Scheidung: Haben Oma und Opa ein Umgangsrecht mit den Enkeln?

08.03.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 6 Min. (3700 mal gelesen)
Großeltern,Enkel Wann darf man die Enkel sehen? © freepik - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Umgangsrecht: Neben den Eltern und Geschwistern haben bspw. auch die Großeltern ein grundsätzliches Umgangsrecht mit ihrem (Enkel-) Kind.

2. Kindeswohl: Anders, als für die Eltern, besteht für die Großeltern keine gesetzliche Vermutung dafür, dass ein Kontakt zum Enkelkind dessen Wohl entspricht. Eine gewachsene Bindung zum Enkel kann ein Indiz dafür sein. Ein schlechtes Verhältnis zu den Eltern spricht schwer dagegen.

3. Gerichtliche Klärung: Ist zwischen den Eltern und Großeltern keine Einigung möglich, kann das Umgangsrecht vor dem Familiengericht geklärt werden. Das Wohl des Kindes ist immer das ausschlaggebende Kriterium für eine Entscheidung pro oder contra.
Das Umgangsrecht, oft umgangssprachlich als Besuchsrecht bezeichnet, bedeutet: Wenn sich ein Paar trennt, das Kinder hat, leben diese in der Regel bei einem Elternteil. Der andere hat nach § 1684 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein sogenanntes Umgangsrecht. Er oder sie darf die eigenen leiblichen Kinder sehen und mit ihnen Zeit verbringen. Dabei besteht für den Elternteil nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zum Umgang mit dem eigenen Nachwuchs. Dies darf der andere Elternteil nicht verhindern. Die näheren Umstände können im Rahmen einer Absprache geregelt werden. Wenn dies nicht funktioniert, kann das Familiengericht eine Regelung treffen. Diese kann zum Beispiel Art und Umfang der Besuche bestimmen. Ebenso kann das Gericht das Umgangsrecht aber auch einschränken oder ausschließen. Dazu kommt es meist, wenn dies zum Wohl des Kindes nötig erscheint.

Wer außer den Eltern hat ein Umgangsrecht?


Nach § 1685 BGB haben aber auch weitere Personen ein Umgangsrecht. Dies sind zunächst die Großeltern und Geschwister des Kindes. Es gibt aber eine Einschränkung: Das Umgangsrecht besteht nur, wenn der Umgang dieser Personen mit dem Kind dessen Wohl dient. Zusätzlich können auch weitere Bezugspersonen des Kindes ein Umgangsrecht mit diesem haben. Als Bezugsperson gilt jemand, der tatsächlich Verantwortung für das Kind übernommen hat. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Betreffenden mit dem Kind im gleichen Haushalt gelebt haben.
Also haben die Großeltern grundsätzlich ein gesetzliches Umgangsrecht mit ihren Enkelkindern.

Warum ist das Kindeswohl für das Umgangsrecht wichtig?


Sobald es um den Umgang mit Trennungskindern geht, ist eine Voraussetzung besonders wichtig: Der Kontakt muss dem Kindeswohl entsprechen.
Die Familiengerichte gehen bei den leiblichen Eltern gemäß § 1626 Abs. 3 BGB grundsätzlich davon aus, dass dies der Fall ist - zumindest, solange keine ernsthaften Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen.

Wenn ein Elternteil sein Kind schlägt, es gegen den sorgeberechtigten Elternteil aufhetzt, versucht, das Kind nach Madagaskar zu kidnappen oder es in die Drogenszene einführt, hat es die gesetzliche Vermutung zugunsten des Kindeswohls schnell widerlegt.

Aber zurück zu den Großeltern: Bei Oma und Opa gibt es keine gesetzliche Vermutung dafür, dass ein Kontakt dem Wohl des Kindes entspricht. Wenn also keine gütliche Einigung mit dem Elternteil möglich ist, der die Kinder betreut, muss ein Gericht im Einzelfall feststellen, ob ein Kontakt mit den Großeltern dem Kindeswohl dient. Ist dies der Fall, wird es den Elternteil dazu verurteilen, diesen zuzulassen.

