Autodiebstahl: Muss die Versicherung auch die Mehrwertsteuer zahlen?

19.03.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Autodiebstahl,Mehrwertsteuer,Schadensregulierung,Differenzbesteuerung Nach einem Autodiebstahl gibt es oft Streit um das Thema Mehrwertsteuer. © - freepik

Oft sorgt ein gestohlenes Auto für Streit mit der Versicherung. Umstritten ist der Ersatz der Mehrwertsteuer. Wie viel bekommt der Geschädigte von der Kaskoversicherung erstattet?

Wer einen Neuwagen kauft, hat darauf Mehrwertsteuer zu entrichten – oder, wie sie rechtlich auch bezeichnet wird, Umsatzsteuer. Wenn das Auto nun einige Zeit später, vielleicht einige Jahre später gestohlen wird, fragt sich, ob die Versicherung nur den reinen Fahrzeugwert ersetzt, oder auch die für das Auto bezahlte Mehrwertsteuer. Bei einem Neuwagen kann es sich hier um ansehnliche Beträge handeln.

Welche Praxis ist bei den Versicherungen üblich?


Eine Kaskoversicherung ersetzt üblicherweise bei einem Autodiebstahl den Wiederbeschaffungswert zum Zeitpunkt des Schadensfalles. Das ist der Betrag, den der Geschädigte bei einem KfZ-Händler für ein gleichwertiges Auto dieses Typs und dieses Alters bezahlen müsste. Oft wird das Gutachten des Versicherungs-Sachverständigen einen Mehrwertsteueranteil ausweisen. Ermittelt wird je nach Lage der Dinge ein regelbesteuerter, differenzbesteuerter oder steuerneutraler Wiederbeschaffungswert.

Welcher Wert ermittelt wird, hängt meist vom Alter des Autos ab. So wird bei neuen und fast neuen Fahrzeugen der Regelsatz von 19 Prozent angewendet. Bei Autos, die es nur noch gebraucht gibt, kommt die bei Gebrauchtwagenhändlern übliche Differenzbesteuerung zur Anwendung und ältere, nur noch privat ohne Mehrwertsteuer gehandelte PKW sind neutral.

Ein Ärgernis für viele Versicherungsnehmer: Wenn sich der Bestohlene als Ersatz einen Gebrauchten ohne Mehrwertsteuerausweis kauft, wird die Versicherung bei der Schadensregulierung den Mehrwertsteueranteil abziehen.

Oft wird dies so gehandhabt, dass der Wiederbeschaffungswert ohne Mehrwertsteueranteil überwiesen wird. Kauft sich der Versicherungskunde ein Fahrzeug mit auf der Rechnung ausgewiesener Mehrwertsteuer, kann er die Rechnung einreichen und bekommt dann die Mehrwertsteuer erstattet.

Versicherungsbedingungen: Mehrwertsteuer nur, wenn tatsächlich angefallen


Die Allgemeinen Musterbedingungen für die Kraftfahrtversicherung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) besagen, dass Mehrwertsteuer nur erstattet wird, "wenn und soweit diese bei der gewählten Schadenbeseitigung tatsächlich angefallen ist." Das bedeutet: Wenn der Kunde sich ein Fahrzeug kauft, für das keine Mehrwertsteuer anfällt, bekommt er auch keine Mehrwertsteuer von der Versicherung ersetzt.

Was bedeutet "tatsächlich angefallene Mehrwertsteuer"?


Zwar könnte man hier einwenden, dass der Geschädigte tatsächlich einen Schaden in Höhe der – zumindest anteilig auf den Fahrzeugwert entfallenden – Mehrwertsteuer gehabt hat. Immerhin hat er die Mehrwertsteuer ja beim Kauf seines geklauten Autos bezahlt. Aus Sicht der Versicherungen zählt hier jedoch nur die im Rahmen der Schadensbeseitigung, also des Ersatzkaufes, angefallene Mehrwertsteuer.

