WEG-Recht: Was ist mit „ordnungsgemäßer Verwaltung“ gemeint?

03.11.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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In Wohnungseigentümergemeinschaften ist eine "ordnungsgemäße Verwaltung" des Wohneigentums Pflicht. Dies gilt auch bei Beschlüssen der Eigentümerversammlung. Was ist damit genau gemeint?

In der Eigentümerversammlung fassen Wohnungseigentümer immer wieder Beschlüsse über den gemeinsamen Umgang mit dem Eigentum. Es kommt jedoch häufig zum Streit, da jemand der Meinung ist, es handle sich nicht um eine Angelegenheit der "ordnungsgemäßen Verwaltung" oder der beantragte Beschluss würde ebendieser widersprechen. Was ist darunter nun zu verstehen – und warum ist dies überhaupt wichtig?

Was ist mit ordnungsgemäßer Verwaltung gemeint?


Leider gibt es keine klare gesetzliche Definition dieses Begriffes. Regelmäßig geht man jedoch davon aus, dass eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, wenn sie

- vernünftig,
- wirtschaftlich,
- nützlich (für die Gemeinschaft) und
- im Interesse aller Wohnungseigentümer ist.

Außerdem sollte sie dem "billigem Ermessen" entsprechen.

Diese Kriterien sind jedoch nicht ganz unproblematisch. Schließlich haben Menschen ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, was "vernünftig" ist. Und auch ein noch so "vernünftiger" Durchschnittseigentümer wird in der Regel wenig mit dem Begriff "billiges Ermessen" anfangen können.

Was ist ein "billiges Ermessen"?


Mit diesem Begriff ist gemeint, dass den Wohnungseigentümern bei ihrer gemeinsamen Beschlussfassung ein gewisser Ermessensspielraum zur Verfügung steht. "Billig" ist eine Maßnahme der Verwaltung des Wohneigentums, wenn sie die Umstände der konkreten Situation berücksichtigt und dem entspricht, was in derartigen Fällen üblich ist.

Beispiel: Die Gemeinschaft kann beschließen, dass Hunde auf dem Gelände der Wohnanlage angeleint werden müssen. Aber: Ein Beschluss, dass der Hausmeister auf alle nicht angeleinten Hunde mit der Schrotflinte schießen darf, entspräche nicht mehr der "Billigkeit."

Was sagt das Wohnungseigentumsgesetz?


§ 14 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) wurde im Dezember 2020 im Zuge der Reform des WEG-Rechts geändert. Die Neufassung sagt zum Thema Zusammenleben der Eigentümer: Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet,

- die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und
- das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das Gemeinschaftseigentum zu dulden, soweit diese Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder - bei deren Fehlen - soweit ihm daraus kein Nachteil entsteht, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus geht.

Auch ist jeder Eigentümer nach Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet, fremdes Sondereigentum nicht über dieses Maß hinaus zu beeinträchtigen und Einwirkungen zu dulden, die ebenfalls noch unter dieser Schwelle liegen.

Welche Beispiele für ordnungsgemäße Verwaltung nennt das Gesetz?


Schon hilfreicher ist da § 19 WEG. Dieser legt zunächst fest, dass die Gemeinschaft Beschlüsse über eine ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung des Gemeinschafts- und Sondereigentums zu fassen hat, soweit die entsprechenden Punkte nicht durch Vereinbarungen geregelt sind.

Im zweiten Absatz werden dann einige Beispiele aufgezählt: Demnach umfasst eine ordnungsgemäße, dem Interesse aller Eigentümer entsprechende Verwaltung insbesondere:

- die Aufstellung einer Hausordnung,
- die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums,
- die angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert sowie der Wohnungseigentümer gegen Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht,
- die Ansammlung einer angemessenen Erhaltungsrücklage,
- die Festsetzung von Kostenvorschüssen entsprechend dem Wirtschaftsplan sowie
- die Bestellung eines zertifizierten Verwalters, es sei denn, es bestehen weniger als neun Sondereigentumsrechte, ein Wohnungseigentümer wurde zum Verwalter bestellt und weniger als ein Drittel der Wohnungseigentümer verlangt die Bestellung eines zertifizierten Verwalters.

Warum ist die ordnungsgemäße Verwaltung wichtig?


Alle Eigentümer der Gemeinschaft sind auch gemeinsam für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verantwortlich.

Nach § 18 Abs. 2 WEG kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft verlangen:

1. Eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie
2. Eine Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums.

