Ärztliche Schweigepflicht verletzt: Welche Rechte haben Patienten?

27.04.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Schweigepflicht,Arzt,Patient,Datenschutz Ärzte und ihr Personal müssen die Schweigepflicht beachten - es gibt aber Ausnahmen. © - freepik

Die ärztliche Schweigepflicht ist besonders wichtig für das Vertrauen zwischen Arzt und Patient. Wann ist sie gelockert und was passiert, wenn sie missachtet wird?

Für Patienten stellt sich oft die Frage, was im ganz normalen Alltag eigentlich passiert, wenn ihr Arzt die Schweigepflicht bricht und Details über Erkrankungen verbreitet, die man nicht publik machen möchte. Allerdings wurde sogar schon über eine deutliche Lockerung der Schweigepflicht diskutiert, nämlich unter Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der Anlass waren Ereignisse wie etwa die Germanwings-Katastrophe von 2015, bei der ein Pilot Suizid beging, indem er eine vollbesetzte Passagiermaschine gegen einen Berg steuerte, aber auch der Amoklauf von München 2016. Immerhin schien es denkbar, dass Ärzte früher als andere mitbekommen, wenn ein Patient zu einer Gefahr für die Allgemeinheit wird. Nur: Auch ein psychisch labiler Patient wird kaum vor seinem Arzt einen Anschlag ankündigen. Man müsste also Kriterien festlegen, nach denen ein Arzt auf einen bloßen Verdacht hin Meldung machen muss – mit der Folge, dass der Patient dann umgehend Besuch von der Polizei bekommt, die seine Wohnung auseinander nimmt.

Was besagt die ärztliche Schweigepflicht und wo ist sie geregelt?


Die ärztliche Schweigepflicht ist einerseits im Berufsrecht der Ärzte festgeschrieben, andererseits aber auch in Gesetzen. Das Berufsrecht ergibt sich aus den Berufsordnungen der deutschen Ärztekammern. Die Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer von 2021 regelt die Schweigepflicht in § 9. Darin heißt es: "Ärzte haben über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Ärztin oder Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist – auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus – zu schweigen." Dies bezieht sich auch auf schriftliche Mitteilungen der Patienten, Aufzeichnungen über diese, medizinische Untersuchungsbefunde und Röntgenaufnahmen. Der Schweigepflicht unterliegt auch das Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern, wie etwa Sprechstundenhilfen, Krankenschwestern, Krankenpfleger und Rettungssanitäter. Die Ärzte sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter darüber zu belehren und dies schriftlich zu dokumentieren.

Gibt es Ausnahmen von der ärztlichen Schweigepflicht?


Die ärztliche Berufsordnung erlaubt die Offenbarung von Wissen über den Patienten, wenn dieser seinen Arzt von der Schweigepflicht entbunden hat – oder wenn dies zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist. Ersteres passiert zum Beispiel, wenn der Medizinische Dienst der Krankenkassen eine Einstufung für eine Pflegestufe vornehmen muss. Ein höherwertiges Rechtsgut kann zum Beispiel Leib und Leben eines anderen sein. Dieser Fall kann zutreffen, wenn ein Patient einen Mord oder Anschlag ankündigt - in der Praxis geht es jedoch meist eher darum, dass jemand seine Angehörigen vielleicht mit einer gefährlichen Krankheit ansteckt.

Die Berufsordnung will ausdrücklich nichts an gesetzlichen Aussage- und Anzeigepflichten ändern. Sie verpflichtet jedoch Ärzte, ihre Patienten zu informieren, wenn sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Schweigepflicht zu brechen. Aufgehoben ist die Schweigepflicht auch unter mehreren Ärzten, welche den gleichen Patienten behandeln. Aber: Dies gilt nur, wenn die zusätzlichen Ärzte durch den Patienten in die Behandlung eingebunden wurden. Überweist der Hausarzt einen Patienten in eine Klinik und die Klinik zieht von sich aus einen Psychologen hinzu, darf dieser keine Diagnose an den Hausarzt schicken (Landgericht München I, Urteil vom 1.10.1991, Az. 23 0 2157/91).
Der Arzt muss grundsätzlich selbst entscheiden, ob der Schutz höherwertiger Rechtsgüter in Gefahr ist – etwa von Menschenleben – und er einer Behörde einen Hinweis gibt.

Es gibt außerdem Personengruppen, gegenüber denen keine Schweigepflicht besteht. Dies sind zum Beispiel gesetzliche Betreuer oder Bevollmächtigte, die sich um die medizinischen Angelegenheiten ihrer Schützlinge kümmern müssen. Ohne entsprechendes Wissen können sie dies natürlich nicht tun.

In seltenen Einzelfällen kann die Schweigepflicht auch hinter den persönlichen Interessen des Arztes zurücktreten. Dieser Fall kann eintreten, wenn ein Arzt gezwungen ist, eine Honorarforderung gerichtlich durchzusetzen oder wenn sich ein Arzt nur durch Offenlegung von Patientendaten selbst vor einer Strafverfolgung schützen kann.

Wann ist eine Datenübermittlung erlaubt?


