Gefälligkeit mit fremdem Auto: Wer haftet?

26.10.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Gefälligkeit,geliehenes Auto,Unfall,Gefallen,Haftung Auch bei einer schnellen Besorgung mit einem fremden Auto kann es zu einem Unfall kommen. © Ma - Anwalt-Suchservice

Manch einer stellt gerne mal sein Auto jemand anderem zur Verfügung, der schnell etwas erledigen möchte. Aber: Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn der andere einen Unfall baut?

Vielleicht wird bei einer feucht-fröhlichen Runde der nüchterne Kumpel losgeschickt, um mal eben für alle eine Kiste Bier und Grillkohle zu holen. Oder man holt mal eben mit dem Kombi des Nachbarn die neuen Möbel ab oder leiht sich das Auto der Nachbarin, um schnell sein Kind von der Schule abzuholen, weil das eigene Fahrzeug nicht anspringt. Viele Gründe sind denkbar, warum man mit einem fremden Auto unterwegs sein kann. Auf einer solchen Fahrt kann jedoch schnell ein Unfall passieren. Und dann gibt es ebenso schnell Streit um die Haftung. Den immer wieder von Automobilclubs erteilten Rat, zuvor alles ausführlich schriftlich zu vereinbaren, wird in der Wirklichkeit wohl niemand befolgen. Dann bleibt die Frage: Wer haftet, wenn es scheppert?

Welche Versicherung zahlt?


Wenn bei einem Unfall ein fremder PKW beschädigt wird, zahlt die KfZ-Haftpflichtversicherung des ausgeliehenen Autos den Fremdschaden. Allerdings darf sie nicht auf einen bestimmten Fahrer beschränkt sein. Auf dem Schaden am ausgeliehenen Auto selbst bleibt der Fahrzeughalter jedoch sitzen - den zahlt höchstens eine Vollkaskoversicherung. Hinzu kommt oft eine Hochstufung seiner Versicherungsbeiträge. Wer trägt nun diese Schäden?

Fremder Fahrer im eigenen Interesse


Wenn man sich privat ein Auto leiht, um seine eigenen Interessen zu verfolgen – beispielsweise seine neuen Möbel vom Einrichtungshaus abzuholen – so ist die Haftungsfrage nicht problematisch. Denn: Hier haftet man selbst, wenn man einen Unfall verursacht oder etwa beim Einparken das geliehene Auto beschädigt.

Wie funktioniert die Haftung bei Gefälligkeiten?


Bei Gefälligkeiten ist die Situation komplizierter: Hier ist der Fahrer im Interesse des Fahrzeughalters unterwegs. Dann sprechen die Gerichte von der sogenannten Gefälligkeitshaftung. Zwar gelten diesbezüglich keine anderen gesetzlichen Vorschriften als bei Fahrten im eigenen Interesse: Es haftet der Verursacher des Schadens.

Aber: Bei Gefälligkeiten gibt es Situationen, in denen die Gerichte gerne einen "stillschweigenden Haftungsausschluss" herbeikonstruieren. Diese Idee entstand aufgrund der Befürchtung, dass kein Mensch mehr einem anderen einfach mal im Alltag bei etwas helfen würde, wenn er sich dabei sofort einer Haftung aussetzte. Wenn ein solcher Haftungsausschluss greift, ist jedenfalls die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Bei grober Fahrlässigkeit (Rotlichtverstoß, Fahren unter Alkoholeinfluss) haftet der Betreffende immer noch.

Stillschweigender Haftungsausschluss?


Nicht bei jeder Gefälligkeit wird aber von einem stillschweigenden Haftungsausschluss ausgegangen. Es ist auch nicht entscheidend, wie nah sich die Beteiligten stehen. Die Gerichte verlangen vielmehr, dass eine Situation vorliegt, in der ein besonders hohes Haftungsrisiko besteht. Es muss so hoch sein, dass beide sich auf einen Haftungsausschluss geeinigt hätten, wenn sie denn daran gedacht haben würden.

Derjenige, der den Gefallen erweist, muss ein so hohes Risiko eingehen, dass er bei näherem Nachdenken auf einem Haftungsausschluss bestanden hätte – und der andere muss sich in einer Situation befunden haben, in der man dies schon aus Fairness ("billigerweise") nicht abgelehnt hätte. Eine solche Situation liegt jedoch nicht so ohne Weiteres vor, wenn man mal schnell Getränke holen fährt.

Wie sieht eine solche besondere Situation aus?


Beispielsweise kann eine solche Ausnahmesituation vorliegen, wenn ein unerfahrener Fahranfänger mit einem fremden Auto zu einer Besorgung losgeschickt wird, das er nicht kennt. Oder bei einem ungewöhnlichen Fahrzeugtyp, mit dem sich der Gefälligkeitsfahrer nicht auskennt (LKW, Oldtimer mit Lenkradschaltung). Oder, wenn die Fahrt bei extremem Glatteis und Schneesturm stattfinden soll.

Zusätzlich ist der vorhandene Versicherungsschutz wichtig. Bei Gefälligkeiten gilt grundsätzlich: Wenn der freundliche Helfer durch eine Versicherung geschützt ist – in der Regel durch eine Privathaftpflichtversicherung – ist ein stillschweigender Haftungsausschluss abzulehnen. Man nimmt nämlich an, dass er dann wohl eher nicht - hypothetisch - auf einem Haftungsverzicht bestanden haben würde. Auch der andere hätte ihm diesen wohl nicht zugestanden, nur, um eine Versicherung zu entlasten. So hat jedenfalls der Bundesgerichtshof im Fall eines geliehenen Pferdes argumentiert (Az. VI ZR 49/91).

Keine Privathaftpflicht bei Autounfällen


Wichtig zu wissen: Eine Privathaftpflichtversicherung übernimmt in aller Regel weder Unfallschäden an Autos, noch Schäden an geliehenen oder gemieteten Dingen aller Art. Ein Gefälligkeitsfahrer ist daher meist nicht versichert - damit kommt ein stillschweigender Haftungsausschluss in vielen Fällen in Betracht.

Urteil: Werkstattfahrt für einen Freund - Totalschaden


Vor Gericht endete auch ein Gefallen, den ein Mann einem Freund tat: Er brachte dessen Auto vor dem geplanten Verkauf zur Durchsicht in die Werkstatt. Auf dem Rückweg kam er bei regennasser Fahrbahn von der Straße ab. Der PKW war anschließend ein Totalschaden. Nicht ganz unschuldig an dem Unfall waren die völlig abgefahrenen Reifen. Eine Vollkaskoversicherung bestand nicht. Das OLG Frankfurt a. M. sah hier einen stillschweigenden Haftungsausschluss zu Gunsten des Fahrers als gegeben an (Az. 17 U 103/96).

Praxistipp


Auch bei Gefälligkeiten kann es zu Schäden und Streitigkeiten kommen. Ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann Ihnen die Rechtslage erläutern und Sie zum richtigen Vorgehen beraten.

(Bu)


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 Stephan Buch
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