Darf ein Pilot die Beförderung kranker oder betrunkener Fluggäste ablehnen?

24.10.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Fluggast,Alkohol,krank,Flugkapitän,Verweigerung Im Flugzeug hat der Pilot das Sagen - auch bei Kranken oder Betrunkenen. © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Alkoholisierte Fluggäste: Wenn die Beförderung von kranken oder betrunkenen Fluggästen gegen Luftfahrtvorschriften verstößt, hat der Pilot das Recht, die Beförderung abzulehnen.

2. Kranke, nicht ansteckende Fluggäste: Flugkapitäne dürfen Passagiere mit bestimmten Erkrankungen ablehnen, wenn es die Regeln der Fluggesellschaft so bestimmen - so z.B. bei frischen Knochenbrüchen.

3. Kranke, ansteckende Fluggäste: Gefährdet die Anwesenheit eines Fluggastes die Crew oder andere Passagiere durch eine ansteckende Krankheit, kann der Pilot dessen Beförderung ablehnen. Er ist dabei nicht an eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung gebunden.
Während der Reisezeit und auch noch in der Nachsaison steigen an den Flughäfen in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, Düsseldorf oder anderswo täglich Tausende von Urlaubern in die Flieger, um die schönste Zeit des Jahres am Urlaubsort ihrer Wahl zu verbringen. Was passiert aber, wenn ein Passagier krank oder so betrunken ist, dass er an Bord des Flugzeugs für Ärger sorgt? Und was gilt, wenn man sich im Urlaub verletzt oder man erkrankt und die Airline einen als nicht flugtauglich ansieht?

Ein Dauerproblem: Alkoholisierte Fluggäste


Menschen schauen aus vielen unterschiedlichen Gründen vor einem Flug zu tief ins Glas. So mancher versucht so, seine Flugangst zu "betäuben". Andere haben vor dem Flug allzu intensiv Abschied gefeiert, und die Dritten möchten sich schon mal auf zwei Wochen Party am Ballermann einstimmen. Alles eigentlich kein Problem. Nur: Nicht immer macht der Alkohol die Betreffenden nur heiter und beschwingt. Jeder reagiert darauf unterschiedlich, und mancher kennt seine Grenzen nicht. Mit zunehmendem Pegel auch durch weitere Getränke an Bord werden viele Flugreisende reizbar und aggressiv oder sorgen mit Streit und Randale für Stress in der Flugzeugkabine. Dann stellt sich für das Bordpersonal die Frage: Was tun mit dem Störenfried?

Darf ein Pilot die Beförderung eines betrunkenen Fluggastes ablehnen?


Diese Frage beantwortete die Crew einer Maschine nach Riga mit einem klaren: "Nicht mit uns!" Auf diesem Flug hatte ein Passagier ungefragt und gegen den Willen der Flugbegleiter die Sitzplätze gewechselt und sich größere Mengen eines im Duty-Free-Bereich gekauften Wodkas einverleibt. Auf den Versuch einer Flugbegleiterin, ihm die Flasche wegzunehmen, reagierte er recht unwirsch. Er weigerte sich, sein Getränk herzugeben. Als die Maschine in Riga landete, rief die Crew die Polizei. Diese verfrachtete ihn unsanft in eine Ausnüchterungszelle, wo er die Nacht verbringen durfte. Seinen Anschlussflug verpasste er.

Später klagte dieser Flugpassagier vor dem Amtsgericht Wedding auf Schadensersatz für einen Ersatzflug und die erforderlichen Hotelkosten und zusätzlich auf Schmerzensgeld wegen der Behandlung durch die Polizei. Seine Klage war jedoch erfolglos. Die Berliner Richter betonten, dass in der Luft der Flugzeugführer - also der Flugkapitän - der Träger luftpolizeilicher Hoheitsgewalt sei. Dies ergebe sich auch aus § 12 des Luftsicherheitsgesetzes. Es stünde dem Flugkapitän daher frei, störende Fluggäste – so wie hier den alkoholisierten Kläger – vom Weiterflug auszuschließen. Der Pilot könne von diesem Recht auch Gebrauch machen bei Lärmstörungen wegen Trunkenheit, Rauchen oder der Weigerung, seinen Sitzplatz einzunehmen und sich anzuschnallen, etwa bei Turbulenzen, aber auch bei lautstarken Streitigkeiten unter Flugreisenden.

