Auto auf dem Radweg: Wer haftet beim Sturz des Radfahrers?

08.09.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Einmündung,Fahrrad,Sturz,Radler Unfallgefahren auf dem Radweg: Wer haftet? © Rh - Anwalt-Suchservice

Autos queren ständig Fahrradwege, wenn sie zum Beispiel abbiegen oder bei der Ein- oder Ausfahrt zum oder von einem Grundstück. Dabei kommt es manchmal zu Unfällen mit Radfahrern. Wer haftet?

Fahrradwege sind Radfahrern vorbehalten – so weit, so selbstverständlich. Indem sie den Fahrradfahrern einen eigenen Verkehrsraum zur Verfügung stellen, erhöhen sie deren Sicherheit. Damit ist jedoch das Risiko eines Unfalls unter Beteiligung eines Pkw keineswegs ausgeschlossen. Dazu kann es gerade in Situationen kommen, wenn ein Autofahrer den Radweg kreuzen muss, um auf die Straße zu gelangen. Und natürlich gibt es auch an Kreuzungen häufig gefährliche Situationen. Das Landgericht Oldenburg befasste sich vor einiger Zeit mit einem Fall, in dem ein Radler wegen eines PKW gestürzt war.

Wie kam es zum Sturz des Radfahrers?


Ein Autofahrer wollte aus einer Grundstücksausfahrt auf eine viel befahrene Straße fahren. Dazu musste er einen Radweg überqueren. Weil auf der Straße starker Verkehr herrschte, musste der Autofahrer allerdings auf Höhe des Radweges anhalten und auf eine Lücke im fließenden Verkehr warten. Während das Auto wartend schräg auf dem Radweg stand, näherte sich ein Radfahrer. Dieser versuchte, um das Heck des wartenden Wagens herumzufahren. Er geriet dabei jedoch auf eine Rasenkante und stürzte. Der Radler zog sich Verletzungen zu.

Wie hat das Gericht entschieden?


Der Radfahrer verklagte den Autofahrer auf die Erstattung der Hälfte seines erlittenen materiellen Schadens sowie die Zahlung von Schmerzensgeld. Zwar wies das Amtsgericht die Klage in erster Instanz noch ab. Das Landgericht Oldenburg sah dies anders: Es gestand dem Radfahrer den Ersatz von 25 Prozent seines Schadens sowie ein Schmerzensgeld von über 1.000 Euro zu. Das Gericht begründete diese Ansprüche nicht mit einem Fehler des Autofahrers, sondern mit der allgemeinen Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs.

Wie kommt es zu einer Haftung ohne Verschulden?


Hier musste der Autofahrer dem Radler also Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen, obwohl er nichts falsch gemacht hatte. Dem Urteil zufolge war er insbesondere nicht verpflichtet gewesen, den Fahrradweg wieder zu räumen, als sich der Radler näherte. Es gilt nämlich die Regel: Ein Verkehrsteilnehmer, der die Verhaltensregeln im Verkehr beachtet und der eine Position einmal erreicht hat, muss diese nicht zugunsten eines anderen Verkehrsteilnehmers wieder freigeben.

Die sogenannte Betriebsgefahr ändert jedoch die Sache. Unter der Betriebsgefahr versteht man die Gefahr für andere, die allein dadurch entsteht, dass man ein Auto im Straßenverkehr betreibt. Autofahrer können daher durchaus ohne Verschulden nur aufgrund dieser Betriebsgefahr zu einer Haftung herangezogen werden. In diesem Fall hatte der Autofahrer – trotz Beachtung aller Verkehrsregeln – durch das Blockieren des Radweges eine Gefahr verursacht, die sich schließlich durch den Unfall realisiert hatte. Das Gericht erklärte, dass der Radler den Unfall durch mangelnde Vorsicht mitverschuldet habe. Trotzdem musste der Autofahrer einen Teil des Schadens tragen.

Was gilt, wenn Radfahrer nicht den Radweg benutzen?


Wenn ein Radfahrer wegen des Radwegs mit Ästen und Laub vom benutzungspflichtigen Radweg auf die Straße ausweicht, dabei stürzt und mit einem ordnungsgemäß geparkten PKW kollidiert, muss der Radler den Schaden bezahlen. Dies entschied das Landgericht Hamburg. Schließlich sei es gerade der Sinn einer Radwege-Benutzungspflicht, solche Unfälle zu vermeiden. Möglicherweise spielte hier allerdings bei dem Urteil auch der Umstand eine Rolle, dass auf den Polizeifotos der Unfallstelle ein sauberer und einwandfreier Radweg zu sehen war (Urteil vom 10.8.2013, Az. 323 O 79/18).

Was gilt, wenn der Gehweg benutzt wird?


Radfahrer haben auf einem reinen Gehweg nichts zu suchen. Befährt ein Fahrradfahrer den Gehweg zusätzlich auch noch in falscher Fahrtrichtung und nähert sich von rechts kommend einer unübersichtlichen Einmündung einer Nebenstraße, trägt er bei einer Kollision mit einem aus der Nebenstraße kommenden PKW den Schaden allein. Hier wiegen die Regelverstöße des Radlers so schwer, dass selbst ein geringfügiges Verschulden des Autofahrers daran nichts ändert (OLG Celle, Urteil vom 14.6.2001, Az. 14 U 89/00).

Praxistipp zum Sturz von Radlern


Bei Unfällen zwischen Autos und Radfahrern hängt die Haftung immer stark vom Einzelfall ab. Regelverstöße von Radfahrern können zu einer Mit- oder Alleinhaftung führen. Bei Autofahrern kann sich eine Haftung nicht nur durch Regelverstöße ergeben, sondern auch durch die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs. Für Unfallgeschädigte empfiehlt es sich, sich von einem erfahrenen Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten zu lassen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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