Masernimpfung: Besteht eine Impfpflicht und gibt es einen Impfzwang?
11.11.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Masern: Impfungen sind Pflicht. © Bu - Anwalt-Suchservice Das Wichtigste in Kürze
1. Impfpflicht: Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr müssen beim Eintritt in eine staatliche Betreuungs- bzw. Schuleinrichtung nachweisen, dass sie gegen Masern geimpft sind. Gleiches gilt auch für Personal in Kitas, Schulen, medizinischen Einrichtungen etc.
2. Kein Impfzwang: Aus der Impfpflicht folgt kein Zwang zur Masernimpfung. Bei nicht vorhandener Impfung drohen allerdings faktische und rechtliche Konsequenzen.
3. Bußgeld: Der fehlende Nachweis der Masernimpfung kann in bestimmten Fällen ein Bußgeld nach sich ziehen.
4. Zwangsgeld: Ein Zwangsgeld zur Erzwingung der Vorlage eines Masernimpfnachweises ist unzulässig, denn dies würde faktisch zu einem Impfzwang führen.
1. Impfpflicht: Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr müssen beim Eintritt in eine staatliche Betreuungs- bzw. Schuleinrichtung nachweisen, dass sie gegen Masern geimpft sind. Gleiches gilt auch für Personal in Kitas, Schulen, medizinischen Einrichtungen etc.
2. Kein Impfzwang: Aus der Impfpflicht folgt kein Zwang zur Masernimpfung. Bei nicht vorhandener Impfung drohen allerdings faktische und rechtliche Konsequenzen.
3. Bußgeld: Der fehlende Nachweis der Masernimpfung kann in bestimmten Fällen ein Bußgeld nach sich ziehen.
4. Zwangsgeld: Ein Zwangsgeld zur Erzwingung der Vorlage eines Masernimpfnachweises ist unzulässig, denn dies würde faktisch zu einem Impfzwang führen.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Welche Impfpflicht gibt es gegen Masern? Wie hat das Bundesverfassungsgericht zur Masernimpfpflicht entschieden? Gibt es Ausnahmen von der Masern-Impfpflicht? Folgt aus der Pflicht zur Masernimpfung auch ein Impfzwang? Wie hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden? Warum sind Masern gefährlich? Warum lehnen Eltern die Masernimpfung teilweise ab? Wie weist man die Masernimpfung nach? Darf das Gesundheitsamt ein Zwangsgeld zum Nachweis der Masernimpfung androhen? Kein Nachweis der Masernimpfung: Wann droht ein Bußgeld? Praxistipp zur Masernimpfung Welche Impfpflicht gibt es gegen Masern?
Alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr müssen beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten seit dem 1. März 2020 die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masernimpfungen nachweisen können. Ebenso müssen Kinder, die von einer Tagespflegeperson betreut werden, einen Impfnachweis haben. Ohne Impfnachweis darf ein Kind nicht in eine Betreuungseinrichtung aufgenommen werden.
Das bedeutet auch: Die Kita darf sich ohne Impfnachweis weigern, das Kind zu betreuen. Bei schulpflichtigen Kindern sind Bußgelder bis 2.500 Euro möglich. Dementsprechend gibt es zwar keinen direkten Impfzwang, aber wer dringend einen Kita-Platz braucht, oder sich ein saftiges Bußgeld für sein ungeimpftes Schulkind nicht leisten kann, dem bleibt nichts anderes als die Impfung seines Kindes gegen die Masern übrig.
Die Pflicht zur Vorlage eines Masern-Impfnachweises gilt auch für Menschen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen wie Arztpraxen arbeiten und die nach 1970 geboren sind. Beispiele sind Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal. Seit 1.8.2022 gilt die Pflicht auch für Beschäftigte in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen.
Die Pflicht gilt unabhängig davon, ob direkter Kontakt zu Kindern oder Patienten besteht und wie das Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Sie gilt also auch für Küchen- und Reinigungspersonal, ehrenamtlich Tätige, Praktikanten und Hausmeister.
Außerdem gibt es eine Impfpflicht für Asylbewerber und Flüchtlinge. Vier Wochen nach ihrer Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft müssen diese den Impfschutz nachweisen.
Ausnahmen von der Pflicht zur Masernimpfung gibt es für Personen, bei denen die Impfung medizinische Probleme auslösen kann, oder die schon Masern gehabt haben und daher immun sind. Beides ist durch ärztliche Bescheinigungen nachzuweisen.
Wie hat das Bundesverfassungsgericht zur Masernimpfpflicht entschieden?
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Masernimpfpflicht für Kitakinder verfassungskonform. Das Gericht wies die Verfassungsbeschwerden mehrerer Eltern ab. Es gestand den Eltern zwar durchaus zu, dass die Impfpflicht ein Eingriff in das Grundrecht auf elterliche Sorge aus Art. 6 Grundgesetz (GG) und in das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG sei. Nur sei der Eingriff in diesem Fall gerechtfertigt. Der Schutz anderer Menschen vor einer Maserninfektion habe Vorrang. Die Impfung vieler könne die wenigen schützen, die sich nicht impfen lassen könnten. Sie könne zusätzlich zur Ausrottung der Masern insgesamt beitragen.
