Arbeitnehmer: Wann liegt eine unzulässige Altersdiskriminierung vor?

28.03.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Stellenausschreibung,jung,dynamisch Eine Ausschreibung nur für junge Bewerber kann zu Entschädigungsansprüchen führen. © Bu - Anwalt-Suchservice

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz untersagt eine Diskriminierung wegen des Alters. Aber: Wann liegt eine solche vor und welche Ausnahmen gibt es?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz AGG) nennt man auch das Antidiskriminierungsgesetz. Sein Ziel: "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen." Das Gesetz gilt für mehrere Bereiche, darunter das Mietrecht. Es hat aber auch im arbeitsrechtlichen Bereich Auswirkungen. Es soll zum Beispiel Benachteiligungen verhindern beim Zugang zu einer Erwerbstätigkeit inklusive Auswahl- und Einstellungskriterien, beim beruflichen Aufstieg, bei den Arbeitsbedingungen inklusive Bezahlung, bei der Entlassung und beim Zugang zu allen Arten der Berufsberatung, der Berufsbildung und Ausbildung, der Weiterbildung und Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung.

Was versteht das AGG unter dem Alter?


Beim Thema "Alter" meint das AGG das Lebensalter, nicht die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Werden ältere Arbeitnehmer im Vergleich mit jüngeren schlechter behandelt oder umgekehrt, stellt dies nach den Regeln des Gesetzes eine Benachteiligung wegen des Alters dar. Diese kann im konkreten Fall erlaubt sein oder auch nicht. Ob eine unzulässige Altersdiskriminierung vorliegt, richtet sich danach, ob eine der vom Gesetz bestimmten Ausnahmen erfüllt ist.

Wann darf der Arbeitgeber Mitarbeiter wegen des Alters unterschiedlich behandeln?


§ 8 AGG erlaubt eine unterschiedliche Behandlung zunächst einmal, wenn
ein bestimmtes Alter wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine entscheidende berufliche Anforderung ist. Beispiele wären etwa Berufssportler oder Soldaten. Voraussetzung ist jedoch, dass der Zweck der Ungleichbehandlung rechtmäßig und die Altersgrenze angemessen ist.

Auch § 10 AGG erlaubt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters. Hier sind die Grundvoraussetzungen:

- Die Ungleichbehandlung muss objektiv und angemessen sein,
- sie muss durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein,
- die Mittel, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll, müssen angemessen und erforderlich sein.

Wenn all dies erfüllt ist, sind bestimmte Ungleichbehandlungen erlaubt. Dafür gibt das Gesetz Beispiele. Diese reichen vom Zugang zu einer Beschäftigung (also der Bewerbung für eine Stelle und den Voraussetzungen der Einstellung) über die Festlegung von Altersgrenzen für den Zugang zu Betriebsrenten bis zu den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung. Auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehört dazu. Sozialpläne können unterschiedliche Abfindungen je nach Alter vorsehen, wenn die vom Alter abhängigen Chancen der Betreffenden auf dem Arbeitsmarkt dabei entsprechend berücksichtigt worden sind.

Wann ist eine Altersdiskriminierung bei einer Stellenausschreibung erlaubt?


Arbeitgeber müssen eine freie Stelle so ausschreiben, dass sich jeder in sachlicher Hinsicht dafür geeignete Bewerber angesprochen fühlen kann. Dazu gehört auch, dass die Einstellung nicht von vornherein etwa von der Religion, der ethnischen Herkunft, dem Geschlecht oder dem Alter abhängig gemacht wird. All dies wären klare Verstöße gegen das AGG.

Wenn also ein Restaurant per Stellenanzeige eine "junge Servicekraft" sucht, liegt ein Verstoß gegen § 11 AGG und das dort geregelte Verbot der Diskriminierung bei einer Stellenausschreibung vor. Diese Stellenanzeige wird ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ansprechen, obwohl sie womöglich die gleiche Qualifikation aufweisen.

