Wann darf der Arbeitgeber eine Urlaubssperre verhängen?

10.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Urlaubssperre,Urlaub,Arbeitgeber,betriebliche Belange Ist eine Urlaubssperre erlaubt, weil sich im Betrieb die Arbeit stapelt? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Betriebliche Gründe: Der Arbeitgeber kann einen Urlaubsantrag ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen, wie etwa ein erhöhtes Arbeitsaufkommen oder spezielle Projekte, die die Anwesenheit des Arbeitnehmers erfordern.

2. Urlaubssperre: In festgelegten Zeiträumen, in denen aus betrieblichen Gründen generell kein Urlaub genommen werden kann, darf der Arbeitgeber Urlaubsanträge ablehnen, z.B. bei Inventur. Diese Maßnahme muss konkret begründet werden und verhältnismäßig sein.

3. Widerruf: Der Arbeitgeber darf einen bereits genehmigten Urlaub nur ausnahmsweise widerrufen, z.B., wenn der Betrieb ohne den speziellen Arbeitnehmer ganz zum Stillstand käme.
Bei einer Urlaubssperre untersagt der Arbeitgeber seinen Angestellten für einen bestimmten Zeitraum, Urlaub zu nehmen. In diesem Fall kann sogar ein für diesen Zeitraum schon genehmigter Urlaub nicht angetreten werden. Chefs greifen oft zu diesem Mittel, wenn die Auftragslage besonders gut ist oder Liefertermine eng werden. Dies ist jedoch nicht immer rechtlich in Ordnung. Schließlich darf eine Urlaubssperre nur unter ganz besonderen Bedingungen ausgesprochen werden. Auch ist sie sorgfältig zu begründen. Die Arbeitsgerichte schauen in jedem Einzelfall genau hin. Arbeitnehmer sollten daher wissen: Nicht jeder größere Auftrag gibt dem Arbeitgeber gleich das Recht, ihnen den wohlverdienten Urlaub zu streichen.

Wann kann ein Urlaubsantrag abgelehnt werden?


Grundsätzlich müssen Arbeitgeber die individuellen Wünsche ihrer Arbeitnehmer bei deren Wunsch-Urlaubsterminen berücksichtigen. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Natürlich funktioniert dies im richtigen Leben oft nicht. Schließlich können nicht alle Arbeitnehmer eines Betriebes gleichzeitig in Urlaub gehen. Um eine Auswahl kommt man daher meist nicht herum.

Wer bekommt also vorrangig Urlaub – zum Beispiel in den begehrten Sommerferien? Bei dieser Entscheidung spielen soziale Aspekte eine wichtige Rolle. Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern können beispielsweise bei der Urlaubsvergabe während der Schulferien zu bevorzugen sein. Auch kann berücksichtigt werden, dass der Partner des Arbeitnehmers (welcher nicht im gleichen Betrieb arbeitet) nur zu einem bestimmten Zeitpunkt Urlaub nehmen kann - etwa als Lehrer.

Andererseits darf der Arbeitgeber auch nicht immer die gleichen Personen beim Urlaub bevorzugt behandeln. Auch der kinderlose Kollege muss mal an der Reihe sein, wenn es ihn denn im Hochsommer an überfüllte Strände zieht.

Ablehnen darf der Arbeitgeber einen Urlaubsantrag auch aufgrund sogenannter dringender betrieblicher Belange. Was das bedeutet, ist für Arbeitgeber meist selbstverständlich: ein lukrativer Großauftrag, ein hoher Krankenstand in Betrieb, enge Liefertermine. Stimmt das aber wirklich?

Urlaub abgelehnt: Was versteht man unter dringenden betrieblichen Belangen?


Als dringende betriebliche Belange gelten Umstände, die dazu führen, dass die Anwesenheit eines ganz bestimmten Arbeitnehmers (oder aller Arbeitnehmer) im Betrieb zu einer konkreten Zeit dringend erforderlich ist.

Betrifft dies nur einen bestimmten Arbeitnehmer, muss der Chef prüfen, ob dieser womöglich ohne Schwierigkeiten durch einen Kollegen ersetzt werden kann. Ist dies der Fall, ist seine Anwesenheit auch nicht dringend erforderlich. Gute Chancen auf eine Urlaubssperre wegen dringender betrieblicher Belange hat der Arbeitgeber zum Beispiel, wenn wichtige Aufträge anstehen und viele Arbeitnehmer gleichzeitig krankgeschrieben sind.

Auch ist zu berücksichtigen, dass in bestimmten Branchen saisonbedingt ein stark erhöhtes Maß an Arbeit anfällt. Dies betrifft zum Beispiel den Einzelhandel in der Weihnachtszeit oder Wirtschaftsprüfer während der Jahresabschluss-Saison. In solchen Phasen kann es passieren, dass derartige Betriebe auf keinen einzigen Arbeitnehmer verzichten können. Dies kann ihnen das Recht geben, wegen dringender betrieblicher Belange eine Urlaubssperre zu verhängen.