Laut Bundesverfassungsgericht hat der Staat eine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Daher muss er für seine Bürger eine Risikovorsorge gegen Gesundheitsgefährdungen sicherstellen. Masern seien äußerst ansteckend und das Risiko eines schweren Verlaufs sei hoch. Daher sei bei Personen, die sich anstecken könnten, das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit in Gefahr. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass ohne Impfpflicht die Zahl der Ausbrüche und Infektionen steigen würde. Diese Annahme sei ausreichend untermauert.
Ein wichtiges Argument der Eltern gegen die Impfung war gewesen, dass es sich um eine Mehrfachimpfung auch gegen Mumps, Röteln und Windpocken handle. Dies müssen die Eltern dem Bundesverfassungsgericht zufolge allerdings in Kauf nehmen. Dass das Infektionsrisiko und das Risiko schwerer Verläufe bei den anderen Krankheiten niedriger sei, ändere nichts.
Der konkrete Beschluss betraf keine Schulkinder oder Mitarbeiter von Einrichtungen. Die Erwägungen des Gerichts dürften jedoch im Zweifel auf diese übertragbar sein (BVerfG, Beschluss vom 21.7.2022, Az. 1 BvR 469/20).
Gibt es Ausnahmen von der Masern-Impfpflicht?
Ausnahmen von der Masern-Impfpflicht bestehen für Personen, die
- aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können,
- eine ärztliche Bescheinigung über eine Immunität gegen Masern vorlegen können,
- vor dem 1. Januar 1971 geboren sind (bei ihnen wird vermutet, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits Masern gehabt haben und immun sind).
Folgt aus der Pflicht zur Masernimpfung auch ein Impfzwang?
Nein, zumindest nicht direkt. In seinen Entscheidungsgründen (Nr. 145) hat das Bundesverfassungsgericht klar formuliert:
"Dabei wird das Gewicht des Eingriffs in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch dadurch abgemildert, dass die angegriffenen Maßnahmen die Freiwilligkeit der Impfentscheidung der Eltern als solche nicht aufheben und diesen damit die Ausübung der Gesundheitssorge für ihre Kinder im Grundsatz belassen. Sie ordnen keine mit Zwang durchsetzbare Impfpflicht an (vgl. auch § 28 Abs. 1 Satz 3 IfSG). Vielmehr verbleibt den für die Ausübung der Gesundheitssorge zuständigen Eltern im Ergebnis ein relevanter Freiheitsraum (vgl. zum verbleibenden Freiheitsraum auch BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, Rn. 209, 221, 232) ..."
Und weiter heißt es: "...Sorgeberechtigte Eltern können auf eine Schutzimpfung des Kindes verzichten. Dann müssen sie allerdings den Nachteil in Kauf nehmen, dass sie eine andere Form der Kinderbetreuung (bspw. in der nicht erlaubnispflichtigen Tagespflege) finden müssen."
Mag es bei Vorschulkindern noch Ausweichmöglichkeiten geben, so wird die hohe Bußgeldandrohung bis zu 2.500 Euro für ungeimpfte Schulkinder in den meisten Elternhäusern zum defacto-Impfzwang.
Wie hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden?
Im April 2021 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur Masernimpfpflicht entschieden. Es ging dabei um einen Fall aus Tschechien. Dort besteht, anders als bei uns, eine generelle Impfpflicht gegen insgesamt neun Krankheiten, darunter Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung, Röteln, Masern und Mumps. Kitas können ungeimpfte Kinder abweisen, ihren Eltern kann die Zahlung eines Bußgelds auferlegt werden. Mehrere Personen hatten dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt.
Dessen Entscheidung lautete: Grundsätzlich dürfen EU-Länder eine Impfpflicht einführen. Die einzelnen Staaten hätten hier einen großen Ermessensspielraum. Die Impfung stelle zwar einen Eingriff in den Körper dar. Trotzdem sei eine solche Regelung gerechtfertigt, weil der Staat eben auch für die Gesundheit seiner Bürger sorgen müsse.
Rechtlich zweifelhaft sei höchstens eine Impfung mit körperlichem Zwang. Diese gebe es jedoch in Tschechien nicht. Die fehlende Impfung verhindere dort nur den Kita-Besuch und könne zu einem Bußgeld führen. Die Regelung sei insgesamt angemessen. Sie diene dazu, Kinder vor ernsthaften gesundheitlichen Risiken zu schützen. Es liege kein Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vor (Urteil vom 8.4.2021, Az. 47621/13 u. a.).
Warum sind Masern gefährlich?
Zwar betrifft die Krankheit vor allem Kinder und jüngere Menschen, aber auch ältere können sich anstecken. Besonders gefährlich wird die Erkrankung, wenn Komplikationen auftreten. Dies können etwa eine Mittelohrentzündung oder eine Lungenentzündung sein. Es kann auch zu schwerem Durchfall kommen, der für Dehydrierung sorgt und den Organismus zusätzlich schwächt.
