Wann dürfen Beweismittel nicht verwertet werden?

16.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Beweisverwertungsverbot,Aussage,Beweise,Polizei,Gericht Nicht jeder Beweis darf auch vor Gericht verwendet werden. © - freepik

Nicht jedes Beweismittel darf vor Gericht auch verwendet werden. Verstoßen Ermittlungsbehörden gegen Beweisverwertungsverbote, erhöht dies die Chancen der Betroffenen vor Gericht.

In der deutschen Verfassung ist das Rechtsstaatsprinzip verankert. Zu diesem gehört auch der Grundsatz, dass Beweise vor Gericht nicht verwendet werden dürfen, wenn sie illegal oder unter Verletzung von persönlichen Rechten von Personen erlangt wurden. Schließlich hat jeder ein Recht auf ein faires Verfahren.

Was unterscheidet Beweiserhebungsverbot und Beweisverwertungsverbot?


Dabei unterscheidet man das Beweiserhebungsverbot vom Beweisverwertungsverbot. Ein Beweiserhebungsverbot untersagt bereits, bestimmte Beweise überhaupt aufzunehmen. Es ist bereits vor Beginn des Gerichtsverfahrens von den Behörden zu beachten. Das Beweisverwertungsverbot bezieht sich dagegen auf den Prozess vor Gericht: Hier dürfen bestimmte Beweise nicht berücksichtigt werden, auch wenn sie die Wahrheit zeigen.

Welche Beweise dürfen gar nicht erst erhoben werden?


Unter bestimmten Umständen ist schon die Erhebung von Beweisen verboten. So besteht ein Beweisthemaverbot für private Gespräche. Diese dürfen grundsätzlich nicht abgehört und mitgeschnitten werden. Es gibt aber Ausnahmen. Ein Abhören zum Beispiel von Telefongesprächen durch die Polizei ist nach richterlicher Anordnung bei einem konkreten Verdacht auf bestimmte schwere Straftaten erlaubt. Die Staatsanwaltschaft darf es bei "Gefahr im Verzug" anordnen. Auch dies muss jedoch innerhalb von drei Tagen gerichtlich bestätigt werden. Aufgezeichnete Gespräche, die den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betreffen (Gefühle, Intimbereich), müssen unverzüglich gelöscht werden.

Dem sogenannten Beweismittelverbot unterliegt zum Beispiel die Aussage einer Person, die sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen hat. Ein Beschuldigter in einem Strafverfahren oder Ordnungswidrigkeitenverfahren muss keine Aussage zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen machen.

Auch ein Beweismethodenverbot gibt es: So schreibt die Strafprozessordnung vor, dass Aussagen oder Geständnisse nicht unter Zwang oder Folter, Einfluss von Chemie oder Hypnose zustande kommen dürfen (§ 136a StPO). Und hier besteht dann gleichzeitig ein gesetzliches Beweisverwertungsverbot: Selbst wenn der oder die Beschuldigte einer Verwendung der unrechtmäßig gewonnenen Beweise zustimmt, dürfen diese vor Gericht nicht verwendet werden.

Wann besteht ein Beweisverwertungsverbot?


Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet, dass das Gericht Beweise nicht verwenden darf, obwohl sie existieren. Es muss also so tun, als ob sie nicht vorhanden wären. Auch hier gibt es verschiedene Varianten.

Ein ausdrückliches oder "normiertes" Beweisverwertungsverbot ergibt sich einfach aus dem Gesetz. Beispiel: § 136a Abs. 3 StPO verbietet die Verwertung von Aussagen, die zum Beispiel unter Folter gewonnen wurden.

Ein anderes Beispiel dafür ist § 81a Abs. 3 StPO. Danach dürfen Blutproben oder Verdächtigen entnommene Körperzellen nur für genau das Verfahren verwendet werden, für das sie entnommen wurden. Danach sind sie zu vernichten.

Welche Beweisverwertungsverbote sind nicht gesetzlich geregelt?


