Verkehrssicherungspflicht bei Treppe und Geländer

23.04.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (8670 mal gelesen)
Treppe,Verkehrssicherungspflicht,Sturz,Unfall Wer ist dafür verantwortlich, dass eine Treppe sicher zu begehen ist? © - freepik

Ob frisch gewischt, ohne Geländer oder ohne Beleuchtung - Treppen stellen immer wieder ein Gefahrenrisiko dar. Nach einem Treppenunfall kann der Geschädigte Schadensersatzansprüche haben.

Wer eine mögliche Gefahrenquelle schafft oder unterhält, muss so gut es geht dafür sorgen, dass andere Personen dadurch nicht zu Schaden kommen. Dies ist, was man gemeinhin unter der Verkehrssicherungspflicht versteht. Auch Vermieter und Hauseigentümer haben eine solche Pflicht. Stürzt jemand auf einer Treppe, stellt sich schnell die Frage, ob die Verkehrssicherungspflicht beachtet wurde. Andernfalls bestehen Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Allerdings hat die Pflicht auch ihre Grenzen - denn absolute Sicherheit gibt es im Leben nie.

Vorsicht, frisch gewischt!


Vor dem Oberlandesgericht Bamberg hatte eine Frau geklagt, die an ihrem Arbeitsplatz auf einer frisch gewischten Treppe ohne Warnhinweise gestürzt war. Sie hatte 10.000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld von der Reinigungsfirma verlangt.

Das Gericht kam hier zu dem Ergebnis, dass das Reinigungsunternehmen keine Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Es müsse nur vor Gefahren gewarnt werden, die ein sorgfältiger Benutzer nicht ohne entsprechenden Hinweis erkennen könne. Zwar könne es in Ausnahmefällen dazu kommen, dass aufgrund der Art des Bodenbelags die Feuchtigkeit nur schwer erkennbar sei. So sei es aber hier nicht gewesen. Auch sei die Treppe jeden Tag zur gleichen Zeit geputzt worden, was die Klägerin auch gewusst habe. Sie habe auch gewusst, dass nie Warnschilder aufgestellt würden.

Ein als Zeuge vernommener Sanitäter hatte angegeben, dass er sofort unmittelbar vor der Treppe, wo die verletzte Frau lag, Feuchtigkeit auf dem Boden wahrgenommen hatte. Das Gericht argumentierte: Wenn ein zur eiligen medizinischen Versorgung herbeigerufener Sanitäter, der sich vorrangig um den Verletzten kümmern müsse, sofort Feuchtigkeit auf dem Boden bemerke, müsse ein sorgfältiger Benutzer erst recht die Gefahr bemerken - auch ohne Warnhinweis. Daher sei die Klage hier abzuweisen (Urteil vom 20.3.2013, Az. 6 U 5/13).

Welchen Umfang hat die Verkehrssicherungspflicht?


Treppen müssen nicht schlechthin gefahrlos sein. Eine Verkehrssicherungspflicht hat den Zweck, in zumutbarer Weise Gefahren auszuräumen und vor solchen zu warnen, die für einen Benutzer, der selbst die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht einstellen kann. Dies betonte das Amtsgericht München.

Im verhandelten Fall war ein Mann auf der Kellertreppe eines Pflegeheims gestürzt. Er verlangte 4.900 EUR Schmerzensgeld, weil die Treppe unzureichend beleuchtet gewesen sei und der Handlauf der Treppe nicht bis zu deren Ende reichte.

Das Gericht sah dies anders. Treppen müssten nicht schlechthin gefahrlos und frei von Mängeln sein. Der zu kurze Handlauf reiche für eine Pflichtverletzung nicht aus. Eine rechtliche Verpflichtung, den Handlauf bis über die letzte Stufe zu führen, existiere nicht. Es sei nicht die Funktion eines Handlaufs, das Ende einer Treppe zu signalisieren. Auch bei unzureichender Beleuchtung habe der Treppenbenutzer selbst gewisse Sorgfaltspflichten. Er habe die Möglichkeit gehabt, die Treppe eben nicht zu benutzen, wenn er nichts sehen konnte (Urteil vom 14.5.2010, Az. 121 C 31386/09).