Beispiel: Streit über die richtige Erziehung der Kinder


Genau dies betonte das Oberlandesgericht Brandenburg in einem Urteil. In diesem Fall bestanden erhebliche Streitigkeiten zwischen den Großeltern - den Eltern des verstorbenen Vaters der Kinder - und der Mutter über Erziehungsfragen.

Das Gericht erklärte, dass es bei dieser Frage auf die gesamte Lebenssituation der Kinder ankomme, einschließlich aller seelischen, körperlichen und erzieherischen Aspekte sowie ihrer vorhandenen Bindungen an die den Umgang verlangenden Verwandten.

Aufgrund der anhaltenden Streitigkeiten über die richtige Erziehung war ein Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Umgang mit den Großeltern nicht dem Wohl der Kinder diene. Daher sprach das Gericht den Großeltern das Umgangsrecht mit den Enkeln ab. Es betonte auch, dass es vollkommen irrelevant sei, wer den Streit angefangen habe. Hier ginge es nur um das Wohl der Kinder. Auch die Enkelkinder selbst würden wegen der ständigen Streitigkeiten inzwischen einen Umgang mit den Großeltern ablehnen (Beschluss vom 17.01.2018, Az. 13 UF 152/17).
Übrigens: Der letzte Punkt ist nicht unwichtig: Bei Prozessen um das Kindeswohl werden in aller Regel nämlich auch die Kinder selbst angehört, unabhängig vom Alter.

Wann entspricht das Umgangsrecht dem Kindeswohl?


Die Großeltern haben bessere Chancen, ihr Umgangsrecht durchzusetzen, wenn sie gewachsene Bindungen zum Kind vorweisen können. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sie das Kind häufig in Abwesenheit der berufstätigen Eltern betreut haben oder wenn sie mit dem Kind schon mehrfach im Urlaub gewesen sind. Auch nahezu tägliche Besuchskontakte über einen längeren Zeitraum können dazu führen, dass ein Gericht von einer solchen Bindung ausgeht (Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 22.4.1999, Az. 18 UF 4/99).

Was bewirken Streitigkeiten über die Erziehung?


Bekanntermaßen sind Großeltern oft ja deutlich großzügiger, wenn es um Erziehungsfragen geht. Die Eltern fühlen sich dann schnell in eine negative Rolle gedrängt, denn sie müssen den Kindern im Alltag diverse Dinge verbieten, die sie bei den Großeltern dürfen. Hier gilt: Haben die Eltern das Sorgerecht, ist ihr Wille entscheidend. Wenn es über die richtige Erziehung zum Dauerstreit mit den Großeltern kommt, kann dies entgegen dem Kindeswohl sein, sodass ein Gericht diesen das Umgangsrecht abspricht. Die Großeltern sollten sich auch herabwürdigende Äußerungen über die Elternteile besser verkneifen, da diese als ein "Aufhetzen" der Kinder angesehen werden können, was ebensolche negativen Folgen vor Gericht hat.

Streit um Geld torpediert Umgangsrecht


Ein schlechtes Verhältnis zwischen Eltern und Großeltern ist jedoch nicht automatisch ein Grund, den Großeltern keinen Umgang mit den Enkeln mehr zu erlauben. Immerhin geht es hier nicht in erster Linie um die Rechte der Großeltern, sondern um das Wohl der Kinder. Im Normalfall gehört ein Kontakt zu den Großeltern zu deren persönlicher Entwicklung dazu.

Schwierig wird es natürlich, wenn dauernd Streitigkeiten auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden. So sprach das Oberlandesgericht Brandenburg einem Großelternpaar das Umgangsrecht ab, welches ein sehr schlechtes Verhältnis zur Mutter des Enkels hatte. Der Vater - Sohn der Großeltern - war verstorben. Das Enkelkind war Alleinerbe des Vaters. Zwischen den Beteiligten gab es Streit um den Nachlass des Vaters und um eine Darlehensrückforderung der Großeltern.

