Corona: Gutscheine statt Rückerstattung für abgesagte Reisen und Veranstaltungen?

04.08.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Symbole Reisen,Freizeit Corona: Gibt es künftig Gutscheine statt Rückerstattungen für abgesagte Events? © Bu - Anwalt-Suchservice

Für wegen Corona abgesagte Reisen, Veranstaltungen und Flüge wurden verschiedene Lösungen diskutiert, bei denen es keine Rückerstattung, sondern Gutscheine geben sollte. Wie ist der Stand?

Reisen und Veranstaltungen aller Art - von Sport bis zum Musikfestival - leiden ganz besonders unter der Coronakrise. Sie fallen massenweise aus bzw. müssen abgesagt werden. Bei Reisen gibt es ab 15. Juni 2020 erste Normalisierungen - zumindest innerhalb von Europa. Großveranstaltungen wurden jedoch in Deutschland bis 31. August 2020 schlicht verboten. Viele Menschen haben sowohl Reisen als auch Veranstaltungen längst gebucht, denn langfristiges Buchen ist beliebt. Wie ist nun die aktuelle Rechtslage? Müssen Verbraucher auch Gutscheine statt der Rückerstattung akzeptieren?

UPDATE 04.08.2020: Europäische Kommission genehmigt Garantieregelung


Die Bundesregierung hatte im Zuge der Coronakrise eine Garantieregelung in Höhe von 840 Mio. Euro zur Deckung von Reisegutscheinen erlassen. Die Regelung betrifft Gutscheine, die von Reiseveranstaltern für vor dem 8. März 2020 gebuchte und von den Kunden wegen Corona annullierte Pauschalreisen ausgestellt wurden. Diese Garantieregelung wurde nun von der Europäischen Kommission genehmigt.
Soweit deutsches Recht gilt, können alle Kunden von Reiseveranstaltern, die nach der EU-Pauschalreiserichtlinie Anspruch auf Erstattung haben, diese gesicherten Gutscheine in Anspruch nehmen. Dies gilt unabhängig vom Dienstleister. Ziel der Garantieregelung ist es, dass jeder Reisende, der einen von einem Reiseveranstalter ausgestellten Gutschein akzeptiert, diesen entweder verwenden oder eine vollständige Erstattung erhalten kann. Die Gutscheine bleiben bis zum 31. Dezember 2021 gültig. Nimmt der Kunde den Gutschein bis zu diesem Datum nicht in Anspruch, erhält der Kunde den für Reisepreis in voller Höhe erstattet.

Mehr zur EU-Pauschalreiserichtlinie erfahren Sie hier: Neues Reiserecht für Pauschalreisen ab 1. Juli 2018

UPDATE 02.07.2020: Bundestag beschließt Gutscheinlösung


Der Bundestag hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der es den Reiseveranstaltern ermöglicht, ihren Kunden künftig auch Gutscheine anzubieten, wenn eine Pauschalreise wegen des Coronavirus nicht durchgeführt werden kann. Die Kunden haben allerdings ein Wahlrecht: Sie können sich zwischen einer Rückerstattung des gezahlten Reisepreisess oder einem Gutschein entscheiden. Die Gutscheinlösung ist damit nicht verpflichtend. Wichtig: Bei Insolvenz des Reiseveranstalters ist der Gutschein nicht staatlich abgesichert.
Für Verbraucher, die vor dem 8. März 2020 eine Pauschalreise gebucht haben besteht ebenfalls die Möglichkeit, einen Gutschein zu wählen. In diesem Fall ist der Gutschein zusätzlich staatlich gegen eine Pleite des Reiseveranstalters abgesichert. Auch in diesem Fall besteht aber keine Pflicht zur Annahme eines Gutscheins.
Wichtig: Das Gesetz befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren; es ist also noch nicht in Kraft getreten.

Was geschieht im Normalfall bei abgesagten Reisen, Veranstaltungen oder Flügen?


