Hausdurchsuchung: Wann ist sie erlaubt?

19.08.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (9589 mal gelesen)
Polizei,Hausdurchsuchung,Straftat,Wohnung Fehler bei einer Hausdurchsuchung machen Beweise wertlos. © Rh - Anwalt-Suchservice

Für Betroffene ist eine Hausdurchsuchung meist ein Schock. Auch kann sie erhebliche Folgen nach sich ziehen. Eine Durchsuchung darf jedoch nur stattfinden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.

Die wenigsten Menschen haben im Alltag viel mit Polizei und Staatsanwaltschaft zu tun. Wenn die Ermittler dann eines Tages frühmorgens vor der Tür stehen, ist dies in der Regel eine unangenehme und ungewohnte Situation. Allerdings dürfen die Ermittlungsbehörden eine Hausdurchsuchung nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen durchführen. Beispielsweise muss eine wirksame gerichtliche Durchsuchungsanordnung vorliegen. Immer wieder werden Hausdurchsuchungen von Gerichten nachträglich für unzulässig erklärt. Eine mögliche Folge ist, dass bei der Durchsuchung aufgefundene Beweismittel nicht vor Gericht verwendet werden dürfen.

Wie greift eine Durchsuchung in die Grundrechte ein?


Durch eine Hausdurchsuchung wird in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen. Dieses Grundrecht ergibt sich aus Art. 13 des Grundgesetzes. Aber: Ein Eingriff in Grundrechte ist nur auf Basis eines Gesetzes möglich. Deshalb regelt die Strafprozessordnung (StPO) die Einzelheiten der Hausdurchsuchung und nennt für diese auch Voraussetzungen. Zusätzliche Fälle, in denen eine Durchsuchung erlaubt ist, können die einzelnen Bundesländer in ihren Gesetzen aus dem Polizei- und Ordnungsrecht regeln. Dabei muss es jedoch um Durchsuchungen zur Gefahrenabwehr gehen, deren Anlass eine konkrete Gefahr ist.

Welche Voraussetzungen gibt die StPO vor?


Eine Haus- bzw. Wohnungsdurchsuchung im Rahmen der Strafverfolgung darf nur durchgeführt werden, wenn die Vorgaben der §§ 102 bis 110 der Strafprozessordnung erfüllt sind. Ein legitimer Zweck kann darin bestehen, einen gesuchten Straftäter zu finden, Beweise für eine laufende Ermittlung zu gewinnen oder bestimmte Gegenstände zu beschlagnahmen, wie zum Beispiel Waffen, Tatwerkzeuge, Drogen oder Falschgeld.

Die Durchsuchung darf in der Wohnung des Tatverdächtigen vorgenommen werden. Bei anderen Personen ist sie nur erlaubt, wenn eindeutige Hinweise dafür sprechen, dass sich die gesuchte Spur, Person oder ein konkreter gesuchter Gegenstand in gerade diesen Räumen befindet. Aber: Diese Regel gilt nicht für Räume, in denen ein Beschuldigter festgenommen worden ist oder in die er während einer Verfolgung geflüchtet ist.

Geht es um die Ergreifung eines Tatverdächtigen aus dem Bereich Terrorismus, einschließlich der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, dürfen Wohnungen und andere Räume auch durchsucht werden, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass sich der Beschuldigte im Gebäude aufhält.

Wann darf eine Durchsuchung stattfinden?


Die Behörden müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit achten. Daher dürfen Durchsuchungen in Privatwohnungen nicht zur Nachtzeit stattfinden.

Ausnahmen:

- Es ist Gefahr im Verzug,
- es findet eine Verfolgung auf frischer Tat statt,
- während der Durchsuchung soll auf ein elektronisches Speichermedium Zugriff genommen werden, dessen Auswertung ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit erschwert würde,
- es soll ein geflohener Gefangener wieder eingefangen werden.

Diese Einschränkungen gelten jedoch nicht für Räumlichkeiten, die jedem zugänglich sind oder die als "Schlupfwinkel" für Glücksspiel, Drogen- oder Waffenhandel oder Prostitution bekannt sind.

§ 104 StPO definiert die Nachtzeit als die Zeit zwischen 21 und sechs Uhr. Meist werden Hausdurchsuchungen am frühen Morgen, ab sechs Uhr, vorgenommen.

Wer ordnet eine Durchsuchung an?


Eine Hausdurchsuchung darf die Polizei nicht einfach so vornehmen. Zunächst ist dafür eine Durchsuchungsanordnung notwendig. Diese wird von einem Richter erlassen. Dieser hat zuerst zu prüfen, ob die Durchsuchung wirklich rechtmäßig und verhältnismäßig ist.

Nur dann, wenn Gefahr im Verzug ist, kann eine Hausdurchsuchung auch durch einen Staatsanwalt oder sogar durch die Polizei angeordnet werden. Allerdings ist dies ein absoluter Ausnahmefall. Auch müssen die jeweiligen Ermittlungsbeamten vorher zumindest ernsthaft versuchen, einen Richter zu erreichen.

