Wohnungskauf – Grundwissen Eigentümergemeinschaft

11.09.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Mehrfamilienhaus Wer Eigentümer wird, sollte sich rechtzeitig über Rechte und Pflichten informieren. © Bu - Anwalt-Suchservice

Viele Wohnungskäufer machen sich keine Gedanken darüber, dass sie mit dem Kauf einer Eigentumswohnung einer Eigentümergemeinschaft beitreten. Deren Spielregeln sind durchaus kompliziert.

Bei einem Mehrfamilienhaus oder einer Wohnanlage wird die Gesamtheit der Wohnungseigentümer auch als Wohnungseigentümergemeinschaft bezeichnet. Mitglieder sind alle, die als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind. Seit 2007 ist die Eigentümergemeinschaft in einigen Bereichen ihrer Aktivitäten als rechtsfähig anerkannt. Damit kann sie – wie ein Unternehmen oder eine Einzelperson – Ansprüche geltend machen, Verträge abschließen und vor Gericht prozessieren. Zum Beispiel kann sie also einen Hausmeisterdienst mit der Pflege der Gartenanlagen beauftragen, einen Handwerker mit Reparaturen betrauen oder gegen einen Miteigentümer auf Zahlung ausstehender Nebenkostenbeträge („Hausgeld“) vor Gericht klagen. Die Entscheidungen der Eigentümergemeinschaft fallen im Rahmen regelmäßiger Eigentümerversammlungen. Im November 2020 werden voraussichtlich erhebliche Änderungen der rechtlichen Spielregeln in Kraft treten.

Wer macht die Regeln?


Im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) findet man die besonderen gesetzlichen Regeln für Eigentümergemeinschaften. Dabei geht es zum Beispiel um die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung sowie um die Rechte und Pflichten der Eigentümer. Das WEG erlaubt den Eigentümern, in gewissem Rahmen eigene Regeln zu machen, die dann in einer Gemeinschaftsordnung niedergelegt werden. Trotzdem gibt es Punkte, die vom Gesetz verbindlich geregelt werden und von denen man nicht abweichen darf.

Die sogenannte Teilungserklärung ist eine weitere wichtige Grundlage der Gemeinschaft. Darin legt der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks die Aufteilung in Gemeinschafts- und Sondereigentum, die Höhe der Miteigentumsanteile und den Umfang von Sondernutzungsrechten an bestimmten Flächen fest. Vor dem Kauf einer Eigentumswohnung sollte man sich unbedingt mit dem Inhalt von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung beschäftigen. Empfehlenswert ist auch eine Einsichtnahme in die letzten Protokolle der Eigentümerversammlung beim Verwalter. Denn darin können durchaus Beschlüsse stehen, die erhebliche finanzielle Folgen für alle Eigentümer haben.

Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum


Als Sondereigentum bezeichnet man den Teil eines Gebäudes, der tatsächlich dem einzelnen Eigentümer gehört. Dazu gehört in erster Linie seine Wohnung sowie alles, was dort so eingebaut ist, dass man es ohne weiteres entfernen könnte, ohne das Gebäude irgendwie zu beeinträchtigen. Dies sind beispielsweise Heizungs- und Sanitärinstallationen oder Rohrleitungen und Stromleitungen von der Abzweigung in die jeweilige Wohnung an.
Das Gemeinschaftseigentum gehört allen Miteigentümern gemeinsam im Rahmen ihrer Miteigentumsanteile. Zu ihm gehören etwa tragende Wände, Dach, Fenster, Eingangstüren, Aufzüge und zentrale Haustechnik wie die Heizanlage, aber auch die Gemeinschaftsflächen in Dachboden, Keller und Treppenhaus.

Worüber entscheidet die Eigentümerversammlung?


Einmal im Jahr beruft der Verwalter die Eigentümerversammlung ein. Er führt auch den Vorsitz. Die Versammlung entscheidet über alle Belange im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Verwaltung des Gebäudes. Dazu kann die Einstellung eines neuen Hausmeisters gehören oder auch die Sanierung der Hausfassade. Nicht alle Beschlüsse fallen dabei nach dem gleichen Abstimmungsverfahren. Welche Art der Abstimmung zur Anwendung kommt, richtet sich nach dem Thema, über das abgestimmt werden soll. So kann zum Beispiel über bestimmte, wichtige Fragen nicht mit einfacher Mehrheit abgestimmt werden. Dies galt bisher insbesondere für bauliche Veränderungen. Gerade dies ist jedoch von den 2020 geplanten Gesetzesänderungen betroffen (siehe unten).
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung können gerichtlich angefochten werden und sind Gegenstand vieler Gerichtsverfahren.