Beide müssen dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung) und ggf. den gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüssen entsprechen.

Ordnungsgemäße Verwaltung steht hier also für Maßnahmen, die dem Interesse der Gesamtheit der Eigentümer nach billigem Ermessen entsprechen.

Wenn es zu einem bestimmten Punkt keine Vereinbarung der Wohnungseigentümer gibt, kann eine ordnungsmäßige Verwaltung auch durch Stimmenmehrheit beschlossen werden.

Das bedeutet:

Der einzelne Eigentümer hat einen individuellen und einklagbaren Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung gegen die Gemeinschaft. Fasst diese Beschlüsse, die NICHT ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, kann der einzelne Eigentümer diese Beschlüsse vor Gericht anfechten und sie für unwirksam erklären lassen.

Urteil: Abstimmung über hohen Modernisierungskredit


In der Regel müssen besondere Kosten - etwa für eine Dachreparatur - in einer Eigentümergemeinschaft durch eine Sonderumlage finanziert werden. Wird so etwas stattdessen per Kredit finanziert, können jederzeit einzelne Eigentümer wegen Zahlungsunfähigkeit ausfallen. Die anderen würden dann - nicht gegenüber der Bank, sondern gegenüber der Eigentümergemeinschaft - eine unbegrenzte Nachschusspflicht haben. Hier ist die Haftung der Eigentümer nicht auf den ihrem Miteigentumsanteil entsprechenden Anteil an Zins- und Tilgungsleistungen beschränkt.

Ein Beschluss, statt einer Sonderumlage ein hohes und langfristiges Darlehen aufzunehmen, kann der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen – aber nur als absolute Ausnahme. Vor der Beschlussfassung müssen unbedingt alle Beteiligten darüber aufgeklärt werden, dass es eine unbegrenzte Nachschusspflicht gibt. In einem entsprechenden Fall entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Modernisierungskredit von rund 1,3 Millionen Euro nicht mehr der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach, da diese Aufklärung vorher nicht stattgefunden hatte (Urteil vom 25.9.2015, Az. V ZR 244/14).

Urteil: Entlastung des Verwaltungsbeirats


Kommen Schadensersatzansprüche gegen den Verwaltungsbeirat in Betracht, weil dieser Abrechnungen nicht korrekt geprüft hat, entspricht eine Entlastung des Beirates nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung (BGH, Urteil vom 4.12.2009, Az. V ZR 44/09).

Urteil: Abstimmung über Gartenfest


Der Beschluss, ein Gartenfest durchzuführen und mehrere tausend Euro Kosten auf alle Eigentümer umzulegen, fällt ebenfalls nicht mehr unter die ordnungsgemäße Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft (Amtsgericht München, Urteil vom 31.10.2014, Az. 481 C 14044/14).

Urteil: Anleinpflicht für Hunde und Katzen?


Ein Beschluss, nach dem Hunde und Katzen auf den Gemeinschaftsflächen nur an der Leine herumlaufen dürfen, entspricht der ordnungsgemäßen Verwaltung (LG Frankfurt /M., Urteil vom 14.7.15, Az. 2-09 S 11/15). Dies gilt ebenso für einen Beschluss, nach dem "Hunde der Eigentümer und Mieter auf den Rasenflächen spielen" dürfen und der ausdrücklich das unangeleinte Laufenlassen erlaubt (Urteil vom 8.5.15, Az. V ZR 163/14).

Urteil: Rückbau eines Treppenlifts


Vor einigen Jahren hatte ein Eigentümer mit Zustimmung der Gemeinschaft, auf eigene Kosten und gegen Stellung einer Sicherheit für die Rückbaukosten einen Treppenlift ins gemeinschaftliche Treppenhaus einbauen lassen. Der Grund dafür war die Gehbehinderung seiner Frau. Nach dem Tod der Frau beschloss die Eigentümerversammlung unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes", dass der mittlerweile 87-jährige Mann den Treppenlift wieder zurückbauen lassen müsse, weil er ihn ja aktuell nicht benötige.
Dazu entschied das Amtsgericht Kassel: Ein solcher Beschluss verstoße gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung (Urteil vom 24.10.2019, Az. 800 C 2005/19).

Praxistipp zur ordnungsgemäßen Verwaltung


Was ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht und was nicht, entscheiden die Gerichte häufig je nach der Situation im Einzelfall. Kommt es zu einem Rechtsstreit um solche Fragen, empfiehlt es sich, sich von einem Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht beraten zu lassen.

(Bu)


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