Das Gericht sah hier einen schweren Loyalitätskonflikt für das Kind. Die Großeltern zeigten sich nämlich äußerst unversöhnlich gegenüber der Mutter. Aus Sicht des Gerichts hatte das Verhältnis eines Kindes zu seiner Mutter immer Vorrang. Es sei nicht entscheidend, wer die größere Schuld am Entstehen des Streits habe. Auch in diesem Fall wurde berücksichtigt, dass das sechsjährige Kind selbst erklärte, keinen Kontakt mehr zu den Großeltern zu wünschen (Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 17.5.2010, Az. 10 UF 10/10).

Update vom 8.3.2024: OLG Hamm: Loyalitätskonflikt spricht generell gegen Umgangsrecht mit den Großeltern


Das Oberlandesgericht Hamm hat sich mit einem Fall befasst, in dem eine Großmutter auf ein regelmäßiges Umgangsrecht mit ihren Enkelkindern klagte, deren Vater verstorben war. Der Vater war der Sohn der Klägerin gewesen. Zwar hatte es bis 2019 regelmäßige Besuche der Kinder bei der Großmutter gegeben, danach war das Verhältnis jedoch schlechter geworden und die Kontakte erfolgten nur noch sporadisch, zum Teil in Form von Briefen oder Päckchen. Das Gericht erklärte: Großeltern hätten nur dann ein Umgangsrecht mit den Enkeln, wenn dieses dem Wohl der Kinder diene. Grundsätzlich gehöre der Umgang mit anderen Personen als den Eltern, zu denen das Kind Bindungen besitze, zum Wohl des Kindes - zumindest, wenn dieser Kontakt der Entwicklung des Kindes förderlich sei. Hier müsse man aber stark anzweifeln, dass die Kinder überhaupt noch eine Bindung an die Großmutter hätten. Seit vier Jahren habe es nur noch sporadische Kontakte gegeben. Der Vater der Kinder habe seiner Mutter sogar ein Hausverbot erteilt, weil er mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte. Er habe sogar seine Telefonnummer gewechselt. Seien Eltern und Großeltern so zerstritten, dass die Kinder bei jedem Besuch in einen Loyalitätskonflikt gerieten, diene der Umgang mit den Großeltern nicht dem Kindeswohl. Das Gericht lehnte damit ein Umgangsrecht der Großmutter ab (Urteil vom 10.8.2023, Az. 9 UF 76/23).

Fall: Böse Briefe an das Jugendamt


Wenn die Großeltern versuchen, das Sorgerecht der Eltern gegenüber dem Jugendamt in Frage zu stellen, haben sie das Umgangsrecht besonders schnell verspielt. Daran ändert auch ein Prozess bis vor den Bundesgerichtshof nichts.

Dies zeigte ein Fall aus Bayern, in dem die Großeltern und die (nicht getrennten) Eltern im Streit lagen. Wieder waren die Großeltern mit der Erziehung der Kinder nicht einverstanden. Dies hatten sie auch an das Jugendamt geschrieben, um eine "seelische Misshandlung" zu melden. Ihre Klage auf Einräumung eines Umgangsrechts scheiterte in sämtlichen Gerichtsinstanzen. Dies lag nicht nur daran, dass niemand eine "seelische Misshandlung" der Kinder feststellen konnte. Der erhebliche Dauerstreit mit den Eltern führte aus Sicht des Gerichts für die Kinder auch zu einem schweren Loyalitätskonflikt. Die Großeltern missachteten das Vorrecht der Eltern, über die Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden. Auch hier sahen die Gerichte einen Umgang der Großeltern mit den Enkeln daher als nicht dem Kindeswohl entsprechend an (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.7.2017, Az. XII ZB 350/16).

Praxistipp zum Umgangsrecht der Großeltern mit den Enkeln


Kommt es zum Streit um das Umgangsrecht von Großeltern, ist die jeweilige Begründung wichtig. In den geschilderten Fällen sprachen sehr massive Streitigkeiten gegen das Umgangsrecht. Das heißt jedoch nicht, dass die Eltern immer beliebig das Umgangsrecht der Großeltern unterbinden können, wenn man sich nicht mehr versteht. Ein Fachanwalt für Familienrecht kann Ihren Einzelfall am besten beurteilen, Sie zu diesem Thema beraten und Ihnen bei Bedarf vor Gericht zur Seite stehen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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