Auto-Anschieben durch freundliche Helfer: Unfälle und Haftung

20.12.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Anschieben,Winter,Schneeglätte,Starthilfe,Haftung Auto schieben im Winter: Freundliche Hilfe mit Rutschgefahr. © - freepik

Manchmal lässt sich ein Auto nur durch Anschieben aus dem Schnee befreien. Aber: Wenn dabei etwas schiefgeht, was sind die rechtlichen Folgen?

Jeder kennt diese Situation: Es ist Winter, und ein Nachbar hat sich mit seinem Auto dermaßen im Schnee festgefahren, dass nur noch Muskelkraft hilft. Ein paar hilfsbereite freundliche Passanten helfen beim Schieben. Aber: Wie ist die Rechtslage, wenn einer der freundlichen Helfer stürzt und sich verletzt? Oder wenn er zum Beispiel den Außenspiegel des Autos abbricht?

Winterliche Hilfsbereitschaft großgeschrieben


Muss man im Winter zur Arbeit und findet sein Auto in einem Schneehaufen feststeckend vor, der womöglich straßenseitig noch vom Schneepflug zu einem festen Wall aufgetürmt wurde, ist guter Rat oft teuer. Manchmal kann man sein Fahrzeug noch grob aus dem Schlamassel befreien. Aber: Auf einer vereisten Standfläche mit Schneemassen drumherum bewegt es sich trotzdem nicht vom Fleck. Etwas Anschiebehilfe von freundlichen Nachbarn und Passanten ist in einer solchen Situation immer willkommen. Letztendlich weiß jeder Autofahrer, dass es ihn am nächsten Tag genauso gut selbst erwischen kann.

Anschiebehelfer verursacht Schaden


Allerdings können beim Anschieben eines fremden Autos auch ein paar Haftungsfragen aufkommen. Zum Beispiel: Was passiert, wenn der freundliche Helfer versehentlich den Außenspiegel vom geschobenen Fahrzeug abbricht oder mit seinem Jacken-Reißverschluss einen großen Kratzer im Lack verursacht?

Wie funktioniert die Haftung bei verunglückten Gefälligkeiten?


Verursacht man bei dem Versuch, jemand anderem aus reiner Gefälligkeit zu helfen, leicht fahrlässig einen Schaden, gilt in vielen Fällen ein sogenannter stillschweigender Haftungsausschluss. Von dessen Existenz gehen die Gerichte einfach aus, auch, ohne dass er ausdrücklich vereinbart wurde. Schließlich sollen uneigennützige Helfer nicht für ihre Hilfsbereitschaft bestraft werden. Allerdings greift der stillschweigende Haftungsausschluss nur im Ausnahmefall, wenn der Helfer auf ihn wirklich angewiesen ist. Sobald der Helfer über eine Privathaftpflichtversicherung verfügt, kann er sich auf den Haftungsausschluss nicht mehr berufen. In diesem Fall übernimmt seine Versicherung den Schaden.

Haftet der Autofahrer für einen Sturz des Helfers?


Natürlich ist es auch denkbar, dass der Helfer selbst einen Schaden erleidet – beispielsweise weil er beim Anfahren des Autos auf glattem Boden den Halt verliert und stürzt. Haftet dann der Autofahrer, dem geholfen wurde?
Dabei kommt es stark auf den Einzelfall an, zum Beispiel darauf, ob der Autofahrer den Sturz durch unsachgemäßes Fahrverhalten verschuldet hat. In diesem Fall kann er durchaus haften. Er ist in einer solchen Situation nämlich verpflichtet, sich so zu verhalten, dass den Helfern am Heck nichts passiert.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich mit einem passenden Fall beschäftigt. Es ging dabei um einen Autofahrer, der mitten auf einer Kreuzung im Schnee stecken geblieben war. Während er versuchte, durch vorsichtiges Gasgeben und Ausprobieren der verschiedenen Gänge des Automatikgetriebes das Auto freizubekommen, wurde ein von rechts kommender Fahrer ungeduldig. Er stieg aus und schob das steckengebliebene Fahrzeug an - aber ohne, dass dessen Fahrer dies mitbekam. Dieser löste beim Durchschalten seiner Gänge kurz die Rückfahrleuchte aus, ohne jedoch rückwärts zu fahren. Dadurch erschrak der Helfer, stolperte und verletzte sich. Er verklagte den PKW-Fahrer auf Schadensersatz.

