Bauarbeiten: Wer haftet für Schäden am Nachbargebäude?
19.09.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Ansprüche gegen den Bauherrn: Kommt es bei Bauarbeiten zu Beschädigungen an Nachbargebäuden, so haben die Nachbarn einen Schadensersatzanspruch gegen das Bauunternehmen, wenn dieses nachweislich einen Fehler gemacht bzw. gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen hat.
2. Ansprüche gegen den Nachbarn: Auch der Nachbar, der Auftraggeber der Bauarbeiten ist, kann unabhängig von einem Verschulden auf Schadenseratz haften, wenn am Nachbarhaus durch die "Zuführung unwägbarer Stoffe", worunter z.B. auch Erschütterungen fallen, Schäden entstehen.
3. Versicherungen: Hat der Bauherr eine Bauhaftpflichtversicherung, zahlt diese ggf. für den Schaden. Hat der geschädigte Nachbar eine Gebäudeversicherung, kann auch - je nach Versicherungsumfang - für den Schaden eintreten.
1. Ansprüche gegen den Bauherrn: Kommt es bei Bauarbeiten zu Beschädigungen an Nachbargebäuden, so haben die Nachbarn einen Schadensersatzanspruch gegen das Bauunternehmen, wenn dieses nachweislich einen Fehler gemacht bzw. gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen hat.
2. Ansprüche gegen den Nachbarn: Auch der Nachbar, der Auftraggeber der Bauarbeiten ist, kann unabhängig von einem Verschulden auf Schadenseratz haften, wenn am Nachbarhaus durch die "Zuführung unwägbarer Stoffe", worunter z.B. auch Erschütterungen fallen, Schäden entstehen.
3. Versicherungen: Hat der Bauherr eine Bauhaftpflichtversicherung, zahlt diese ggf. für den Schaden. Hat der geschädigte Nachbar eine Gebäudeversicherung, kann auch - je nach Versicherungsumfang - für den Schaden eintreten.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wer haftet, wenn eine Baufirma das Nachbarhaus beschädigt? Wann muss das Bauunternehmen Schadensersatz zahlen? Wie kann sich die Baufirma gegen Schadensersatzforderungen verteidigen? Welche Auswirkungen haben Vorschäden am Haus? Welche Ansprüche bestehen gegen den Bauherrn? Praxistipp zu Bauschäden am Nachbarhaus Wer haftet, wenn eine Baufirma das Nachbarhaus beschädigt?
Für eine Haftung kommen zwei Parteien in Frage: das Bauunternehmen und der Bauherr als Auftraggeber. Oft haften beide als sogenannte Gesamtschuldner nach § 840 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das bedeutet: Als Geschädigter können Sie auswählen, wen von beiden Sie in Anspruch nehmen.
Der Bundesgerichtshof hat dies vor Jahren für einen Fall festgestellt, in dem es um die Haftung des Architekten und des Auftraggebers ging. Auch dort war durch das Ausheben einer Baugrube das Nachbarhaus beschädigt worden (Urteil vom 26.11.1982, Az. V ZR 314/81).
Allerdings kann es auch vorkommen, dass das Bauunternehmen eine Haftung erfolgreich vermeiden kann, während der Grundstückseigentümer zahlen muss.
Wann muss das Bauunternehmen Schadensersatz zahlen?
Zwar hat ein Bauunternehmen nur einen Vertrag mit dem Eigentümer des Hauses oder Grundstücks, an dem es gerade baut. Trotzdem hat es auch Sorgfalts- und Obhutspflichten gegenüber den Nachbarn zu beachten. Auch diese werden aus dem Werkvertrag mit dem Auftraggeber abgeleitet. Man spricht dabei von einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Ein Schadensersatzanspruch setzt dann voraus, dass das Unternehmen nachweislich einen Fehler gemacht bzw. gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen hat. Dies muss der Anspruchsteller, also der geschädigte Nachbar, natürlich beweisen können. Oft wird dabei ein Sachverständigengutachten erforderlich sein.
Ein solcher Beweis gelang zum Beispiel einem Paar, das vor dem Oberlandesgericht Oldenburg klagte. Deren Einfamilienhaus Baujahr 1900 war beim Bau einer Tiefgarage auf dem Nachbargrundstück beschädigt worden. Die Baufirma hatte mit einer riesigen Ramme Stahlträger in acht Meter tiefe Löcher gerammt und diese anschließend wieder herausgezogen. Danach hatte das Nachbarhaus Risse in den Wänden.
