Brexit – Was bleibt und was sich rechtlich ändert

19.02.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Union Jack,Brexit,Großbritanien,EU-Austritt Brexit: Viele rechtliche Punkte sind noch auszuhandeln © Bu - Anwalt-Suchservice

Großbritannien ist aus der EU ausgetreten, derzeit läuft eine Übergangsphase. Was ändert sich für Verbraucher und Reisende nach dem Brexit, und was bleibt wie bisher? Ein Überblick nach bisherigem Stand.

Seit 31. Januar 2020 ist Großbritannien nicht mehr in der EU. Bis Ende 2020 läuft nun eine Übergangsphase, in der sich rechtlich kaum etwas ändert. Bis dahin wird noch über die Einzelheiten des Austritts verhandelt. Den Briten geht es dabei um ein Freihandelsabkommen - und um möglichst wenig Pflichten gegenüber der EU. Ein sogenannter "harter Brexit" ohne Abkommen ist immer noch möglich, wenn keine Einigung erzielt wird. Für Reisende, EU-Bürger mit Wohnsitz in Großbritannien und für Unternehmen wird sich einiges ändern. Was jetzt schon absehbar ist, fassen wir hier zusammen.

Brexit: Was ändert sich bei der Einreise?


In der Übergangsphase bis 31.12.2020 dürfen EU-Bürger mit gültigem Personalausweis oder Reisepass nach Großbritannien einreisen - wie bisher. Vertragsstaat des Schengen-Abkommens war Großbritannien auch vor dem Brexit nicht, sodass Grenzkontrollen stattfinden. Ab 2021 reicht der Personalausweis nicht mehr aus; dann ist ein Reisepass notwendig. Eine Visumpflicht soll es für EU-Bürger voraussichtlich nicht geben, sofern diese sich unter drei Monaten im Land aufhalten.

Was ändert sich für Autofahrer?


Der deutsche Führerschein darf nach bisherigem Stand weiter in Großbritannien genutzt werden. Reisende mit eigenem Auto benötigen ab 2021 eine grüne Versicherungskarte. Diese erhalten sie von ihrer KfZ-Versicherung.

Was müssen Bahnfahrer im Zuge des Brexit wissen?


Die europäischen Fahrgastrechte für Bahnreisende und Busreisende wurden in das britische Recht übernommen. Es handelt sich hier nun also um die britischen Fahrgastrechte, die künftig allein der britischen Gesetzgebung unterliegen und sich natürlich auch irgendwann von den europäischen unterscheiden können.
Fahrgäste erhalten also weiterhin unter den entsprechenden Voraussetzungen bei Verspätungen und Zugausfällen eine Entschädigung. Für grenzüberschreitende Fahrten von der EU nach UK gilt: Für den europäischen Teil der Reise gelten künftig die EU-Fahrgastrechte, für den britischen Teil die britischen. Entschädigungsansprüche sind bei der Bahngesellschaft geltend zu machen. Für Reisen innerhalb von Großbritannien gelten nur die britischen Fahrgastrechte, diese sind in jedem Fall bei der britischen Bahngesellschaft einzufordern, egal, wo das Ticket gekauft wurde. Aber auch dort gibt es dafür Internetseiten:
https://www.transportfocus.org.uk/advice-and-complaints/

Was müssen Fluggäste beachten?


Auch die Rechte von Fluggästen richten sich innerhalb der EU nach einer europäischen Verordnung.
Wer mit einer EU-Fluglinie von oder nach Großbritannien fliegt, kann bei Verspätungen oder Flugannullierungen die Rechte nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung geltend machen. Zuständig ist die jeweilige Fluggesellschaft. Diesen Rechten unterliegen auch britische Fluglinien, wenn der Flug in der EU startet. Aber: Liegt der Abflughafen in Großbritannien und handelt es sich um eine britische Airline, gilt hier nach der Übergangsphase nur das britische Recht. Dieses kann sich dann von dem der EU unterscheiden. Vielleicht kommt es hier auch noch zu Vereinbarungen, dies bleibt abzuwarten.

Was gilt nach dem Brexit, wenn ich in Großbritannien krank werde?