Beispiel: Streit um Fassadengestaltung


Ein Beispiel für einen typischen Rechtsstreit in der Eigentümergemeinschaft: Das Landgericht München I befasste sich mit einem Fall, bei dem es einigen Eigentümern zu bunt wurde. Die Eigentümerversammlung hatte nämlich mit Mehrheitsbeschluss entschieden, dass die Hausfassade neu gestrichen werden sollte. Dabei sollten die Balkone mit orangefarbenen Streifen verziert werden. Dieser Beschluss wurde erfolgreich vor Gericht angefochten. Dem Urteil zufolge war der Neuanstrich der kompletten Fassade eine bauliche Veränderung. Weil die Farbe der Fassade den Gesamteindruck des Gebäudes bestimme und alle Eigentümer davon betroffen seien, müssten auch alle einstimmig dafür sein. Der Beschluss mit einfacher Mehrheit war daher hier ungültig (Urteil vom 20.9.2012, Az. 36 S 1982/12).

Welche Aufgaben hat der Hausverwalter?


Den Hausverwalter beauftragt die Eigentümergemeinschaft mit der Wahrnehmung aller Verwaltungsaufgaben. Unter anderem organisiert er die Eigentümerversammlungen, sorgt für die Umsetzung der Beschlüsse sowie die Beachtung der Hausordnung und kümmert sich bei Bedarf um dringende Maßnahmen zur Erhaltung des Gemeinschaftseigentums (z.B. bei einem Sturmschaden). Er kümmert sich um alle Zahlungen, die geleistet und eingefordert werden müssen (wie zum Beispiel die Hausgeldforderungen gegen die einzelnen Eigentümer oder die Bezahlung von Rechnungen an Versorgungsbetriebe und Handwerker) und verwaltet die eingenommenen Gelder.
Auch für den Hausverwalter ändert sich durch die Reform 2020 einiges.

Welche Gesetzesänderungen sind geplant?


Die WEG Reform 2020 soll zum Beispiel bauliche Veränderungen und Modernisierungen erleichtern. Dies soll durch eine Änderung des Abstimmungsverfahrens erreicht werden. Bisher mussten alle Eigentümer, die durch die Baumaßnahme voraussichtlich beeinträchtigt werden könnten, dafür stimmen. Künftig ist vorgesehen, dass bauliche Veränderungen und Modernisierungen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können. Allerdings müssen dann auch nur diejenigen Eigentümer für die Kosten aufkommen, die dafür gestimmt haben. Stimmt eine Zweidrittelmehrheit dafür, die zusätzlich noch mindestens die Hälfte der Miteigentumsanteile stellt, müssen sich jedoch alle Eigentümer an den Kosten beteiligen.

Jeder Eigentümer soll künftig verlangen dürfen, dass die Gemeinschaft dem Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug, einem barrierefreien Aus- und Umbau sowie Maßnahmen zum Einbruchsschutz zustimmt. Dies gilt auch für Arbeiten, die erforderlich sind, um einen Glasfaseranschluss zu ermöglichen. Künftig können solche Baumaßnahmen also nicht mehr so einfach blockiert werden.

Ursprünglich geplant war eine deutliche Erweiterung der Befugnisse des Verwalters. Dazu wird es aber nicht kommen. Der Verwalter bleibt ausführendes Organ und soll ohne gesonderten Beschluss der Eigentümerversammlung nur dazu berechtigt sein, Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die eine untergeordnete Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen der Gemeinschaft verursachen.

Künftig kann jeder Eigentümer fordern, dass der Verwalter nach einer Übergangszeit von drei Jahren einen Sachkundenachweis vorlegt, für den eine Prüfung bei der IHK notwendig ist. So soll für eine bessere Qualifikation der Verwalter gesorgt werden. Diese haben außerdem weiter eine Fortbildungspflicht.

Denkbar ist, dass Bundestag und Bundesrat noch im September über die Reform entscheiden. Diese könnte dann bereits zum 1. November 2020 in Kraft treten. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten.

Praxistipp


Ob die anstehende Reform die erhebliche Zahl von Rechtsstreitigkeiten im Bereich der Eigentümergemeinschaften reduzieren wird, wird sich zeigen. Viele Beschlüsse von Eigentümerversammlungen werden auch in Zukunft angefochten werden. Wer davon betroffen ist, sollte sich in dieser komplexen Materie fachkundig beraten lassen - am besten durch einen Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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