Welche Regelung gibt es im Straßenverkehrsgesetz?


Hier kam eine Haftung nach § 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Frage. Nach dieser Regelung haftet der Halter eines Fahrzeugs, wenn bei dessen Betrieb ein Mensch verletzt wird. Allerdings haftet der Fahrzeughalter nach § 8 StVG nicht, wenn der Verletzte selbst beim Betrieb des Fahrzeugs tätig war. Das Anschieben war aus Sicht des Gerichts eine Tätigkeit beim Betrieb des Fahrzeugs.

Welche weiteren Möglichkeiten einer Haftung gibt es?


Das Gericht lehnte auch eine sogenannte deliktische Haftung ab. Der Autofahrer habe sich gegenüber dem Geschädigten nichts zu Schulden kommen lassen. Schließlich habe er diesen überhaupt nicht bemerkt. Und da er nicht rückwärts fahren wollte, habe er auch nicht die Pflicht gehabt, sich darum zu kümmern, was hinter ihm passierte.

In Betracht kam noch eine sogenannte Geschäftsführung ohne Auftrag. So nennt man Erledigungen im Interesse einer anderen Person, aber ohne deren ausdrücklichen Auftrag. Auch daraus kann sich ein Schadensersatzanspruch ergeben, wenn der Betreffende beim Handeln im Interesse eines anderen verletzt wird. Aber: Dem Gericht zufolge ist Voraussetzung, dass die jeweilige Handlung wirklich im Interesse des anderen ist. Bei unsachgemäßen Maßnahmen ist dies nicht der Fall. Die Anschiebehilfe sei hier ohne Absprache mit dem Fahrer unsachgemäß und gefährlich gewesen - und das, obwohl es keinen Zeitdruck und keine Notsituation gab. Daher musste der Fahrer nicht für die Verletzungsfolgen zahlen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.3.2015, Az. I-1 U 87/14).

Anschieben als Starthilfe: Nicht zu empfehlen


In früheren Zeiten war es eine gängige Methode, ein Auto mit schwächelnder Batterie anzuschieben, damit es startete. Heutzutage sollte man dies unterlassen, denn die Wahrscheinlichkeit von Schäden ist hoch.

Autos mit Automatikgetriebe dürfen nicht angeschoben werden. Abgesehen davon, dass sie auf diesem Weg nicht starten werden, kann es zu einem sehr teuren Getriebeschaden kommen.

Ein modernes Diesel-Fahrzeug lässt sich nur schwer durch Anschieben starten. Ist nicht mehr genug Reststrom zum Vorglühen vorhanden, wird auch das Schieben wenig bringen - es sei denn, man hat eine längere Strecke von mehreren 100 Metern zur Verfügung. Damit steigt aber auch die Unfallwahrscheinlichkeit. Auch kann unverbrannter Kraftstoff in das Abgassystem gelangen, zum Beispiel in den Partikelfilter, dem dies schadet.

Letzteres kann auch bei Benzinern passieren. Unverbrannter Kraftstoff kann beim Einschalten der Zündung den Katalysator beschädigen.

Letztendlich ist bei modernen Fahrzeugen die Gefahr eines Schadens durch das Anschieben größer, als die Wahrscheinlichkeit, das Auto zu starten. Dies kann unter die unsachgemäße Hilfe fallen, für die der Helfer ggf. haftet. Hier empfiehlt sich eher die Starthilfe mittels Starthilfekabel - oder die Mitnahme eines handlichen, modernen Batterieladegeräts (Jumpstarter).

Praxistipp


Das Verkehrsrecht ist ein Rechtsbereich mit eigenen Vorschriften und einer Vielzahl von Gerichtsurteilen. Kommt es im Straßenverkehr zu einem Unfall oder einem Schaden, ist ein Fachanwalt für Verkehrsrecht der richtige Ansprechpartner.

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