Hier kommt es jedoch auf die Formulierung an. Erlaubt wäre es zum Beispiel, die Stelle für eine "erfahrene Servicekraft" auszuschreiben. Zwar bedeutet Erfahrung oft auch ein höheres Alter. Trotzdem handelt es sich hier nicht um eine Altersdiskriminierung der Jüngeren, denn der Gesetzgeber sieht Berufserfahrung als ein sachliches Kriterium an.

Unerlaubt ist nach dem Bundesarbeitsgericht auch eine Stellenausschreibung wegen Verstärkung eines "jungen, hochmotivierten Teams". Wegen dieser Formulierung gestand das Gericht einem abgelehnten 42-jährigen Bewerber eine Entschädigung zu (Urteil vom 11.8.2016, Az. 8 AZR 406/14). Zwar war hier nur vom Alter des Teams die Rede gewesen. Trotzdem war für jeden Leser aus dem Zusammenhang klar, dass nur junge Bewerber erwünscht waren. Also handelte es sich um eine klare Altersdiskriminierung.

Altershöchstgrenze für die Einstellung?


Die Einstellung neuer Arbeitnehmer macht so mancher Arbeitgeber von einer Altershöchstgrenze abhängig. Meist liegt dann eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters und damit eine Altersdiskriminierung vor. Einige Gerichtsurteile haben Altersgrenzen für unzulässig erklärt, zum Beispiel das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. eine Altersgrenze von 40 Jahren für die unbefristete Einstellung von Flugbegleitern (Az. 11 Ca 8952/06).

Im Einzelfall kann eine solche Regelung zwar erlaubt sein, wenn sie, wie oben ausgeführt, objektiv, angemessen und durch legitime Ziele gerechtfertigt ist. Dies sehen die Gerichte jedoch recht eng. Im Flugbegleiter-Fall ging jedenfalls ein Betriebsrentenmodell, das eine Einstellung mit über 40 Jahren für den Arbeitgeber unrentabel machte, nicht als ausreichender objektiver Grund durch.

Der Europäische Gerichtshof sah das anders. Allerdings handelte es sich auch um eine andere Situation. Dort ging es um ein Einstellungs-Höchstalter von 30 Jahren für Feuerwehrleute. Den Fall hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. dem EuGH vorgelegt. Der Gerichtshof sah das Einstellungs-Höchstalter in diesem Fall als gerechtfertigt an – insbesondere wegen der extrem hohen Anforderungen an die körperliche Fitness beim Löschen von Bränden und Retten von Personen aus Notlagen. Hier lag also keine ungerechtfertigte Benachteiligung älterer Bewerber vor (EuGH, Urteil vom 13.1.2010, Az. C-229/08).

Ist bessere Bezahlung wegen höherem Alter erlaubt?


In einem anderen Fall vor dem Europäischen Gerichtshof ging es darum, ob tarifvertragliche Lebensaltersstufen erlaubt sind, bei denen man mit steigendem Alter mehr Gehalt bekommt. Hier ging es um die Altersstufen im ehemaligen deutschen Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT). Darin war vorgesehen, dass Angestellte im öffentlichen Dienst alle zwei Jahre altersabhängig eine Lohnerhöhung bekommen sollten. Jüngere Arbeitnehmer erhielten deutlich weniger als ältere – bei gleicher Arbeit.

Mittlerweile gibt es den BAT nicht mehr und die Nachfolgeregelung sieht keine solchen Altersstufen vor. Allerdings sah die Überleitung zum neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) eine Wahrung von Besitzständen vor: Ältere, die unter dem BAT mehr Geld bekommen hatten als die jüngeren, erhielten daher auch nach Einführung des neuen TVöD eine höhere Bezahlung.

Der EuGH entschied: Die Altersstufen-Regelung sei eine Altersdiskriminierung gewesen. Die Überleitungsregelung sei jedoch legal. Diese habe lediglich den Zweck, den Tarifvertragswechsel ohne Nachteile für die Arbeitnehmer umzusetzen (EuGH, Urteil vom 8.9.2011, Az. C-297/10, Az. C-298/10).