Verkehrssicherungspflicht auf der Treppe zu einer Arztpraxis


Eine Patientin war nach dem Besuch einer Arztpraxis im ersten Stock auf der letzten Stufe der Treppe zum Erdgeschoss gestürzt. Dabei verletzte sie sich. Von der Hauseigentümerin verlangte sie Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von rund 10.000 Euro.

Die Klägerin behauptete, dass das Treppenhauslicht nicht funktioniert hätte. Die natürliche Belichtung sei unzureichend gewesen. Sie habe deshalb nicht sehen können, wo die Treppe endete. Die Klägerin meinte, dass die Hauseigentümerin ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen wäre. Diese sei im Hinblick auf die Arztpraxis im Haus besonders hoch anzusetzen.

Die Hauseigentümerin gab an, dass die Beleuchtung im Treppenhaus am Unfalltag funktioniert hätte. Zudem wäre das Treppenhaus durch ein Oberlicht in der Eingangstür sowie ein großes Fenster zwischen Erd- und Obergeschoss ausreichend durch Tageslicht beleuchtet. Ein sorgfältiger Treppenbenutzer hätte erkannt, wo die Treppe endet.

Das Landgericht Coburg konnte hier keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht erkennen. Diese Pflicht umfasse nur die Beseitigung bzw. Warnung vor Gefahren, die ein sorgfältiger Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennen könne. Eine vollkommene Verkehrssicherheit, die jeden Unfall ausschließe, könne nicht erreicht werden.

Die Klägerin habe selbst angegeben, dass schon beim Betreten des Hauses das Treppenhauslicht nicht funktioniert habe. Darauf hätte sie sich auf dem Rückweg einstellen müssen. Eine Warnung vor leicht zu erkennenden Gefahren sei nicht nötig. Obendrein hätte sich ein sorgfältiger Treppenbenutzer auch am Handlauf festgehalten. Auch wenn dieser Handlauf auf der Höhe der letzten Stufe ende, hielt es das Gericht für leicht möglich, sich weiter daran festzuhalten und die letzte Stufe zu meistern. Selbst bei defekter Beleuchtung sei damit die Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt gewesen. Das Gericht war nach einer Ortsbesichtigung auch nicht davon überzeugt, dass das natürliche Tageslicht nicht ausgereicht habe, um die Treppe sicher zu passieren (Urteil vom 6.11.2012, Az. 11 O 235/11).

Zu kurzes Lichtintervall: Schadensersatz?


Andererseits gestand das Oberlandesgericht Koblenz einer 70-jährigen Mieterin einen Anspruch auf Schadensersatz zu. In deren Wohnhaus war das Zeitintervall der Treppenhausbeleuchtung so eingestellt, dass diese nach 20 Sekunden ausging. Die Frau war im Dunkeln gestürzt und hatte sich verletzt. Aus Sicht des Gerichts reichte diese Zeit nicht aus, um die Treppe sicher zu passieren. Mit einer solchen Schaltdauer habe der Vermieter seine Verkehrssicherungspflicht verletzt (Urteil vom 12.10.1995, Az. 5 U 324/95).

Sturz beim Putzen einer schadhaften Treppe


Ein Mieterpaar wohnte in einer Erdgeschosswohnung in einem Mehrfamilienhaus und war vertraglich dazu verpflichtet, die Treppen zum Keller regelmäßig zu putzen. Dorthin führten eine Innen- und eine Außentreppe. Letztere war marode. Eines Tages stürzte die Frau beim Putzen der Außentreppe und verletzte sich schwer am Knie. Sie verlangte Schmerzensgeld von der Vermieterin. Diese konterte mit dem Argument, dass die Mängel der Treppe der Mieterin ja bekannt gewesen seien.

Davon ließ sich das Landgericht Potsdam jedoch nicht beeindrucken: Zwar hätte die Mieterin durchaus besser aufpassen können. Trotzdem sei die Vermieterin verpflichtet gewesen, die Treppe instand zusetzen. Da die Mieterin mietvertraglich zur Reinigung der Außentreppe verpflichtet gewesen sei, habe sie deren Benutzung auch nicht vermeiden können. Die Vermieterin musste hier 25 Prozent des Schadens tragen (Urteil vom 8.1.2004, Az. 11 S 190/03).

Praxistipp


Ein im Zivilrecht versierter Rechtsanwalt kann für Sie prüfen, ob in Ihrem Fall tatsächlich eine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde. Auch für die Bemessung des verlangten Schmerzensgeldes empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung.

(Wk)


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