Darüber hinaus stellte das Gericht klar, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn Flugbegleiterinnen von alkoholisierten Fluggästen die Herausgabe von Flaschen mit hochprozentigem Inhalt verlangten. Befolge der Fluggast diese Anweisung nicht, so dürfe ihm die Stewardess die Flasche wegnehmen. Der Kläger könne auch keine Ansprüche gegen die Fluggesellschaft geltend machen, weil die Polizei ihn grob behandelt und ihm kein Abendessen gegeben habe. Letztendlich hatte der alkoholisierte Fluggast hier keinerlei Anspruch auf Schadensersatz (Urteil vom 12.8.2013, Az. 18 C 181/13).

Das Landgericht Berlin bestätigte in der Berufung das Urteil des Amtsgerichts (Urteil vom 8.9.2014, Az. 84 S 105/13).

Darf ein Flugkapitän einen betrunkenen Fluggast fesseln lassen?


In manchen Fällen musste wegen eines betrunkenen Passagiers sogar eine Zwischenlandung eingelegt werden. Dann muss der Fluggast damit rechnen, dass ihm die Kosten auferlegt werden. Dies kann sehr teuer werden, und auch eine Anzeige bei der Polizei ist in diesem Fall sehr wahrscheinlich.

Zur Selbsthilfe griffen Passagiere an Bord eines Flugzeugs der russischen Airline S7. Trotz der Ankündigung des Flugkapitäns, wegen eines betrunkenen und pöbelnden Passagiers eine Zwischenlandung in der Mongolei einzulegen, taten sich einige Passagiere zusammen und fesselten den Randalierer mit Gürteln und Klebeband.

Wenn ein solches Vorgehen von der Flugzeugbesatzung durchgeführt wird, ist es übrigens völlig legal: Gemäß § 12 Abs. 2 Luftsicherheitsgesetz darf der Flugkapitän bzw. Pilot Passagiere auch fesseln, wenn die Annahme besteht, dass diese sonst Personen verletzen oder Sachen beschädigen werden. Ausdrücklich erlaubt ist auch das Sicherstellen von Gegenständen.

Darf ein Pilot die Beförderung eines Fluggast mit Knochenbruch verweigern?


Die Beförderung an Bord eines Flugzeuges darf aber nicht nur betrunkenen oder aufsässigen Passagieren verweigert werden. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Amtsgerichts Hannover. Der Pilot hatte die Mitnahme eines Mädchens verweigert, das sich am Vortag des Fluges das Schlüsselbein gebrochen hatte. Diese Entscheidung sah das Gericht als rechtmäßig an. Als verantwortlicher Luftfahrzeugführer müsse der Flugkapitän für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord des Flugzeugs sorgen, mit allen dafür erforderlichen Maßnahmen.

Hier hatte ein Arzt dem Mädchen eine "Fit-for-Fly-Bescheinigung" ausgestellt. Dem Gericht zufolge ist der Flugkapitän daran jedoch nicht gebunden. Laut Erste-Hilfe-Handbuch der Fluggesellschaft war eine Mitnahme im Flugzeug innerhalb der ersten 24 Stunden nach einem Knochenbruch nicht erlaubt. Der Flugkapitän habe seinen Beurteilungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten. Daher wies das Gericht die Klage auf Schadensersatz für die entstandenen Mehrkosten (Unterbringung, Flug) ab (17.2.2015, Az. 454 C 1164/14).

Dürfen Piloten die Beförderung von Flugpassagieren mit ansteckenden Krankheiten verweigern?


Der Flugkapitän kann auch hier sein Veto einlegen und die Mitnahme der kranken Person verweigern, um die Sicherheit der anderen Passagiere und der Crew zu gewährleisten. Handelt es sich um eine nicht ansteckende Krankheit mit auffälligen Symptomen, wie etwa Flecken im Gesicht, kann eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung helfen. Der Flugkapitän ist daran jedoch nicht gebunden.

Praxistipp zur Beförderung kranker oder alkoholisierter Fluggäste


Kranke oder alkoholisierte Fluggäste muss ein Flugkapitän nicht befördern. Schließlich hat er die Aufgabe, im Flugzeug für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme sind nicht allzu hoch anzusetzen. Daher sollte man als Fluggast lieber kein Risiko eingehen, auf übermäßigen Alkoholkonsum verzichten und sich im Falle einer Krankheit vorher bei der Fluglinie informieren, ob eine Mitnahme möglich ist. Im Streitfall hilft ein Rechtsanwalt, der sich schwerpunktmäßig mit dem Reiserecht beschäftigt.

(Bu)


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 Stephan Buch
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