Steinschlag durch den „Vordermann“: Wer haftet?

13.03.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (44121 mal gelesen)
Auto mit defekter Scheibe Frontscheibe durch Steinschlag zerstört: Was zahlt für den Schaden? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Haftung: Der den Steinschlag verursachende Verkehrsteilnehmer haftet grundsätzlich. Es sei denn, es handelt sich um ein sog. unabwendbares Ereignis.

2. Unabwendbares Ereignis: Bei Steinschlägen geht man von einem unabwendbaren Ereignis zumeist dann aus, wenn der Stein lediglich durch ein Rad des vorausfahrenden Fahrzeugs hochgeschleudert wurde.

3. Schadensersatz: Schadensersatz vom Vorausfahrenden kann der Geschädigte insbesondere dann verlangen, wenn der Steinschlag kein unabwendbares Ereignis war, also z.B. durch technische Mängel am Fahrzeug oder eine mangelhafte fixierte Ladung verursacht wurde.

4. Versicherung: Kann der Vorausfahrende nicht für den Schaden haftbar gemacht werden, übernimmt die eigene KfZ-Kaskoversicherung des Geschädigten in der Regel die Kosten.
Ein Steinschlag in der Windschutzscheibe ist immer eine ärgerliche Sache. Auch ein kleiner Schaden kann sich hier ausweiten und zu einer Gefahr für die Fahrzeuginsassen werden. Womöglich sorgt ein nicht reparierter Schaden dann bei der nächsten Hauptuntersuchung für Probleme. Ist ein Austausch der Scheibe erforderlich, wird dies teuer. Es ist jedoch nicht unbedingt gesagt, dass der vorausfahrende Fahrer ohne weiteres für den Schaden haftet.

Ist der Vorausfahrende immer Schuld am Steinschlag?


Es kann unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten zu einer Haftung des Vorausfahrenden kommen: Zuerst, wenn dieser durch sein Fehlverhalten tatsächlich die Schuld am Steinschlag trägt. Dies kann zum Beispiel bei ungenügender Ladungssicherung bei einem Kieslaster der Fall sein. Die zweite Möglichkeit ist eine Haftung aufgrund der sogenannten Betriebsgefahr des vorderen Fahrzeugs. Denn schon dadurch, dass man mit einem Auto am Straßenverkehr teilnimmt (= es im Straßenverkehr betreibt), schafft man für andere Verkehrsteilnehmer eine Gefahr – vollkommen ohne irgendein Verschulden. Dies nennt man die Betriebsgefahr, und sie kann ebenfalls eine Haftungsgrundlage sein.
Will man als Geschädigter Schadensersatz zum Beispiel für eine beschädigte Windschutzscheibe verlangen, muss man grundsätzlich erst einmal beweisen, dass der Schaden auf einem Steinschlag beruhte und dass dieser vom vorausfahrenden Fahrzeug des Beklagten ausging.

Wer muss bei einem Steinschlag was beweisen?


Die Gerichte setzen beim Thema Beweisführung unterschiedlich strenge Maßstäbe an. So verzichtete zum Beispiel das Landgericht Heidelberg auf einen Beweis für die genaue Art und Weise der Schadensverursachung. Die Klägerin hatte in diesem Fall beweisen können, dass der LKW des Beklagten mit einer Ladung Kies vor ihr her gefahren war, als ein Stein ihre Autoscheibe beschädigte (Urteil vom 21. Oktober 2011, Az. 5 S 30/11). Das Amtsgericht Brandenburg hingegen verlangte einen genauen Beweis, auf welche Weise es durch einen vorausfahrenden LKW (mit ungesicherter Steinladung) zu dem Steinschlag gekommen war (Urteil vom 18.07.2014, Az. 31 C 147/12).

Einen zweifelsfreien Beweis dafür, dass die Schäden durch Steinschläge ausgehend vom Vordermann verursacht worden seien, forderte auch das Landgericht Coburg. Hier ging es ebenfalls um einen Kieslaster. Der Kläger hatte jedoch 14 Tage gewartet, bis er den Schaden von einem Privatsachverständigen untersuchen ließ. Dessen Gutachten zu den Schäden konnte ein gerichtlich bestellter Sachverständiger zum Teil nicht bestätigen. Beide Gutachter beriefen sich darauf, dass man nach 14 Tagen kaum noch feststellen könne, wie alt ein Steinschlag sei. Das Gericht wies die Klage ab, da nicht nachweisbar war, ob es sich um neue oder alte Steinschläge handelte (Urteil vom 23.12.2014, Az. 22 O 306/13).

Bei einer Haftung ohne Verschulden aufgrund der Betriebsgefahr eines Fahrzeugs gilt: Hat der Geschädigte die erforderlichen Beweise erbracht, kann sich der Beklagte immer noch entlasten, indem er seinerseits beweist, dass der Schadensfall für ihn ein unabwendbares Ereignis war.

Wann ist ein Steinschlag ein unabwendbares Ereignis?


War der Steinschlag für den Schädiger ein unabwendbares Ereignis, haftet dieser nicht. Dieser Fall ist in § 17 Absatz 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) geregelt. Allerdings darf der Schaden auch nicht durch technische Mängel des Fahrzeuges oder seiner Vorrichtungen verursacht worden sein. Der Fahrer wie auch der Fahrzeughalter müssen jede erdenkliche Sorgfalt beachtet haben.