Was muss der Arbeitgeber bei einer Urlaubssperre beachten?


Gesetzliche Vorschriften hierzu existieren nicht. Allerdings geht man meist davon aus, dass der Chef den oder die betroffenen Arbeitnehmer über seine Gründe für die Urlaubssperre informieren muss. Wenn es in dem Unternehmen einen Betriebsrat gibt, muss der Arbeitgeber auch diesen in Kenntnis setzen. Beim Urlaub hat der Betriebsrat nämlich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Dies bezieht sich nicht nur auf die allgemeine Urlaubsplanung im Betrieb, sondern auch auf "die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird".

Wie lange darf eine Urlaubssperre dauern?


Auch dies ist nicht gesetzlich geregelt. Der Chef muss allerdings das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten. Abhängig von der Branche und dem, was im Betrieb üblich ist, kann sich eine Urlaubssperre durchaus auf mehrere Wochen oder sogar auf ein paar Monate ausdehnen. Ist jedoch der Urlaub für den überwiegenden Teil des Jahres blockiert, gilt dies als unverhältnismäßig für die Beschäftigten. Hier hängt es also wieder von Branche, Unternehmen und Einzelfall ab, was der Arbeitgeber im konkreten Fall darf.

Wann darf ein genehmigter Urlaub widerrufen werden?


Manchmal entsteht ein Grund für eine Urlaubssperre spontan und ohne große Vorwarnung. Unter Umständen erwischt bei großem Auftragsvolumen eine Grippewelle den Betrieb. Vielleicht haben für diesen Zeitraum bereits Arbeitnehmer Urlaub eingereicht und dieser wurde auch genehmigt. Der Arbeitgeber ist jedoch plötzlich in einer Situation, in der es ohne diese Arbeitnehmer nicht geht.

Wenn nun Chef oder Chefin den bereits genehmigten Urlaub widerrufen wollen, sind strengere Voraussetzungen zu erfüllen, als bei einer normalen, einfachen Urlaubssperre im Voraus. Ein solcher Schritt darf nämlich nur im absoluten Ausnahmefall erfolgen. Eine solche Ausnahme kann zum Beispiel vorliegen, wenn der Betrieb ohne den jeweiligen Arbeitnehmer ganz zum Stillstand kommen würde. Denkbar ist dies zum Beispiel, wenn gerade dieser Mitarbeiter oder diese Kollegin spezielle Kenntnisse über betriebliche Abläufe oder die Bedienung vom Maschinen hat oder die einzige Ersatzperson krank ist. Ein normaler Personalengpass reicht jedoch nicht aus. Hier muss wirklich ein nicht vorhersehbarer Notfall vorliegen.

Was gilt, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub schon gebucht hat?


Natürlich kann es auch vorkommen, dass ein Arbeitnehmer seine Urlaubsreise schon gebucht hat, wenn wegen einer Situation wie oben beschrieben eine Urlaubssperre verhängt wird. Dann muss das Unternehmen der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter den entstandenen Schaden wie etwa die Stornokosten ersetzen. Ruft der Chef jemanden sogar aus dem Urlaub zurück, hat er auch die Rückreisekosten zu tragen.
Allerdings ist ein solcher Rückruf aus dem Urlaub nur im absoluten Notfall erlaubt. Es muss praktisch die Existenz des Betriebes in Gefahr sein. Arbeitnehmer müssen grundsätzlich im Urlaub nicht für ihren Chef zu erreichen sein.

Was passiert mit den Urlaubstagen?


Wenn Arbeitnehmer ihren Urlaub wegen dringender betrieblicher Gründe im gleichen Kalenderjahr nicht mehr antreten können, können sie ihn auf das nächste Jahr übertragen. Dazu müssen sie den Urlaub neu beantragen und er muss grundsätzlich in den ersten drei Kalendermonaten des neuen Jahres gewährt und auch genommen werden (§ 7 BUrlG).

Dürfen Arbeitnehmer sich selbst beurlauben?


Davon ist dringend abzuraten. Wenn ein Arbeitnehmer einfach nicht im Betrieb erscheint und ohne weitere Rücksprache mit dem Chef in den sonnigen Süden aufbricht, weil er sich aus irgendeinem Grund im Recht glaubt, ist eine fristlose Kündigung sehr wahrscheinlich. Hier verletzt der Arbeitnehmer nämlich die wichtigste Grundpflicht aus seinem Arbeitsvertrag: Er verweigert die Arbeit. Die erste Regel lautet also: Halten Sie Rücksprache mit dem Chef. Auch, wer im Recht ist, darf nur dann in Urlaub gehen, wenn der Arbeitgeber einverstanden ist. Unstimmigkeiten sind vor dem Arbeitsgericht zu klären. Dafür gibt es auch ein Eilverfahren. Bei Eigenmächtigkeiten droht Jobverlust.

