Nackt Joggen ist kein Bürgerrecht!

18.06.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Joggen,Nacktjoggen,Bußgeld,öffentliche Ordnung Auch bei Hitze gilt: Sportbekleidung beim Joggen erspart Ärger. © - freepik

Menschen- und Bürgerrechte sind heute in aller Munde. Besonders, wenn jemand etwas nicht darf, was er gern möchte. Nicht immer ist das aber gleich ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Auch nicht bei Hitze.

Bürgerrechte sind grundlegende Rechte, die dem Bürger eines Staates gegenüber diesem Staat zustehen. Man muss sie von den Menschenrechten unterscheiden, die allen Menschen zustehen, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit. Beide bezeichnet man als Grundrechte. Zu den Bürgerrechten zählen beispielsweise das Wahlrecht und das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden.

Fall: Joggen im Park


Ein Mann aus Freiburg berief sich auf ein ganz besonders Bürgerrecht. Ihm lag das Joggen am Herzen - allerdings hatte er eine gewisse Abneigung gegen die übliche Sportbekleidung. Der 55-jährige Diplom-Psychologe war schon mehrfach aufgefallen, weil er in der Öffentlichkeit unbekleidet gejoggt hatte. Dies tat er auch an einem warmen Sommerabend in einem Naherholungsgebiet mit Grill- und Spielplätzen.

Dort begegnete der nur mit Socken und Turnschuhen bekleidete Mann zwei Studentinnen. Diese ergriffen die Flucht und riefen die Polizei. Diese sammelte ihn umgehend ein – was nicht zum ersten Mal passierte. Vom Amtsgericht Freiburg wurde er zu 600 Euro Geldbuße verurteilt. Nacktes Joggen sei eine grob ungehörige Handlung, so das Gericht. Dies wollte der Mann nicht einsehen. Er legte Beschwerde beim OLG Karlsruhe ein.

Sind hier die Bürgerrechte in Gefahr?


Als Begründung trug er vor, dass es sein Bürgerrecht sei, unbekleidet in der Öffentlichkeit sportliche Aktivitäten durchzuführen. Allerdings sahen dies auch die Richter in Karlsruhe ebenso wenig ein, wie die Vorinstanz. Im Gegenteil waren sie der Ansicht, dass ein unbekleideter Waldlauf in einem Naherholungsgebiet in deutlichem Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung stehe. Es handle sich um eine grobe Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Bürgern. Daher kam der Mann nicht um die Bezahlung seiner Geldbuße herum (Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 29. Juni 2004, Az. 2 Ss 73/04).

Fall: Die strategische Nylonsocke


2002 beschäftigte ein weiterer Fall von Nacktjogging die Gerichte. Auch dieser spielte in Freiburg. Ob es sich hier um den gleichen Freiluftfan handelte, ist nicht feststellbar und bleibt den Mutmaßungen überlassen.

Hier musste sich nun sogar der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg mit dem Fall beschäftigen. Zentrale Frage war, ob ein Mann auch dann "nackt" ist, wenn er sich eine Nylonsocke über den entscheidenden Körperteil zieht.

Darüber hinaus verteidigte sich der Mann nicht mit einem Verweis auf seine Bürgerrechte, sondern mit dem Versuch, einen Freund als Alibi-Geber für den fraglichen Zeitraum heranzuziehen. Dies misslang jedoch, da ihn die Zeugin bereits aus vorangegangen Verfahren gut kannte und einwandfrei identifizierte - ihre tägliche Hunde-Gassi-Strecke überschnitt sich wohl mit seiner Jogging-Route. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

Nun wurde es für den Mann teuer. Denn: Ihm war schon mehrfach ein behördliches Zwangsgeld angedroht worden, wenn er sein Verhalten nicht einstellte. Da er dies nicht tat, wurde das angedrohte Zwangsgeld immer höher. Am Ende musste er 2.000 Euro für seine Uneinsichtigkeit zahlen. Auch die Verfahrenskosten hatte er zu tragen (Beschluß vom 3.9.2002, Az. 1 S 972/02).

Alternative: Nackt Rad fahren?


Nein, auch das geht nicht. So sah es zumindest das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Dieses verbot 2005 eine behördlich angemeldete "Nacktradel-Aktion" zum "Welt-Nacktradeltag". Auch hier sah das Gericht eine Belästigung anderer Leute und (da die Aktion auf verkehrsreichen Straßen stattfinden sollte) auch eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung (Beschluss vom 2.6.2005, Az. 6 K 1058/05).

Praxistipp


Nacktjoggen ist kein Bürgerrecht – und was schön ist, liegt immer im Auge des Betrachters. Manchmal kann auch ein noch so guter Anwalt für Verwaltungsrecht nicht mehr helfen. Bei den üblicheren Streitigkeiten mit Behörden allerdings schon.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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