Allerdings sind die Vorschriften in der Strafprozessordnung nicht abschließend. Es gibt auch gesetzlich nicht geregelte Beweisverwertungsverbote. Diese unterteilt man in "selbstständige" und "unselbstständige" Verbote. Bei den selbstständigen sind die Beweise formell eigentlich auf zulässige Weise erhoben worden, aber mit einem erheblichen Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen. Oft geht es dabei um den Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss, oder um das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus dem Grundgesetz.

Beispiel: Der Einsatz von verdeckten Ermittlern ist grundsätzlich erlaubt. Erzählt aber ein Tatverdächtiger einem verdeckten Ermittler Dinge, bei denen er sich vorher schon gegenüber normalen Ermittlern auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen hatte, oder beruht die Aussage auf einem persönlichen Näheverhältnis zwischen Verdächtigem und verdecktem Ermittler (z. B. Mithäftling, einzige Vertrauensperson), ist die Verwendung der Beweise in der Regel trotzdem unzulässig.

Mit den Verstößen gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht sind zum Beispiel Verletzungen der Intimsphäre gemeint, zum Beispiel heimliches Abhören im Sinne eines "großen Lauschangriffs" außerhalb der gesetzlich erlaubten Fälle, die Verwendung von persönlichen Tagebuchaufzeichnungen oder nicht öffentlich geführten Selbstgesprächen.

Dann gibt es noch die gesetzlich nicht geregelten, unselbstständigen Beweisverwertungsverbote. Sie beruhen auf einer unzulässigen Beweiserhebung (siehe oben). Dazu muss man wissen: Dass ein Beweismittel auf verbotene Art gewonnen wird, heißt nicht automatisch, dass es nicht verwertbar ist. Ist der Fall nicht gesetzlich geregelt, muss das Gericht eine Abwägung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses gegen die Rechte des Beschuldigten durchführen. Überwiegen letztere, dürfen die Beweise nicht verwertet werden.

Beispiel: Nahe Angehörige und Ehepartner des Beschuldigten haben im Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht. Werden sie darüber nicht korrekt belehrt und sagen aus, weil sie von einer entsprechenden Pflicht ausgehen, geht der Bundesgerichtshof von einem Beweisverwertungsverbot aus.

Gibt es auch im Bußgeldverfahren Beweisverwertungsverbote?


Auch bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr gibt es Beweisverwertungsverbote. Hier gelten prinzipiell die gleichen Regeln wie im Strafverfahren.

Beispiel: Die Polizei vernimmt einen Verkehrsteilnehmer nach einem Verkehrsverstoß als Beschuldigten. Sie klärt ihn aber nicht darüber auf, dass es seine Entscheidung ist, ob er sich dazu äußern will. Hier liegt ein Verstoß gegen § 136 StPO vor. Die Folge ist ein Beweisverwertungsverbot. Dieses gilt jedoch nicht, wenn der Beschuldigte vorher schon wusste, dass er schweigen darf. Auch im Bußgeldverfahren muss man sich nicht selbst belasten.

Oder: Die Polizei stoppt einen betrunkenen Fahrer und veranlasst eine Blutprobe. Dabei wird kein Richter hinzugezogen. Eine Blutprobe muss aber durch einen Richter angeordnet werden. Auch hier kann sich der Beschuldigte auf ein Beweisverwertungsverbot berufen.

Wirken sich Beweisverwertungsverbote auch auf künftige Aussagen oder darauf beruhende Beweise aus?


Hier geht es um die sogenannte Fernwirkung und Fortwirkung von Beweisverwertungsverboten.

Fernwirkung bedeutet, dass sämtliche mittelbaren Beweismittel, die aufgrund eines unzulässigen Beweismittels gewonnen werden, selbst nicht verwertbar sind.

Beispiel: Ein Geständnis unter Zwang führt zum Versteck eines gestohlenen Tresors.

Die Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten gibt es zwar zum Beispiel in den USA, nicht aber in Deutschland. Hier dürfen solche Beweise also grundsätzlich verwertet werden.

Um die Fortwirkung eines Beweisverwertungsverbots geht es, wenn jemand eine Aussage wiederholt, die beim ersten Mal nicht verwertet werden durfte. Die reine Wiederholung dieser Aussage ist ebenfalls nicht verwertbar. Erst wenn eine korrekte Belehrung des Beschuldigten nach § 136 StPO stattgefunden hat mit dem Inhalt, dass er sich nicht selbst belasten muss und dass seine erste Aussage nicht verwertbar war, kann er die Aussage in verwertbarer Form wiederholen.