In einem von tausend Fällen entsteht durch Masern eine Hirnhautentzündung, die sogenannte Masern-Enzephalitis. Diese kann noch Jahre nach der Masern-Erkrankung auftreten. Folge können schwere Gehirnschäden und Behinderungen sein. Jeder fünfte Fall ist tödlich.
Warum lehnen Eltern die Masernimpfung teilweise ab?
Eltern, die die Masernimpfung ablehnen, befürchten Nebenwirkungen der Impfung. Manche vertreten auch die Ansicht, dass ein Kind stärkere Abwehrkräfte entwickelt, wenn es die Krankheit durchmacht. Allerdings besteht unter Medizinern die Ansicht, dass die Abwehrkräfte nicht stärker werden, wenn jemand eine Masern-Erkrankung durchmacht.
Wie weist man die Masernimpfung nach?
Die Masernimpfung kann durch den Impfausweis oder das gelbe Kinderuntersuchungsheft nachgewiesen werden. Wer die Krankheit bereits durchgemacht hat, kann auch ein ärztliches Attest vorlegen. Dieser Nachweis muss gegenüber dem Leiter der jeweiligen Einrichtung wie Schule oder Kita erbracht werden. Die Nachweispflicht gilt auch für Mitarbeiter der Einrichtungen.
Bei einem Wechsel kann die alte Einrichtung der neuen bestätigen, dass ihr ein Impfnachweis vorgelegt wurde. Dies ist dann ausreichend.
Darf das Gesundheitsamt ein Zwangsgeld zum Nachweis der Masernimpfung androhen?
Zwangsgeld und Bußgeld muss man unterscheiden. Ein Bußgeld kann als Sanktion für eine Ordnungswidrigkeit verhängt werden, etwa dafür, dass Eltern ihr Kind trotz mangelnder Masernimpfung in den Kindergarten schicken. Ein Zwangsgeld soll jemanden dazu zwingen, eine bestimmte Pflicht zu erfüllen, wie etwa die Vorlage eines Nachweises der Masernimpfung.
Manche Gesundheitsämter verschicken an Eltern, die ihr Kind nicht gegen Masern impfen lassen, Bescheide, in denen sie mit Fristsetzung den Nachweis der Masernimpfung verlangen. Falls dies nicht geschieht, wird ein Zwangsgeld angedroht; im ersten Bescheid oft 500 Euro. Dies kann mehrmals nacheinander passieren. Dabei wird mit jedem weiteren Bescheid das Zwangsgeld erhöht.
Allerdings ist dieses Vorgehen der Gesundheitsämter rechtlich umstritten. Mehrere Verwaltungsgerichte hatten zunächst keine Bedenken gegen diese Praxis, zuletzt das VG Berlin. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat jedoch im Falle eines Schulkindes beschlossen, dass die Androhung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung des Nachweises der Masernimpfung unzulässig sei. Insbesondere fehlte dem Gericht in diesem Fall eine korrekte Ermessensausübung durch die Behörde (21.09.2023, Az. 20 CS 23.1432).
Eltern, die sich gegen einen solchen Bescheid vom Gesundheitsamt wehren möchten, sollten sich unverzüglich an einen spezialisierten Anwalt wenden. Es sind Einspruchsfristen einzuhalten, um gegen den Bescheid vorgehen zu können.
Kein Nachweis der Masernimpfung: Wann droht ein Bußgeld?
Ungeimpfte Kinder können vom Besuch des Kindergartens bzw. der Kita ausgeschlossen werden. Eltern, die ihre Kinder ohne Impfung in die Kita oder Schule geben, begehen eine Ordnungswidrigkeit und müssen mit einem Bußgeld bis zu 2.500 Euro rechnen.
Schulpflichtige Kinder hingegen können vom Schulbesuch nicht ausgeschlossen werden. Die Schule ist jedoch zur Meldung an das Gesundheitsamt verpflichtet. Dieses kann Bußgelder (keine Zwangsgelder, siehe oben) verhängen.
Auch gegen nicht geimpftes Personal in Gemeinschaftseinrichtungen, Gesundheitseinrichtungen und Asylbewerberunterkünften und gegen nicht geimpfte Bewohner solcher Unterkünfte können Bußgelder verhängt werden. Personal, das nicht geimpft ist, darf in Kitas und anderen Gemeinschaftseinrichtungen nicht tätig werden.
Wer wegen fehlendem Nachweis der Masernimpfung einen Bußgeldbescheid bekommt, muss zur Wahrung seiner Rechte unbedingt fristgerecht Einspruch einlegen, am besten mit Hilfe eines spezialisierten Anwalts.
Praxistipp zur Masernimpfung
Wenn Sie einen Bescheid über ein Zwangsgeld bzw. Bußgeld erhalten haben oder die Kita die Aufnahme Ihres Kindes verweigert hat, empfiehlt sich eine Beratung bei einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht.
(Bu)