Nach Ansicht des Gerichts hatte das Bauunternehmen durch die Vibrationsarbeiten in unmittelbarer Nähe des Nachbarhauses seine Sorgfaltspflichten verletzt und die anerkannten Regeln der Technik missachtet. Die Gefahr von Bodenversackungen sei offensichtlich gewesen. Das Schadensbild sei für Rammarbeiten typisch. Daher musste der Bauunternehmer den gesamten geltend gemachten Schaden von 20.000 Euro ersetzen (Urteil vom 15.8.2017, Az. 12 U 61/16).
Wie kann sich die Baufirma gegen Schadensersatzforderungen verteidigen?
In einem Fall vor dem Landgericht Coburg gewann die Baufirma. Es handelte sich um ein kommunales Bauunternehmen, das Arbeiten an einer Straße durchgeführt hatte. Diese grenzte an das Hausgrundstück der Kläger. Beim Verfüllen der Baugrube kam eine Rüttelplatte zum Einsatz. Die Kläger erklärten vor Gericht, ihr Haus habe während der Arbeiten ständig vibriert und anschließend Risse und Schäden an der Verkleidung mit Klinkern aufgewiesen. Sie forderten über 10.000 Euro Schadensersatz.
Das Unternehmen wandte dagegen ein, dass es die Bauarbeiten nach den anerkannten Regeln der Technik ausgeführt habe. Das Haus der Kläger sei 60 Jahre alt und liege unmittelbar an einer stark befahrenen Staatsstraße. Die Schäden seien altersbedingt und könnten nicht durch die Bauarbeiten entstanden sein.
Entscheidend war das Gutachten eines vom Gericht bestellten Sachverständigen. Dieser stellte fest, dass die Schäden am Wohnhaus nicht auf die Erschütterungen aus der Tiefbaumaßnahme zurückzuführen waren. Zumindest im Ansatz seien sie schon vor Beginn der Bauarbeiten vorhanden gewesen. Auch seien die Klinkerschäden vollkommen untypisch für Vibrationen durch Rüttelplatten. Zwar konnte der Sachverständige eine Erweiterung von bereits vorhandenen Rissen nicht ausschließen. Er fand aber auch keinerlei Nachweis dafür. Daher wies das Landgericht die Klage insgesamt ab (Urteil vom 5.4.2011, Az. 22 O 273/09).
Welche Auswirkungen haben Vorschäden am Haus?
Vorschäden am Haus müssen nicht zwingend dazu führen, dass ein Anspruch komplett abgewiesen wird. Häufig wird er nur anteilig herabgesetzt. So geschehen bei einem Berliner Gebäude mit Kriegsschäden. Das Gericht setzte den Schadensersatz für die Schäden durch benachbarte Bauarbeiten wegen der Vorschäden um 15 Prozent herab (Kammergericht Berlin, Urteil vom 16.1.1997, Az. 12 U 5246/95).
Welche Ansprüche bestehen gegen den Bauherrn?
Gegen den Nachbarn, der die Bauarbeiten beauftragt hat, also den Bauherrn, kann unabhängig von einem Verschulden ein sogenannter nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestehen. Unter die "Zuführung unwägbarer Stoffe" fallen nämlich auch Erschütterungen. Dieser Anspruch entspricht im Betrag einem Schadensersatz.
Übrigens greift dieser Anspruch sogar, wenn die technischen Normen für Erschütterungen bei Bauarbeiten eingehalten wurden. Das Oberlandesgericht München argumentierte in einem solchen Fall, dass das Hervorrufen massiver Schäden auf einem fremden Grundstück immer eine wesentliche Beeinträchtigung dieses Grundstücks sei. Die Einhaltung von Gesetzen oder DIN-Normen ändere daran nichts (Urteil vom 11.9.2019, Az. 7 U 4531/18).
Unter Umständen ist es also denkbar, dass die Baufirma sich erfolgreich auf die Einhaltung technischer Regeln beruft, der Bauherr aber trotzdem haften muss.
Praxistipp zu Bauschäden am Nachbarhaus
Kommt es durch nachbarliche Bauarbeiten zu Schäden an Ihrem Haus, sollten Sie die Chancen und Risiken eines Gerichtsverfahrens sorgfältig prüfen. Mit dem Einsatz von teuren Gutachtern ist zu rechnen. Eine Beratung durch einen Fachanwalt für Baurecht ist zu empfehlen.
(Ma)