Beispiel: Im Entführungsfall des Bankierssohnes Jakob von Metzler war dem Beschuldigten in der ersten Vernehmung mit Gewalt gedroht worden. Daher waren auch weitere Aussagen erst nach einer korrekten Belehrung (und ohne weitere Drohungen) verwertbar.

Welche Beweisverwertungsverbote gelten vor einem Zivilgericht?


Im Zivilrecht geht es nicht um Strafen, sondern um Ansprüche der Beteiligten gegeneinander. Hier gibt es nur wenige Regelungen zu Beweisverwertungsverboten in speziellen Gesetzen. Die Grundrechte gelten jedoch auch hier und können dazu führen, dass ein gewonnenes Beweismittel nicht verwendet werden darf. Dies kann auch der Fall sein, wenn die Beweise unter Verstoß gegen Strafgesetze erlangt wurden (etwa §§ 201 bis 203 StGB, Vertraulichkeit des Wortes, Briefgeheimnis, Privatgeheimnis, unzulässige Bildaufnahmen im höchstpersönlichen Lebensbereich).

Der Verstoß gegen Datenschutzvorschriften führt in der Regel nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Dies hat zum Beispiel das Bundesarbeitsgericht im Fall eines Arbeitnehmers entschieden, dessen Arbeitszeitbetrug durch Videoaufnahmen vom Eingangsbereich des Betriebsgeländes aufgeflogen war. Diese waren zu lange gespeichert worden. Trotzdem waren sie im Prozess verwendbar (Urteil vom 29.6.2023, Az. 2 AZR 296/22).

Darf die Staatsanwaltschaft einfach Datenträger ans Finanzamt schicken?


Im Zusammenhang mit der Besteuerung hört man selten von Beweisverwertungsverboten. Sie kommen trotzdem vor. Dies zeigt ein vor dem Bundesfinanzhof verhandelter Fall: Die Staatsanwaltschaft hatte wegen des Verdachts auf Verstöße gegen das Wertpapierhandelsgesetz die Durchsuchung eines Unternehmens veranlasst. Dabei wurden auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses viele Speichermedien beschlagnahmt. Davon hörte das Finanzamt. Der zuständige Betriebsprüfer bat die Staatsanwaltschaft um die Übersendung einer Computerfestplatte mit geschäftlichen Inhalten. Beim Finanzamt fragte man sich nämlich, ob der Firmensitz in Wirklichkeit auf Zypern oder in Deutschland lag – letzteres hätte in Deutschland zu einer unbeschränkten Steuerpflicht geführt. Die Festplatte wurde übersandt und das Finanzamt wollte darauf ein Besteuerungsverfahren aufbauen.

Der Bundesfinanzhof sah hier jedoch ein Beweisverwertungsverbot. Die Staatsanwaltschaft sei verpflichtet gewesen, die Festplatte daraufhin durchzusehen, ob sie für den Wertpapier-Fall relevant war. Andernfalls hätte sie der Firma zurückgegeben werden müssen. Tatsächlich war sie nicht relevant, da darauf nur E-Mails ohne Fallbezug gespeichert waren. Eine Durchsicht war jedoch gar nicht erfolgt. Die Übersendung an das Finanzamt habe die Grundrechte der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung und damit einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich verletzt. Dem Finanzamt hätten hier keine legalen Möglichkeiten zugestanden, auf den ungefilterten E-Mail-Verkehr der Firma zuzugreifen (Urteil vom 23.4.2025, Az. I B 51/22).

Praxistipp zum Beweisverwertungsverbot


Ein Beweisverwertungsverbot kann gerade im Strafverfahren ein gutes Verteidigungsmittel sein. Ein Fachanwalt für Strafrecht kann Sie dazu beraten, ob dies in Ihrem Fall in Betracht kommt. Im Zivilverfahren kann ein Rechtsanwalt für Zivilrecht prüfen, ob Beweise tatsächlich vor Gericht gegen Sie verwendet werden dürfen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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