Private Probefahrt: Was muss man beachten?

26.02.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 6 Min. (27092 mal gelesen)
Autobahn,Fahrzeuge Bei einer Probefahrt kann viel schief gehen. Wie ist die Rechtslage? © Rh - Anwalt-Suchservice

Für Verkäufer und Käufer eines Autos stellen sich bei einer privaten Probefahrt einige rechtliche Fragen: Wer haftet bei einem Unfall? Wie schützt man sich vor Diebstahl und vor versteckten Mängeln?

Immer wieder kommt es bei Probefahrten mit zum Verkauf stehenden Fahrzeugen zu Unfällen. Dies ist nicht überraschend: Immerhin fährt der Kaufinteressent ein Auto, dessen Abmessungen und Bedienelemente er noch nicht gewohnt ist und dessen Brems- und Beschleunigungsverhalten er noch nicht kennt. Obendrein ist der Probefahrer häufig mehr auf das Fahrzeug konzentriert, als auf den Verkehr. Wenn es bei aller Vorsicht dann doch zu einem Unfall kommt, wer zahlt den Schaden? Und was ist, wenn der Kaufinteressent allein losfährt – und mit dem Auto nicht mehr zurückkommt? Worauf sollten Käufer achten, um möglichst viel über das Fahrzeug zu erfahren?

Unfall bei der Probefahrt: Was zahlt die Versicherung?


Bei einem privaten Autoverkauf darf eine Probefahrt auf öffentlichen Straßen nur durchgeführt werden, wenn das Fahrzeug noch regulär zugelassen ist. Es muss also angemeldet sein und unbedingt eine Haftpflichtversicherung haben. Ohne Versicherung zu fahren, ist eine Straftat. Die Haftpflichtversicherung trägt den Fremdschaden, wenn der Probefahrer zum Beispiel ein anderes Auto rammt. Sie trägt nicht den Schaden am eigenen Fahrzeug.

Den Unfallschaden am Probefahrzeug zahlt höchstens eine Vollkaskoversicherung. Wenn der Verkäufer eine solche abgeschlossen hat, sind deren Versicherungsbedingungen maßgeblich. In manchen Versicherungen ist der Versicherungsschutz für alle Fahrer außer dem Fahrzeughalter ausgeschlossen, oder für alle Fahrer unter 25 Jahren. Auch eine Selbstbeteiligung gibt es oft. Bei einer Vollkaskoversicherung steigt nach einem Unfall der Beitrag. Auch Selbstbeteiligung und Beitragserhöhung gehören zu den Schäden, die der Verursacher zu tragen hat.

Von grober Fahrlässigkeit spricht man zum Beispiel beim Fahren unter Alkoholeinfluss oder bei einem Rotlichtverstoß, aber auch bei Fahren ohne laut Führerschein erforderliche Brille. In solchen Fällen zahlt die Vollkasko nur sehr eingeschränkt. Dies gilt auch dann, wenn sich herausstellt, dass der Probefahrer keinen Führerschein bzw. keine Fahrerlaubnis hatte.

Was die Versicherung nicht bezahlt, muss der Probefahrer bezahlen, wenn er den Unfall verursacht hat.

Was gilt beim Kauf vom Händler?


Wenn der Verkäufer Händler ist, montiert er für die Probefahrt meist rote Händlerkennzeichen an das Auto. Diese darf der Händler für verschiedene Fahrzeuge nutzen, auch wenn diese nicht zugelassen sind. Eine Haftpflichtversicherung ist auch für den Händler Pflicht.

Oft wird geschrieben, dass Händler üblicherweise eine Vollkaskoversicherung für Probefahrten haben. Viele Kunden verlassen sich darauf. Die Realität sieht anders aus: Die Vollkasko ist vielleicht bei Vertragshändlern oder größeren Autohäusern üblich, nicht aber bei den vielen kleinen ”Fähnchenhändlern” mit kleinen Gebrauchtwagenplätzen. Die Händler sind nicht gesetzlich verpflichtet, eine Vollkaskoversicherung abzuschließen.

Die Gerichte gehen grundsätzlich davon aus, dass es bei einer Probefahrt beim Autohändler eine ”stillschweigende Haftungsfreistellung” des Probe fahrenden Kunden gibt. Das bedeutet: Beide Beteiligte einigen sich stillschweigend darauf, dass der Kunde bei einem Unfall nicht haftet. Aber: Die Händler können diese Haftungsfreistellung aufheben, indem sie den Kunden auf den fehlenden Vollkasko-Schutz hinweisen. Dann muss der Kunde nach einem Unfall den Schaden bezahlen.