In einigen Fällen kommt man nicht um eine Datenübermittlung herum - in bestimmten Fällen ist diese dann auch zulässig. Beispiel: Die verschlüsselte Übermittlung persönlicher Daten inklusive Diagnose vom Arzt an die kassenärztliche Vereinigung und die gesetzliche Krankenkasse zur Abrechnung der ärztlichen Leistungen und zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Arztes. Auch die Berufsgenossenschaft darf informiert werden, wenn dies nötig ist, um einen Arbeitsunfall abzurechnen.
In bestimmten Fällen verpflichten die Sozialgesetze Krankenhäuser, die Empfänger von Sozialleistungen behandeln, eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenkassen einzuholen. Auch hier gibt es zum Beispiel Ausnahmen von der Schweigepflicht (zum Beispiel § 275 SGB V).

Verstoß gegen die Schweigepflicht: Macht sich der Arzt strafbar?


Das Strafrecht kennt mehrere Berufsgruppen, die einer Schweigepflicht unterliegen. Diese machen sich nach § 203 StGB wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen strafbar, wenn sie fremde Geheimnisse ausplaudern, welche zum persönlichen Lebensbereich oder zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eines Menschen gehören und die sie im Rahmen ihrer Berufsausübung erfahren haben. Solche Berufsgruppen sind zum Beispiel Apotheker, Berufspsychologen mit staatlich anerkanntem Abschluss, Rechtsanwälte und auch Ärzte und Zahnärzte. Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Wann liegt ein rechtfertigender Notstand vor?


Nach § 34 StGB macht man sich generell nicht strafbar, wenn man eine Straftat begeht, um in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden. Dabei gelten jedoch strenge Voraussetzungen: So muss eine Interessenabwägung stattfinden, das geschützte Interesse muss das beeinträchtigte wesentlich überwiegen und die jeweilige Handlung muss angemessen sein, um die Gefahr abzuwehren.

Macht sich ein Arzt strafbar, wenn er geplante Straftaten nicht anzeigt?


Strafbar macht sich auch, wer eine geplante schwere Straftat nicht anzeigt – so wie etwa der Freund des Münchner Amokläufers, der offenbar zuvor von der Tat wusste. Dies gilt zum Beispiel für Mord, Totschlag und anderen gemeingefährlichen Straftaten. Nach § 138 StGB stehen darauf bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug oder eine Geldstrafe. Dies gilt auch für Ärzte: Erfährt ein Arzt von einem Patienten, dass dieser einen Mord plant, ist er nach heutiger Rechtslage zur Anzeige bei den Behörden verpflichtet.

Es gibt also tatsächlich Fälle, in denen ein Arzt verpflichtet sein kann, die Polizei zu informieren - etwa bei von Patienten geplanten Tötungsdelikten. Aber: Dies gilt nur bei konkreter Gefahr und nicht, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Depressionspatient vielleicht aggressiv werden könnte.

Gilt die ärztliche Schweigepflicht auch im Strafverfahren?


Wer in einem Strafverfahren als Zeuge auftritt, ist grundsätzlich zur Aussage verpflichtet. Aber: Es gibt Ausnahmen. So haben bestimmte Berufsgruppen ein Zeugnisverweigerungsrecht - und dazu gehören nach § 53 und § 53a StPO auch Ärzte und ihre Berufshelfer. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht erlischt jedoch, wenn der Betreffende durch den Patienten von seiner Schweigepflicht entbunden wird.

Ein Arzt, der auf sein Zeugnisverweigerungsrecht verzichtet und eine Aussage macht, kann sich nach § 203 StGB strafbar machen - wenn er keinen Rechtsfertigungsgrund vorweisen kann, wie etwa eine Gefährdung höherer Rechtsgüter. Dies ist dann aber allein sein Risiko. Die Aussage kann in jedem Fall in dem Strafverfahren gegen seinen Patienten als Beweismittel verwertet werden.

Ärztliche Schweigepflicht und DSGVO


Bei der Kommunikation mit Patientendaten müssen Ärzte natürlich auch die Datenschutz-Grundverordnung und die entsprechenden Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz beachten und die Datenverarbeitung in ihrer Praxis entsprechend organisieren. Eine Nichtbeachtung kann zu hohen Bußgeldern führen, insbesondere, wenn Patientendaten an die Öffentlichkeit gelangen. Bei einem Krankenhaus etwa ist durchaus mit sechsstelligen Bußgeldern zu rechnen.

Schadensersatz und Schmerzensgeld für betroffene Patienten?


Die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht kann auch zur Folge haben, dass der Patient Schadensersatz oder Schmerzensgeld fordern kann. So wurden dem Patienten im oben erwähnten Fall vom Landgericht München 1.000 Euro zugesprochen, weil ein ungewollt eingeschalteter Klinikpsychologe die Diagnose "psychisch auffällig" an den Hausarzt übermittelt hatte.

Praxistipp zur ärztlichen Schweigepflicht


Verstöße gegen die Schweigepflicht können strafrechtliche Folgen haben, zu Schmerzensgeldansprüchen führen und dem Arzt auch berufsrechtliche Probleme mit der Ärztekammer einbringen. Kommt es zu einem Rechtsstreit oder Konflikt zwischen Arzt und Patient, kann ein Fachanwalt für Medizinrecht qualifizierte Beratung leisten.

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