen Zeitpunkt einhält. Nur profitiert er dann nicht von der standardmäßigen Dreimonatsfrist wie beim Sonderkündigungsrecht. Und bei einer regulären Kündigung verlängert sich für den Vermieter die Kündigungsfrist abhängig von der Dauer des Mietverhältnisses: Wenn der Mieter mehr als fünf bzw. acht Jahre in der Wohnung wohnt, verlängert sich die Kündigungsfrist jeweils um drei Monate. Wenn mietvertraglich eine längere Kündigungsfrist oder ein zeitweiser Kündigungsausschluss vereinbart wurde, hat sich der neue Vermieter bei einer regulären Kündigung daran zu halten.

Welches Widerspruchsrecht gibt es bei Härtefällen?


Einen Ausweg für den Mieter kann auch bei einer Kündigung nach einer Zwangsversteigerung die sogenannte Sozialklausel des § 574 BGB bieten. Danach hat der Mieter das Recht, der Kündigung des Erwerbers zu widersprechen und von ihm eine Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen. Voraussetzung: Eine Beendigung des Mietverhältnisses wäre für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht gerechtfertigt sein würde.

Dabei wird hohes Alter allein meist nicht als Härtefall angesehen. Kommen noch andere Probleme dazu, vielleicht Krankheit oder eine besondere Verwurzelung in der Umgebung, sieht die Sache schon anders aus. Das Kammergericht Berlin zum Beispiel ging von einem Härtefall aus bei einem Ehepaar, das seit 30 Jahren in der Wohnung wohnte. Der Ehemann war über 80 Jahre alt und hatte eine erhebliche Sehschwäche (Urteil vom 6.5.2004, Az. 8 U 288/03). Härtefälle können nach anderen Gerichtsurteilen auch durch eine unmittelbar bevorstehende Entbindung begründet sein (LG Stuttgart, Az. 16 S 378/90) oder die Pflege durch in der Nähe wohnende Angehörige (AG Lübeck, Az. 27 C 1621/02).

Praxistipp


Kommt es nach einer Zwangsversteigerung zu einer Kündigung, ist schnelle Rechtsberatung zu empfehlen. Ein versierter Fachanwalt für Mietrecht kann prüfen, ob die Kündigung rechtsgültig ist.

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