Was sagen die Gerichte zu Aufklärungspflicht des Händlers?


Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz dürfen sich Kunden eines Autohändlers darauf verlassen, dass das Probefahrzeug eine Vollkaskoversicherung hat. Diese Grundidee stammt vom Bundesgerichtshof, der bereits in den siebziger Jahren so entschieden hat. Neuere BGH-Urteile dazu gibt es nicht.

Das bedeutet laut OLG Koblenz: Wenn das Auto keine Vollkasko hat, muss der Händler dies dem Kunden vor der Probefahrt mitteilen. Fährt der Kunde dann trotzdem, haftet er selbst für Unfallschäden. Wenn der Händler den Kunden nicht über die fehlende Vollkaskoversicherung informiert hat, haftet der Händler (OLG Koblenz, Urteil vom 13.1.2003, Az. 12 U 1360/01).

Fazit Versicherung


Kaufinteressenten sollten sich bei privaten und gewerblichen Verkäufern unbedingt schon vor der Probefahrt darüber informieren, welcher Versicherungsschutz vorhanden ist. Bei Unklarheiten kann man die Verhandlungen auch abbrechen. Übrigens bieten mehrere Versicherungsgesellschaften inzwischen Probefahrt-Versicherungen für unter 10 Euro an, die für einen Tag gelten und die man als Kaufinteressent kurzfristig abschließen kann. Auch so ist eine Absicherung möglich.

Was sind Probefahrt-Vereinbarungen?


Sowohl private als auch gewerbliche Verkäufer und Käufer können eine schriftliche Vereinbarung über die Haftung bei einer Probefahrt treffen. Vordrucke dafür gibt es online. Meist wird darin abgesprochen, welche Person das Fahrzeug fahren darf (mit Führerscheindaten), wie lange die Probefahrt dauern darf, in welchem Zustand das Auto vor der Probefahrt war (Vorschäden) und nicht zuletzt natürlich, wer wofür haftet und wie es versichert ist. Auch eine Kaution kann man vereinbaren. Bei Autohändlern ist dies gerade bei höherwertigen Fahrzeugen heutzutage üblich.
Allerdings ist es in der Praxis sehr fraglich, ob sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung einlässt, die die Haftung des Kaufinteressenten bei einem Unfall ausschließt. Übrigens: Bei Schäden durch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gibt es keinen Haftungsausschluss.

Autodiebstahl bei der Probefahrt


Für den Verkäufer besteht eine wichtige Vorsichtsmaßnahme darin, sich vor der Probefahrt vom Kaufinteressenten den Personalausweis vorlegen zu lassen. Er kann auch den Ausweis oder etwas anderes als Pfand verlangen oder einfach bei der Probefahrt mitfahren. Der Grund: Es kommt gar nicht so selten vor, dass angebliche Probefahrer mit dem Fahrzeug verschwinden.
Zwar deckt eine Teilkaskoversicherung Diebstahl ab. In einer Vollkaskoversicherung ist die Teilkasko eingeschlossen. Aber: Trotzdem kann aus zwei Gründen der Versicherungsschutz entfallen:

Zuerst einmal handelt es sich hier rechtlich gar nicht um einen Diebstahl, sondern um eine Unterschlagung. Der Täter hat das Fahrzeug dem Eigentümer ja nicht gegen dessen Willen entwendet, sondern dieser hat es ihm freiwillig für die Probefahrt anvertraut. Nun ist aber eine Unterschlagung in den meisten Teilkasko-Verträgen nicht versichert. Es kommt also auf den Vertrag an.

Zweitens kann der Versicherungsschutz auch erlöschen oder erheblich reduziert werden, wenn es der Verkäufer dem Täter zu leicht gemacht hat. Beispielsweise gestand das Landgericht Coburg einem Mann keinen Versicherungsschutz zu, dessen Motorrad bei einer Probefahrt unterschlagen worden war (Az. 13 O 717/08). Der Mann hatte dem Interessenten das Bike anvertraut, ohne dessen Personalien festzustellen. Als Pfand hatte er einen Rucksack akzeptiert, in dem sich angeblich Ausweispapiere befanden, der aber tatsächlich leer war.

Was sollte man bei einem Pfand beachten?