Beim Kauf eines Gebrauchtwagens von privat fällt keine Mehrwertsteuer an - dann zahlt die Kaskoversicherung auch keine im Rahmen der Entschädigung.
Kauft man sein gebrauchtes Ersatzfahrzeug beim Gebrauchtwagenhändler, sieht die Sache schon wieder anders aus. Die meisten Gebrauchtwagenhändler wenden die sogenannte Differenzbesteuerung an. Dies dürfen sie, wenn sie das Auto selbst von privat ohne Mehrwertsteuer angekauft haben. Bei der Differenzbesteuerung müssen sie nur auf ihre Gewinnspanne 19 Prozent Mehrwertsteuer aufschlagen. Bei der Differenzbesteuerung wird die Mehrwertsteuer nicht gesondert auf der Rechnung ausgewiesen ("Mehrwertsteuer nicht ausweisbar").
Als Opfer eines Diebstahls bekommen Sie daher von Ihrer Versicherung nur dann den Mehrwertsteueranteil ausgezahlt, wenn sie anderes Auto mit ausgewiesener Mehrwertsteuer - in der Regel einen Neuwagen – kaufen.

Was sagen die Gerichte zu dieser Praxis?


Durch mehrere Gerichtsurteile wurde bestätigt, dass die Kaskoversicherung nur die bei der Schadensbeseitigung angefallene Mehrwertsteuer bezahlen muss. So entschied beispielsweise das Oberlandesgericht Saarbrücken hinsichtlich einer Beschädigung (Urteil vom 28.1.2009, Az. 5 U 278/08) und das Oberlandesgericht Celle bezüglich eines Autodiebstahls (Beschluss vom 28. März 2008, Az. 8 W 19/08). In den verwendeten Klauseln der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherungen sahen die Gerichte keine unangemessene Benachteiligung des Kunden. Auch aus § 249 Absatz 2 BGB ergebe sich, dass der zu zahlende Schadensersatz bei Beschädigung einer Sache nur den tatsächlich angefallenen Mehrwertsteuerbetrag umfasse.

Berechnungsbeispiele zur zu erstattenden Mehrwertsteuer


Dem Bestohlenen wird auch beim Erwerb eines Neuwagens mit höherem Mehrwertsteueranteil nur der Steueranteil ersetzt, der auf den Wiederbeschaffungswert entfällt. Ist der Neupreis des Ersatzfahrzeuges geringer, bekommt er lediglich den geringeren Mehrwertsteueranteil für den preisgünstigeren Ersatzwagen.

Beispiel:

Neupreis eines PKW 60.000 Euro inkl. 19 % MWSt.
MWSt-Anteil: 9.580 Euro

Wiederbeschaffungswert nach einem Jahr: 40.000 Euro inkl. 19 % MWSt
MWSt-Anteil: 6.387 Euro
Netto-Wiederbeschaffungswert: 33.613 Euro

Geschädigter kauft Neuwagen für 60.000 Euro inkl. 19 % MWSt:
Auszahlung der Versicherung = 40.000 Euro (inkl. MWSt-Anteil)

Geschädigter kauft Neuwagen für 80.000 Euro inkl 19 % MWSt.:
Auszahlung der Versicherung = 40.000 Euro (inkl. MWSt-Anteil)

Geschädigter kauft Neuwagen für 30.000 Euro inkl. 19% MWSt
MWSt-Anteil 4.790 Euro
Auszahlung der Versicherung = 33.613 + 4.790 = 38.403 Euro

Geschädigter kauft privat Gebrauchtwagen für 30.000: Kein MWSt-Ausgleich
Auszahlung der Versicherung: 33.613 Euro.

Praxistipp zur Mehrwertsteuer nach Autodiebstahl


Immer wieder kommt es bei der Abrechnung von Diebstahlschäden zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Kunden und Versicherung. Ein Fachanwalt für Versicherungsrecht kann Sie im Streitfall beraten und prüfen, ob eine korrekte Schadensregulierung vorgenommen wurde.

(Bu)


 Stephan Buch
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