Wann ist Gefahr im Verzug?


Diese Situation liegt vor, wenn eine richterliche Durchsuchungsanordnung nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Untersuchung in Gefahr gerät. Zum Beispiel: Eine Person ist noch auf freiem Fuß, die Zugang zu der Wohnung hat, von dem Tatvorwurf weiß, und die vielleicht Beweise verschwinden lässt.

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings am 20. Februar 2001 entschieden, dass die „Gefahr im Verzug“ eng auszulegen ist und eine echte Ausnahme bleiben muss. Ihr Vorliegen muss nachprüfbar mit Tatsachen begründet werden, die sich auf den Einzelfall beziehen. Unzureichend sind reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder fallunabhängige Vermutungen, die sich nur auf kriminalistische Alltagserfahrung stützen (Az. 2 BvR 1444/00).

Anordnung durch Staatsanwaltschaft, weil Richter zu langsam?


Beim Bundesverfassungsgericht wurde 2015 über drei Verfassungsbeschwerden verhandelt, bei denen es um Hausdurchsuchungen in Hamburg ging. Die Staatsanwaltschaft hatte diese ohne Richter wegen "Gefahr im Verzug" angeordnet.

In sämtlichen Fällen war der zuständige Richter schon mit der Sache befasst gewesen, hatte aber vor seiner Entscheidung erst einmal um die Vorlage der Ermittlungsakte gebeten, um überhaupt den Fall prüfen zu können. Dies war der Staatsanwaltschaft nicht schnell genug gegangen, sodass sie die Durchsuchungen einfach selbst anordnete.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte alle drei Hausdurchsuchungen im Nachhinein für unrechtmäßig. Wenn der zuständige Richter erst einmal erreicht worden sei, sei es allein Sache des Richters, die Entscheidung über die Durchsuchung zu treffen. Nur dann, wenn der Richter nicht erreicht werden könne, dürfe die Staatsanwaltschaft entscheiden. Dies heiße nicht, dass die Staatsanwaltschaft immer dann selbst eine Hausdurchsuchung anordnen dürfe, wenn Richter überlastet seien. Eine schlechte Gerichtsorganisation dürfe keinen nachteiligen Einfluss auf die Grundrechte haben.

Sei im konkreten Fall eine Person in Gefahr (einer der Fälle betraf eine Bedrohung und bei der Durchsuchung sollte nach einer Waffe gesucht werden) müsse die bedrohte Person eben Polizeischutz bekommen, wenn eine Durchsuchung beim Verdächtigen nicht schnell genug durchzuführen sei (Beschlüsse vom 16.6.2015, Az. 2 BvR 2718/10, 1849/11, 2808/11).

Fall: Durchsuchung, weil die Polizei mit Beschwerden belästigt wurde?


Kein ausreichender Grund für eine Hausdurchsuchung ist die Belästigung der Polizei mit wirren und beleidigenden E-Mails. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden. Insgesamt 57 derartige Mails hatte ein Mann aus Baden-Württemberg an verschiedene Polizeidienststellen geschrieben.

Daraufhin erging gegen ihn eine richterliche Durchsuchungsanordnung, gestützt auf das Polizeirecht des Landes, um Router und Computer zu beschlagnahmen. Das Ziel der Aktion war es, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wahren (und ein ungestörtes Arbeiten der Polizei sicherzustellen).

Das Oberlandesgericht sah die Maßnahme als unzulässig an. Wirre E-Mails könne die Polizei schlicht ignorieren – diese würden ihre Arbeit nicht in solchem Maße behindern, dass sie Durchsuchungen und Beschlagnahmen rechtfertigten (Beschluss vom 23.8.2016, Az. 11 W 79/16).

Was ist die Folge einer unrechtmäßigen Hausdurchsuchung?


Wenn eine Hausdurchsuchung stattfindet, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, ist die Folge meist ein sogenanntes Beweisverwertungsverbot. Das bedeutet: Die bei der Durchsuchung gefundenen Beweismittel dürfen vor Gericht nicht verwendet werden. Dieses Beweisverwertungsverbot tritt jedoch nicht automatisch in Kraft: Der Rechtsanwalt des Beschuldigten muss der Verwertung der Beweismittel widersprechen. Dies kann bis unmittelbar nach der Beweiserhebung in der Verhandlung passieren.

Praxistipp


Haus- oder Wohnungsdurchsuchungen finden immer überraschend und frühmorgens statt. Kommt es dazu, sollten Betroffene die Ruhe bewahren, keinen Widerstand leisten und sich den Durchsuchungsbeschluss zeigen lassen. Sie sollten nichts unterschreiben, keine Aussagen tätigen und schnellstens einen Strafverteidiger kontaktieren. Dabei empfiehlt sich ein Fachanwalt für Strafrecht.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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