Wird ein Fußballspiel, ein Konzert oder eine andere Veranstaltung durch behördliche Anordnungen abgesagt, gilt eine einfache Regel: Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Leistung des Veranstalters undurchführbar und damit unmöglich geworden, deshalb muss er das Geld für das Ticket zurückzahlen. Dies gilt auch für Saison- oder Jahreskarten, zumindest anteilig für den ausgefallenen Teil der Veranstaltungen. Wird ein Ersatztermin für die Veranstaltung angesetzt, behält das Ticket erst einmal seine Gültigkeit. Hat der Verbraucher jedoch am Ersatztermin keine Zeit, ist der Ticketpreis trotzdem zurückzuerstatten.

Bei Pauschalreisen gibt es eine besondere Regelung. Nach § 651h des Bürgerlichen Gesetzbuches hat der Reisende ein Rücktrittsrecht vor Reiseantritt. Ist die Reise nicht mehr möglich, weil am Reiseort ein "unvorhergesehener, außergewöhnlicher Umstand" eingetreten ist, darf der Veranstalter keine Stornogebühren verlangen.

Ein solcher Umstand kann natürlich sein, dass das Einreiseland coronabedingt seine Grenze schließt oder das Hotel plötzlich in einer Quarantänezone liegt. Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes ist ein starkes Indiz dafür, dass ein solcher Umstand vorliegt. Bis 14.6.2020 machte die weltweite Reisewarnung eine kostenlose Stornierung einfacher. Nach diesem Termin kommt es nun darauf an, was genau die Reise verhindert.
Bei jetzt neu gebuchten Reisen sollte man nicht davon ausgehen, dass es für eine kostenlose Stornierung reicht, voller Überraschung darauf hinzuweisen, dass am Reiseort ein völlig unerwartetes "Coronavirus" ausgebrochen ist. Hier werden eher die - mittlerweile geänderten - Stornobedingungen der Veranstalter zum Tragen kommen.

Für individuell gebuchte Flüge gilt: Sagt die Fluggesellschaft den Flug von sich aus ab, weil zum Beispiel der Zielflughafen gesperrt wurde, muss sie nach EU-Recht den Ticketpreis erstatten. Sagt der Reisende den Flug ab, weil am Reiseziel wegen Corona Einschränkungen bestehen, gelten die Stornobedingungen der Fluggesellschaft.
Natürlich gilt dies nur für Flüge im Geltungsbereich der EU-Fluggastrechte-Verordnung. Also für solche, die in einem EU-Land starten oder die zwar in einem Drittland starten, aber von einer EU-Fluggesellschaft durchgeführt werden und in der EU landen.

Die bisherige Rechtslage besagt in allen genannten Fällen, dass Kunden keinen Gutschein anstatt der Rückerstattung akzeptieren müssen.

Was ist nun das Problem infolge der Coronakrise?


Das Problem ist: Wenn jetzt in einer Zeit, in der eine Vielzahl von Reiseunternehmen und Veranstaltern verschiedenster Art keinen Umsatz macht, jeder Kunde sein Geld zurückfordert, gibt es nach Ende der Krise viele Veranstalter nicht mehr. Diese sind dann schlicht pleite. Für den Verbraucher entfallen damit viele Freizeitangebote - und ganz besonders die preisgünstigen. Außerdem gehen viele Arbeitsplätze verloren. Und obendrein gilt: Geht der Veranstalter pleite, bekommen viele Kunden ihr Geld sowieso nicht zurück. Wie kann man dies alles nun verhindern?

Was sollte sich mit der vorgeschlagenen Gutscheinlösung ändern?


Von der Bundesregierung wurde eine sogenannte Gutscheinlösung vorgeschlagen. Kurz gesagt bedeutete diese, dass Reiseveranstaltern, sonstigen Veranstaltern und auch Fluggesellschaften die Möglichkeit gegeben werden sollte, ihren Kunden statt der Rückzahlung einen Gutschein zu übergeben. Dieser sollte die Kunden dann zum Besuch einer späteren Veranstaltung berechtigen, zur Buchung einer späteren Reise oder zur Buchung eines späteren Fluges.

Wie ist die Rechtslage bei Veranstaltungen?


Für Veranstaltungen und Reisen ist die Rechtslage nun unterschiedlich.