Urteil: Wie muss der Chef die Urlaubssperre begründen?


In einem Fensterbaubetrieb nahten die Betriebsferien. Für die Woche davor wurde für alle Arbeitnehmer eine Urlaubssperre verhängt.

Hier deckten die Betriebsferien allerdings nicht den ganzen Urlaubsanspruch der Beschäftigten ab. Ein Arbeitnehmer, der auch Vorsitzender des Betriebsrates war, beantragte zwei Tage Urlaub während der Woche vor den Betriebsferien. Vergeblich: Laut Chef müsse in der Woche vor den Ferien mit voller Personalstärke gearbeitet werden. Sonst könne man Liefertermine nicht einhalten, müsse Konventionalstrafen zahlen und die Beziehungen zu Kunden seien gefährdet. Immerhin sei das Unternehmen erst vor einem Jahr mit Hilfe eines neuen Gesellschafters aus der Insolvenz gerettet worden. Man habe nur soviel Personal behalten, wie unbedingt nötig.

Das Arbeitsgericht erließ eine einstweilige Verfügung, nach welcher dem Mitarbeiter der Urlaub zu gewähren sei. Der Arbeitgeber habe die dringenden betrieblichen Belange für die Urlaubssperre nicht ausreichend begründet. Es reiche nicht aus, pauschal darauf hinzuweisen, dass man vor den Betriebsferien auf keinen Mitarbeiter verzichten könne. Stattdessen müsse der Arbeitgeber eine Kalkulation seines Personalbedarfs vorlegen und erläutern, warum denn gerade dieser Arbeitnehmer unentbehrlich sei. Die dünne Personaldecke habe der Arbeitgeber selbst zu verantworten (Arbeitsgericht Bielefeld, Urteil vom 21.6.2006, Az. 6 Ga 16/06).

Update vom 10.7.2025: Muss trotz Urlaubssperre jede Ablehnung geprüft werden?


Das Arbeitsgericht Braunschweig hat sich mit der Frage befasst, ob Arbeitgeber trotz Urlaubssperre Urlaubsanträge für den entsprechenden Zeitraum noch individuell prüfen müssen. Es gibg dabei um eine langjähige Mitarbeiterin einer Altenpflegeeinrichtung. Die Frau hatte bereits ein Jahr im Voraus zwei Wochen Urlaub über Weihnachten und Silvester beantragt. Sie wollte die Feiertage mit ihrer weit entfernt wohnenden Familie verbringen und verwies auf ihren katholischen Glauben und die Wichtigkeit von Weihnachten. Der Arbeitgeber lehnte den Urlaub jedoch ab: Über Weihnachten und Silvester herrsche eine allgemeine Urlaubssperre, weil sich zu dieser Zeit besonders viele Mitarbeiter krank meldeten. Nur aufgrund der Urlaubssperre könnten den Mitarbeitern über Weihnachten zumindest zwei oder drei freie Tage gewährt werden. Gewähre man jetzt einer Mitarbeiterin zwei Wochen Urlaub, würde dies das ganze System durcheinanderbringen.

Das Arbeitsgericht entschied zugunsten der Arbeitnehmerin. Die vom Arbeitgeber behauptete mögliche Störung von Betriebsabläufen reiche nicht aus, um betriebliche Belange zu begründen, mit denen man einen Urlaubsantrag ablehnen könne. Schließlich müsse bei jedem Urlaub der entsprechende Mitarbeiter vorübergehend ersetzt werden. Auch müsse der Arbeitgeber trotz Urlaubssperre jeden Urlaubsantrag individuell prüfen. Eine solche Prüfung habe hier nicht stattgefunden. Auch vor Gericht habe der Arbeitgeber weder seinen konkreten Personalbedarf, noch die zu erwartenden Fehlzeiten anderer Mitarbeiter konkret erläutert. Daher sei der Arbeitnehmerin hier der beantragte Urlaub zu gewähren. Das Gericht fügte noch hinzu, dass auch eine Abstimmung der Urlaubssperre mit dem Betriebsrat nichts daran ändere, dass jeder Urlaubsantrag individuell geprüft werden müsse (Urteil vom 20.11.2019, Az. Az. 4 Ca 373/19).

Praxistipp zur Urlaubssperre


Haben Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer vom Arbeitgeber verhängten Urlaubssperre? Dann empfiehlt sich eine Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Und denken Sie daran: Eigenmächtiges Fernbleiben von der Arbeit kann eine Abmahnung und auch eine fristlose Kündigung zur Folge haben.

(Bu)


 Stephan Buch
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