Nackt Sonnen auf dem Balkon: Erlaubt oder nicht?

30.06.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (9929 mal gelesen)
Frau,nackt,Balkon,Sonne,Kaffee,Duschen Ist es erlaubt, sich nackt auf dem Balkon zu sonnen? © - freepik

Viele von uns möchten im Sommer jeden Sonnenstrahl nutzen und wünschen sich nahtlose Bräune. Was im FKK-Bad erlaubt ist, muss doch auch auf dem eigenen Balkon erlaubt sein – oder nicht?

In der Öffentlichkeit ist Nacktheit nur auf besonders dafür ausgewiesenen Plätzen erlaubt. Nun kann einem natürlich niemand in den eigenen vier Wänden eine Kleiderordnung vorschreiben. Aber: Balkone und Terrassen können meist von anderen Menschen – Nachbarn oder Passanten – eingesehen werden. Diese freuen sich oft nicht unbedingt über den Anblick unbekleideter, nackter Sonnenanbeter. Es soll jedoch auch schon Nackedeis gegeben haben, die ihre Nachbarn auf Unterlassung verklagten, weil sie sich von diesen beobachtet fühlten.

Müssen die Nachbarn nacktes Sonnen hinnehmen?


Vor Gericht gilt nacktes Sonnenbaden auf dem eigenen Balkon meist als nicht besonders schlimm. Nach Ansicht der Gerichte müssen die Nachbarn so etwas in der Regel hinnehmen. Sogar der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach juristischen Schritten gegen sogenannte "ästhetische Immissionen" – also einen unerwünschten Anblick auf dem Nachbargrundstück – Absagen erteilt. Allerdings ging es in diesen Fällen nicht um nacktes Sonnen, sondern zum Beispiel um das Kommen und Gehen bei einem Bordellbetrieb (Az. V ZR 172/84) oder um hässliche Blechwände (Az. V ZR 83/73).

Einschlägiger ist ein Urteil des Amtsgerichts Merzig. In diesem Fall ging es um eine Mieterin, die die Angewohnheit hatte, sich nackt im Garten zu sonnen. Aber: Ihr Vermieter mit Familie wohnte im gleichen Haus. In dem kleinen Dorf erhitze ihr nacktes Sonnenbaden schnell die Gemüter und sorgte für Gesprächsstoff. Dann kam vom Vermieter die Kündigung – allerdings gab es dafür noch weitere Gründe. Das Gericht betrachtete die Kündigung jedoch als unwirksam: Was die Grundstücksnachbarn denken oder nicht denken würden, habe mit dem Mietvertrag nichts zu tun. Dieser gelte nun einmal nur zwischen Vermieter und Mieter. Das textilfreie Sonnen habe daher keine Wirkung auf das Mietverhältnis (Urteil vom 5.8.2005, Az. 23 C 1282/04).

Nach der Sauna nackt im Garten - erlaubt?


In Dortmund erregten sich die Gemüter an einem Mann, der die Angewohnheit hatte, einmal wöchentlich nach dem Saunagang unbekleidet in seinem Garten herumzuspazieren. Ein Nachbar wollte sich mit diesem Anblick nicht abfinden. Das Landgericht stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass der Nachbar dies hinnehmen müsse (5.7.2016, Az. 1 S 13/16).
Denn: Der nackte Saunafreund war tatsächlich nur von einem bestimmten Fenster im Obergeschoss und von einem bestimmten Winkel aus durch das Küchenfenster des Nachbarhauses zu sehen. Der Nachbar hätte also schlicht und einfach nicht hinsehen müssen. In zweiter Instanz nahm dieser die Klage zurück. Der Saunafreund verkaufte später sein Haus und zog in eine tolerantere Nachbarschaft.

Ist Sex auf der einsehbaren Terrasse erlaubt?


Ärger im Mietverhältnis kann es auch geben, wenn Mieter oder Mieterin sich nicht nur nackt Sonnen, sondern auch ihre Liebestriebe nicht zügeln können. Das Amtsgericht Bonn gab einem Vermieter recht, der eine Mieterin abgemahnt hatte. Diese hatte auf einer einsehbaren Terrasse vor den Augen von Nachbarn und in Sichtweite eines Kinderspielplatzes mit einem Freund Sex gehabt. Das Gericht sah dies als eine nachhaltige Störung des Hausfriedens an. Der Vermieter habe die Frau zu Recht abgemahnt. Im Mietverhältnis sei das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu beachten. Dies sei hier verletzt worden. Das Gericht ordnete jedoch an, dass die Nachbarn der Mieterin die Beweisfotos herausgeben mussten (AG Bonn, Urteil vom 17. Mai 2006, Az. 8 C 209/05).

