Arbeitnehmer länger krank: Wann erlischt der Urlaubsanspruch?

10.08.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 3 Min. (2765 mal gelesen)
Urlaub,Krankheit,langfristig,Urlaubsabgeltung Zum Thema Urlaubsanspruch trotz Krankheit haben mehrfach die Gerichte entschieden. © Rh,Ma - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Übertragungsfrist: In Deutschland ist der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in der Regel bis zum 31. März des Folgejahres übertragbar. Nach längerer Krankheit sollte der Urlaub bis zu diesem Zeitpunkt genommen werden, um einen Verfall zu vermeiden.

2. Langfristige Erkrankungen: Bei langanhaltenden Erkrankungen kann der Urlaubsanspruch unter bestimmten Voraussetzungen noch bis 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, genommen werden.

3. Sehr langer Ausfall: Fällt ein Arbeitnehmer jahrelang krankheitsbedingt aus und besteht das Arbeitsverhältnis trotzdem fort, hat der Arbeitnehmer zwar keinen Anspruch auf Lohn mehr, der Urlaubsanspruch besteht aber fort.
Ist man längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt, kann man auch keinen Urlaub nehmen. Was passiert nun in einem solchen Fall mit dem Urlaubsanspruch? Erlischt er oder kann der Urlaub einfach später genommen oder womöglich sogar in Geld abgegolten werden? Dazu haben die deutschen Arbeitsgerichte in den letzten Jahren einige Grundsätze entwickelt.

Was sagt das Gesetz zum Urlaubsanspruch im Krankheitsfall?


Arbeitnehmer müssen ihren Jahresurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr nehmen. Wenn sie ihren Urlaub im selben Jahr aus dringenden persönlichen oder betrieblichen Gründen nicht mehr nehmen, können sie ihn auf das nächste Jahr übertragen.

Dann muss der Arbeitnehmer den übertragenen Urlaub allerdings bis zum 31. März des nächsten Jahres auch nehmen. Sonst verfällt dieser. Festgelegt ist dies in § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Eine Auszahlung nicht genommener Urlaubstage in Geld ist nur möglich, wenn der Mitarbeiter seinen Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr antreten kann. Auch per Arbeitsvertrag kann nichts Abweichendes vereinbart werden.

Was passiert bei einer normalen Erkrankung im Urlaub?


Wenn ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs erkrankt, schreibt ihm sein Arbeitgeber üblicherweise die Urlaubstage gut, an denen er krank war. Er kann diese Tage jedoch nicht einfach hinten an den Urlaub anhängen. Stattdessen muss er neuen Urlaub beantragen, wenn er wieder gesund und arbeitsfähig ist.

Was passiert mit dem Urlaubsanspruch bei einer langfristigen Erkrankung?


Problematisch sind jedoch eher die Fälle, in denen Arbeitnehmer infolge einer längeren Erkrankung ihren Jahresurlaub nicht mehr nehmen können. Die Arbeitsgerichte entschieden hier früher nicht sehr arbeitnehmerfreundlich und ließen die Urlaubsansprüche in der Regel entfallen. 2009 änderte sich dies durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes.

Damals entschied nämlich der EuGH, dass der Jahresurlaub auch bei lange andauernden Krankheiten nicht einfach entfallen dürfe. Dadurch würde der Anspruch aller Arbeitnehmer auf ihren Mindesturlaub untergraben. In einem weiteren Urteil erlaubte der EuGH allerdings den einzelnen Mitgliedsstaaten, die Übertragung von Urlaubsansprüchen auf einen späteren Zeitraum bei längerer Krankheit zeitlich einzuschränken.

Damals hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit dem Fall einer Erzieherin beschäftigt, die durch einen Schlaganfall lange erkrankt und anschließend aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war. Das Gericht entschied: Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Teil- oder Vollurlaubs erlöschen nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt (Urteil vom 24.3.2009, Az. 9 AZR 983/07).

Der Übertragbarkeit von Urlaub auf später sind jedoch trotz Krankheit Grenzen gesetzt. So entschied das Bundesarbeitsgericht 2012, dass der Urlaubsanspruch eines langfristig arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres erlischt. Damit ist das Jahr gemeint, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist (Urteil vom 7. August 2012, Az. 9 AZR 353/10).

Beispiel: Ein 2023 angesammelter Urlaubsanspruch verfällt bei einem langfristig Erkrankten erst am 31. März 2025.

Werden dadurch Langzeitkranke beim Urlaub bevorzugt?


Langzeitkranke werden zwar auf diese Weise beim Thema Urlaub etwas besser behandelt, als gesunde Arbeitnehmer. Diese Rechtsprechung verhindert aber auch, dass Langzeitkranke unbegrenzt Urlaubsansprüche ansammeln können. Nach dem ersten Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu diesem Thema schien dies noch möglich zu sein.

Was gilt für den vertraglich vereinbarten zusätzlichen Urlaub?


Die Gerichtsurteile gelten für den gesetzlichen Mindesturlaub. Für einen vertraglich vereinbarten zusätzlichen Urlaub gilt der 15-Monats-Zeitraum nur, wenn dies der jeweilige Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag so vorsieht. Im Vertrag wird oft auf die gesetzlichen Regelungen verwiesen. Ist dies der Fall, ist davon auszugehen, dass gesetzlicher und vertraglicher Urlaubsanspruch gleich behandelt werden.

Welcher Urlaubsanspruch besteht bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis?


Kann ein Arbeitnehmer jahrelang krankheitsbedingt nicht arbeiten, erhält er häufig Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Verletztengeld oder Erwerbsminderungsrente. Trotzdem kann das Arbeitsverhältnis weiterbestehen, es "ruht" dann nur. Dies gilt auch für die gegenseitigen Verpflichtungen: Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Lohn, der Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf Arbeitsleistung.

Kann man nun in einem ruhenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche ansammeln? Ja. Um genau einen solchen Fall handelte es sich im Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2012 (Az. 9 AZR 353/10). Der Urlaubsanspruch entsteht bei längerer Erkrankung also auch für die Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt geruht hat.

Wann erhalten Schwerbehinderte Zusatzurlaub?


Schwerbehinderte Arbeitnehmer (mit Grad der Behinderung von 50 oder mehr) können bei einer Fünftagewoche einen bezahlten zusätzlichen Urlaub beanspruchen. Dieser umfasst bei einer Fünftagewoche fünf Arbeitstage im Jahr. Auch dieser Zusatzurlaub geht nicht verloren, nur weil die Arbeitnehmer über längere Zeit krankheitsbedingt nicht arbeiten oder keinen Urlaub nehmen können (Bundesarbeitsgericht, Az. 9 AZR 128/09).

Praxistipp zum Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit


Manche Arbeitgeber kennen sich mit der Rechtsprechung der Gerichte zum Thema Urlaub und Krankheit nicht aus. Will ein Arbeitgeber nicht glauben, dass einem erkrankten Arbeitnehmer tatsächlich Urlaub zusteht, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht Sie dabei unterstützen, zu Ihrem Recht zu kommen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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