Wann haben Arbeitnehmer ein Recht auf Entschädigung wegen einer Altersdiskriminierung?


Nach einer Altersdiskriminierung haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine Entschädigung in Geld. Dies ergibt sich aus § 15 AGG. Soweit im Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist, müssen sie diesen Anspruch innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend machen. Die Frist läuft ab Kenntnis des Arbeitnehmers von seiner Benachteiligung oder ab Zugang der Ablehnung einer Bewerbung.

Dabei gibt es zwei verschiedene Entschädigungsansprüche:

- Nach Absatz 1 der Vorschrift können Arbeitnehmer den entstandenen Schaden geltend machen (zum Beispiel die Fahrtkosten zu einem sinnlosen Bewerbungsgespräch).
- Nach Absatz 2 können sie auch eine Entschädigung für etwas verlangen, das keinen Vermögensschaden darstellt. Dies wäre also eine Art Schmerzensgeld für die Diskriminierung an sich. Dieser Anspruch beträgt höchstens drei Monatsgehälter, wenn der Bewerber auch bei korrekter Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Welche Rechte haben Arbeitnehmer sonst noch nach einer Benachteiligung?


Im Rahmen einer Altersdiskriminierung abgelehnte Bewerber können keine Einstellung in ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis fordern. Bei einer Benachteiligung im laufenden Arbeitsverhältnis dürfen sich Arbeitnehmer nach § 13 AGG bei einer zuständigen Stelle des Betriebes beschweren. Diese Stelle muss die Beschwerde dann prüfen und dem Mitarbeiter das Ergebnis mitteilen.

Hat eine Belästigung oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz stattgefunden, können Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung ohne Verlust des Arbeitslohns einstellen, wenn dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. Eine Voraussetzung dafür ist, dass der Chef trotz Beschwerden nichts (oder nichts Sinnvolles) dagegen getan hat (§ 14 AGG). Vorsicht: Vor einem solchen Schritt empfiehlt es sich dringend, anwaltlichen Rat einzuholen. Eine Arbeitsverweigerung kann zu einer fristlosen Kündigung führen.

Gibt es eine Entschädigung bei Bewerbung ohne Erfolgschancen?


Schlechte Karten haben Menschen, die sich von vornherein auf Stellen bewerben, für die sie gar nicht geeignet sind, um dann eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung zu fordern.

Mit einem solchen Fall befasste sich das Arbeitsgericht Bonn 2019. Ausgeschrieben war eine Stelle für einen "Fachanleiter aus den Bereichen Küche / Hauswirtschaft / Nähen". Der spätere Kläger wies in seiner Bewerbung darauf hin, dass er Rentner sei und nicht nähen könne. Auch verlangte er unumwunden eine Vollzeitstelle und eine Dienstwohnung in Arbeitsnähe. Der Arbeitgeber teilte ihm mit, dass er nicht in die engere Auswahl komme. Daraufhin klagte der Bewerber auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung.

Die Klage blieb erfolglos und war laut Gericht rechtsmissbräuchlich. Der Kläger habe sich allein wegen der möglichen Entschädigung beworben. Dies erkenne man schon an Inhalt und der Stil seiner Bewerbung. Auch habe er mit keinem Wort begründet, warum er sich überhaupt für die ausgeschriebene Stelle eignen solle. Obendrein habe der Arbeitgeber nirgendwo das Thema "Alter" angesprochen (Urteil vom 23.10.2019, Az. 5 Ca 1201/19).

Praxistipp zur Altersdiskriminierung


Haben Sie das Gefühl, dass Sie an der Arbeitsstelle oder bei einer Bewerbung wegen Ihres Alters diskriminiert werden? Dann sollten Sie sich durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen. Dieser kann Ihren Fall prüfen und die Erfolgsaussichten einer Klage auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung abschätzen.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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