Das zurückgelassene Pfand sollte sich natürlich nicht in einem geschlossenen Rucksack befinden. Es sollte dem Wert des angebotenen Fahrzeugs entsprechen. Vor allem sollte es nicht selbst geklaut sein. So ist es eine beliebte Masche von Trickbetrügern, ein gestohlenes Fahrzeug als Pfand anzubieten. So geschehen laut Presseberichten zum Beispiel in Kassel 2014: Der Probefahrer hinterließ ein gestohlenes Motorrad als Pfand, ging mit einem VW Passat auf Probefahrt und kam nicht wieder. Hier hätte der Verkäufer zuerst nach den Fahrzeugschein des Bikes fragen können.

Was sollte man auf der Probefahrt checken?


Schon vor Antritt der Fahrt sollte man auf sichtbare Sicherheitsmängel achten. Zum Beispiel können abgefahrene Reifen oder defekte Beleuchtung nicht nur zu einem Bußgeld für den Fahrer, sondern auch zu einem Unfall führen. Leuchtende Warnlampen mit Symbolen für Motor oder Bremsanlage sollten nicht ignoriert werden.

Über viele Autotypen kann man vorher Infos im Internet einholen: Man findet oft unter den Suchstichworten ”Testbericht”, ”Kaufberatung” oder ”Checkliste” Erfahrungsberichte über kritische Punkte des betreffenden Fahrzeugs, zum Beispiel zu typischen Mängeln, Verschleißteilen oder Roststellen.

Empfehlenswert ist bei der Probefahrt ein Zwischenstopp mit genauer Besichtigung des Fahrzeugs einschließlich Unterboden. Eine Taschenlampe ist dabei hilfreich. Auspuff, Fahrwerk und Unterboden sollte man auf Rost kontrollieren und darauf achten, ob an Motor und Getriebe irgendwo Öl tropft. Auch sollte man alle Türen betätigen und sämtliche elektrischen und elektronischen Funktionen und Schalter prüfen - zum Beispiel Klimaanlage, Sitzverstellung, elektrische Außenspiegel und Schiebedach. Nicht fehlen darf auch ein Blick in den Motorraum. Hier sollte sich ein Zettel der Werkstatt mit dem Datum des letzten Ölwechsels finden. Sind die Stände der Flüssigkeiten (Kühlflüssigkeit, Bremsflüssigkeit, Hydrauliköl) soweit sichtbar im ”grünen Bereich”? Tritt irgendwo Öl oder eine andere Flüssigkeit aus?

Beim Fahren kann man außerdem darauf achten, ob die Lenkung schwammig ist, die Schaltung sauber arbeitet und die Bremse gut wirkt. Bei einer Vollbremsung sollte man immer auf den Verkehr hinter dem Fahrzeug achten! Ungewöhnliche Geräusche können auf Schäden hindeuten. Fahren Sie langsam über kleinere Straßen, dann hören Sie diese besser. Hilfreich ist außerdem ein Gebrauchtwagencheck beim ADAC oder in einer Werkstatt.

Keine Probefahrt ohne gültige Kennzeichen!


Auf keinen Fall sollte man eine Probefahrt ohne Kennzeichen und Zulassung oder womöglich mit schnell daran geschraubten Kennzeichen von einem anderen Auto durchführen. Dann besteht nämlich kein Versicherungsschutz. Fahren ohne Versicherung ist eine Straftat. Hier riskieren Sie nach § 6 Pflichtversicherungsgesetz eine Geldstrafe oder bis zu ein Jahr Freiheitsentzug. Auch Kennzeichenmissbrauch ist strafbar. Nach § 22 Straßenverkehrsgesetz droht hier ebenfalls eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

Praxistipp


Lassen Sie sich als Verkäufer immer den Personalausweis des Käufers zeigen. Allerdings: Profi-Straftäter nutzen oft gefälschte Ausweise. Im Zweifelsfall sollten Sie den Interessenten auf der Probefahrt begleiten. Will dieser ein Pfand hinterlassen, sollte dieses dem Wert des Fahrzeugs entsprechen. Handelt es sich dabei auch um ein Fahrzeug, sollte ein Kfz-Schein (Zulassungsbescheinigung I) vorhanden sein - und zwar mit dem Namen des Probefahrers darauf. Im Fall von Problemen kann ein Fachanwalt für Verkehrsrecht Ihnen mit Rat und Vertretung vor Gericht helfen.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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