Bei Steinschlägen etwa in der Windschutzscheibe geht man von einem unabwendbaren Ereignis meist dann aus, wenn der Stein lediglich durch die Reifen des vorausfahrenden Fahrzeugs hochgeschleudert wurde und nicht zum Beispiel von dessen Ladefläche gefallen ist. Entsprechend haben auch die Gerichte in den oben zitierten Urteilen entschieden, sowie das Amtsgericht Düsseldorf am 16. Juli 2012 (Az. 41 C 3509/11).

Nachgewiesen werden kann so ein unabwendbares Ereignis zum Beispiel durch ein Gutachten, dem zufolge der Stein bei seinem Flugwinkel nur von den Reifen und nicht von der Ladung kommen konnte. So lässt sich eine Haftung wegen der Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeuges unter Umständen vermeiden (AG Brandenburg, Az. 31 C 147/12).

Wann kann man Schadensersatz für einen Steinschlag fordern?


Gute Aussichten auf Schadensersatz bestehen besonders dann, wenn der Stein nicht nur durch die Räder des anderen Fahrzeugs hochgewirbelt wurde. Am besten sollte der Hergang beweisbar sein, etwa durch Zeugen, Fotos oder Gutachten. Eine Klage hat also meist Chancen, wenn ein LKW ungesicherte Ladung verloren hat. Es kommt dabei jedoch sehr stark auf den Einzelfall und die vorhandenen Beweismittel an. Nur eine Beratung beim Rechtsanwalt kann klären, ob in Ihrem konkreten Fall Aussicht auf Erfolg besteht.

Wie verhält man sich nach einem Steinschlag?


Erst einmal gilt: Ruhe bewahren. Wenn es sich nur um einen kleinen Steinschlag in der Windschutzscheibe handelt, der die Sicht des Fahrers nicht beeinträchtigt, kann man weiterfahren. Problematischer sind große Steinschläge, welche die Sicht beeinträchtigen oder womöglich die Scheibe springen lassen. In einem solchen Fall sollte man so bald wie möglich anhalten und das Fahrzeug sicher vom ADAC oder einem anderen Abschleppdienst in eine Werkstatt bringen lassen.

Welche Folgen drohen bei einem nicht reparierten Steinschlag?


Auch kleinere Schäden an der Windschutzscheibe sollte man auf Dauer reparieren lassen. Diese können sich nämlich ausweiten, etwa durch Vibrationen und Schlaglöcher. Dann werden sie schnell zu einem Sicherheitsrisiko für die Fahrzeuginsassen. Wenn eine Scheibe während der Fahrt bricht, ist dies eine ernste Gefahr. Hinzu kommt: Bei der Hauptuntersuchung können Schäden an der Windschutzscheibe, die zu einer Bruchgefahr führen, bemängelt werden. Dies gilt auch für kleine Steinschläge im Sichtfeld des Fahrers. Bei modernen Autos zählt die Windschutzscheibe zur tragenden Struktur des Fahrzeugs.

Frontscheibe nach Steinschlag: kompletter Austausch oder Reparatur?


Es gibt zwei Methoden der Schadensbeseitigung: Kleine Schäden, die nicht im Gesichtsfeld liegen, lassen sich oft mit Kunstharz verfüllen. Das Harz wird mit UV-Licht gehärtet und poliert. Vom Schaden ist anschließend kaum noch etwas zu sehen. Die Kosten betragen im Durchschnitt ca. 80 bis 125 Euro. Manche Betriebe haben sich auf kleine Steinschläge spezialisiert. Eine solche Reparatur ist jedoch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich.

Die Faustregel: Der Schaden darf nicht größer sein als eine Zwei-Euro-Münze und muss auf allen Seiten mehr als zehn Zentimeter von der Glaskante entfernt sein. Bei größeren Schäden und Sprüngen kommt man um einen Austausch der Windschutzscheibe nicht herum. Bei ihrem Ausbau kommt es oft durch die Verwendung von Schneiddraht zu Beschädigungen des Lacks am Scheibenrahmen. Wenn hier keine fachgerechte Neulackierung mit Rostvorsorge durchgeführt wird, ist eine undichte Windschutzscheibe durch Rost im Rahmen vorprogrammiert. Wasser kann dann in den Innenraum eindringen, Schimmel verursachen und auch Steuergeräte und Fahrzeugelektronik beschädigen.

Welche Versicherung zahlt bei einem Steinschlag?


Wenn der Vorausfahrende nicht für den Schaden haftbar gemacht werden kann, übernimmt die eigene Kfz-Kaskoversicherung des Geschädigten in der Regel die Kosten. Glasschäden durch Steinschläge sind von der Voll- und der Teilkaskoversicherung abgedeckt. Ist die vorhandene Scheibe noch zu reparieren, verzichten viele Versicherungen sogar auf eine Anrechnung des Selbstbehalts. Der Kunde muss nur beim Austausch der Windschutzscheibe die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung aus eigener Tasche bezahlen.
Wer nur eine Kfz-Haftpflichtversicherung hat, muss den gesamten Schaden selbst tragen.

Praxistipp zum Schaden nach Steinschlag


Hat Ihr Auto durch ein vorausfahrendes Fahrzeug einen Steinschlagschaden erlitten, sollten Sie sich durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten lassen. Dieser kann am besten beurteilen, ob eine Klage auf Schadensersatz in Ihrem konkreten Fall Sinn macht.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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