Für Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltungen gilt eine Gutscheinlösung. Das entsprechende Gesetz wurde am 19. Mai 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht und ist am 20. Mai 2020 in Kraft getreten. Im Einzelnen:

Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt wurde oder wird, hat der Veranstalter das Recht, den Ticketinhabern statt einer Rückerstattung des Eintrittspreises auch einen Gutschein zu übergeben.

Voraussetzung ist, dass die Eintrittskarte vor dem 8. März 2020 gekauft wurde.

Der Wert des Gutscheins muss den gesamten Eintrittspreis einschließlich etwaiger Vorverkaufsgebühren umfassen. Für die Ausstellung und Übersendung darf der Veranstalter keine Gebühren verlangen.

Der Inhaber eines solchen Gutscheins kann vom Veranstalter die Auszahlung des Wertes verlangen, wenn
- der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder
- er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.

Eine Unzumutbarkeit kann zum Beispiel vorliegen, wenn der Verbraucher ohne die Rückzahlung nicht mehr in der Lage ist, existentiell wichtige Lebenshaltungskosten (wie Energiekosten oder auch die Miete) zu bezahlen.

Aus dem Gutschein muss hervorgehen, dass dieser wegen der COVID-19-Pandemie ausgestellt wurde. Auch auf die beiden Fälle der Auszahlungspflicht ist hinzuweisen.

Wenn die Eintrittskarte sich auf mehrere Veranstaltungen bezieht, von denen nur ein Teil abgesagt wird (wie eine Dauerkarte für die Fußballspiele einer Saison), darf der Veranstalter für den Wert der abgesagten Spiele einen Gutschein ausstellen.

Veranstaltungs-Gutscheine: Lob und Kritik


Verbraucherschützer kritisieren die Gutscheinlösung als unverzinstes Zwangsdarlehen. Hier werde statt freiwilliger Solidarität nun Zwang ausgeübt. Gehe der Veranstalter in Insolvenz, sei der Verbraucher nicht abgesichert, sondern könne eben seinen Gutschein nicht mehr einlösen und auch nicht nach dem Stichtag ausgezahlt bekommen.

Aus der Veranstalterbranche kommt dagegen Zustimmung. Gerade mittelgroße und kleine Veranstalter zum Beispiel von Konzerten und Festivals würden so eine Atempause bekommen. Mehr sei es ja nicht, da sie ihre Leistung - die Veranstaltung - bis Ende 2021 nachholen müssten, wenn sie nicht doch noch Rückzahlungen vornehmen wollten.

Was gilt für Tickets, die nach dem 8. März gekauft wurden?


Tickets für eine Kultur-, Sport- oder Freizeitveranstaltung, die ab dem 8. März 2020 gekauft wurden, werden von der Gutscheinlösung nicht erfasst. Insoweit gilt hier wieder die "normale" Rechtslage, sodass ein Anspruch auf Rückerstattung besteht, der ggf. mit anwaltlicher Unterstützung durchgesetzt werden muss.

Was gilt für Reisen?


Die Bundesregierung wollte, dass die Gutscheinlösung auch abgesagte Reisen und Flüge umfasst. Aber:
Die EU-Kommission sah trotz der wegen Corona verhängten Maßnahmen und der daraus für Reiseveranstalter und Fluggesellschaften entstehenden wirtschaftlichen Risiken keinen Grund, am Recht der Verbraucher auf Rückerstattung zu rütteln. Wie die Exekutiv Vizepräsidentin der EU-Kommission Margrethe Vestager zuletzt am 13. Mai betonte, lehnt Brüssel die Gutscheinlösung komplett ab. Die Mitgliedsstaaten wurden dementsprechend vorbereitend zu einem Vertragsverletzungsverfahren angeschrieben. Deutschland hat deshalb von seinen Plänen für eine Gutscheinlösung mit Blick auf abgesagte Reisen und Flüge Abstand genommen.

Praxistipp


Wer rechtliche Beratung zum Thema Veranstaltungen und Eintrittsgelder oder auch zur Stornierung von Reisen und Flügen benötigt, sollte sich an einen Rechtsanwalt für Zivilrecht wenden. Dieser kann den Einzelfall auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage im Hinblick auf das Coronavirus prüfen und ein Vorgehen empfehlen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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