Wann liegt eine Erregung öffentlichen Ärgernisses vor?


Die Erregung öffentlichen Ärgernisses ist ein Straftatbestand. Dieser ist bei Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit in der Regel erfüllt - im Gegensatz zum nackten Sonnen. Man muss davon jedoch die sogenannten "Exhibitionistischen Handlungen" unterscheiden. Faustregel: Sexuelle Betätigungen aller Art sollten in Bereichen, die andere einsehen können, generell unterbleiben – damit kann man sich strafbar machen.
Für die Erregung öffentlichen Ärgernisses riskiert man eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe (§ 183a StGB).

Bei den exhibitionistischen Handlungen geht es eher um das Zeigen des männlichen Geschlechtsorgans ohne Einverständnis des Gegenübers, mit oder ohne Masturbation. Nach § 183 Strafgesetzbuch (StGB) können exhibitionistische Handlungen mit der gleichen Strafe wie die Erregung öffentlichen Ärgernisses geahndet werden.

Sex im Erlebnisbad: Strafbar?


2015 bestätigte das Landgericht Augsburg die amtsgerichtliche Verurteilung von zwei jungen Leuten wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Diese hatten in der "Erlebnisgrotte" einer örtlichen Schwimm-Therme mehrere Minuten lang geschlechtsverkehrähnliche Handlungen vollzogen. Badegäste und zwei Bademeister hatten dies beobachtet. Hier handelte es sich ebenfalls um eine Erregung öffentlichen Ärgernisses, und es kam das Jugendstrafrecht zur Anwendung. Während die junge Frau einen Freizeitarrest und eine Arbeitsauflage von 32 Stunden aufgebrummt bekam, musste der Mann zwei Wochen lang in Dauerarrest. Dabei spielte jedoch wohl auch besonders renitentes Verhalten gegenüber dem Gericht eine gewisse Rolle (LG Augsburg, Urteil vom 19.8.2015, Az. JNs 404 Js 104801/15).

Nackt in der eigenen Wohnung: Ist kurzes Hinschauen erlaubt?


Vor dem Oberlandesgericht München wurde ein Fall verhandelt, bei dem die Empörung von einem Wohnungseigentümer selbst ausging, der sich zwar nicht nackt sonnte, sich aber gerne nackt in seiner Wohnung und auf seiner Terrasse bewegte. Der Mann war Eigentümer einer Erdgeschosswohnung und hatte sich darüber beschwert, dass andere Eigentümer aus der Wohnanlage sowie deren Besucher eine direkt an seine Terrasse grenzende gemeinschaftliche Gartenfläche als Durchgang verwendeten. Dabei schauten sie auch in seinen Garten und sogar in seine Wohnung. Ihm hätten auch schon Kinder Grimassen geschnitten.

Hier entschieden die Richter: Vorbeilaufen ist in Ordnung, Hineinschauen und Provozieren nicht. Zwar hätte der Kläger beim Kauf der Wohnung gewusst, dass vor seiner Terrasse eine allgemein zugängliche Grünfläche lag. Daher könne er nicht verlangen, dass eine einfache Nutzung dieser Fläche verboten werde. Es sei jedoch etwas anderes, wenn Personen vom Garten aus gezielt in die Erdgeschosswohnung schauten, um sich über die Nacktheit des Bewohners zu amüsieren. Gaffen sei ein Eingriff in das Eigentum und habe zu unterbleiben (Urteil vom 27.9.2005, Az. 32 Wx 65/05).

Dies gilt in besonderem Maße auch für das Fotografieren und das Filmen: Wer in einen gegen Einblicke geschützten Raum hinein fotografiert (zum Beispiel einen von Hecken umschlossenen Garten) macht sich strafbar nach § 201a StGB wegen einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Dafür droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Praxistipp zum nackt Sonnen


Auch beim nackten Sonnenbaden auf dem Balkon und ähnlichen Vorlieben empfiehlt es sich, Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen. Wenn es trotz allem zum Streit mit Nachbarn oder Vermieter kommt, kann Sie ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt kompetent beraten. Nach einer Strafanzeige führt der richtige Weg zu einem Fachanwalt für Strafrecht.

(Bu)


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