Die Europäische Krankenversicherungskarte wird in Zukunft in Großbritannien sehr wahrscheinlich nicht mehr anerkannt. Inwieweit Kosten für Behandlungen im Nicht-EU-Ausland übernommen werden, ist Sache der jeweiligen Krankenversicherung. Zu empfehlen ist eine eigens abgeschlossene Auslandskrankenversicherung.

Was müssen Deutsche beachten, die in Großbritannien leben?


Um die Rechte zu behalten, die sie als EU-Bürger bisher haben, müssen Deutsche mit Wohnsitz in Großbritannien den "Settled Status" beantragen. Dabei handelt es sich um ein auf bisherigen EU-Recht basierendes Daueraufenthaltsrecht, das auch das Recht einschließt, dort ohne Arbeitserlaubnis zu arbeiten und gleichberechtigten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung, Rentenzahlungen und sonstigen Leistungen zu erhalten. Der Antrag muss gestellt werden bis zum 30. Juni 2021 - falls es einen ungeregelten Brexit gibt, ist er jedoch schon bis 31.12.2020 zu stellen. Wer diesen Status besitzt, verliert ihn, wenn er sich mehr als fünf Jahre im Ausland aufhält oder Straftaten begeht.

Fallen nach dem Brexit wieder Roamingkosten an?


Dies ist zurzeit nicht geklärt. Es kann passieren, dass sich die Kosten für das Surfen und Telefonieren mit dem Handy von Großbritannien aus für Reisende spätestens ab 2021 deutlich erhöhen.

Was gilt für Online-Bestellungen in Großbritannien?


Zwischen Deutschland und Großbritannien findet ein reger Online-Handel statt. Bisher gelten hier die EU-weiten Regeln, zum Beispiel zum 14-tägigen Rückgaberecht von Waren für Verbraucher.
Auch hier sind die 2020 anstehenden Verhandlungen entscheidend. Kommt es zu keinem Freihandelsabkommen, ist mit Zöllen und Import-Export-Formalitäten zu rechnen. Im Klartext: Jeder LKW, der jetzt einfach durchfährt, müsste an der Grenze kontrolliert werden, jeder Betrieb und jeder Fahrer sich mit einem Berg an Formularen plagen. Unmittelbare Folgen wären Preiserhöhungen und längere Lieferzeiten. Pakete ab einem gewissen Wert müssten beim deutschen Zoll abgeholt werden.
Möglich sind auch generelle Handelsbeschränkungen für bestimmte Waren, wie etwa Medikamente.
Auch Einschränkungen bei Verbraucherrechten wie dem Widerrufsrecht sind denkbar. Dieses beruht auf national umgesetzten EU-Vorschriften, an die sich Staaten außerhalb der EU nicht halten müssen.

Was gilt für die Limited Company nach dem Brexit?


Rund 30.000 deutsche Existenzgründer haben sich für die Rechtsform der Limited Company, kurz Ltd., entschieden. Hier war eine Begrenzung der Haftung möglich, die Gründungskosten waren gering und der Bürokratieaufwand überschaubar.
Auch hier drohen mit dem Brexit spätestens ab 2021 Probleme. Zumindest Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland werden dann keine in Deutschland anerkannte Rechtsform mehr besitzen. Sie werden sich behandeln lassen müssen, als wären sie eine herkömmliche Personengesellschaft wie die OHG oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts - und damit entfällt die Haftungsbeschränkung. Ein Wechsel der Rechtsform ist dann dringend anzuraten.
Auch hier kann es dazu kommen, dass bis Ende 2020 Vereinbarungen ausgehandelt werden, die eine weitere Nutzung der Ltd. als Rechtsform ermöglichen. Die weitere Entwicklung ist abzuwarten.

Praxistipp zum Thema Brexit


Viele Details des Brexit sind zum jetzigen Zeitpunkt noch unsicher, da die wichtigsten Verhandlungen erst noch anstehen. Wer viel mit Großbritannien zu tun hat, sollte sich laufend über neue Entwicklungen informieren. Sollte es doch noch zu einem "harten Brexit" kommen, ist die Zeit um den Jahreswechsel 2020/2021 nicht als Reisezeit nach Großbritannien zu empfehlen. Es sei denn, man legt Wert darauf, das Verkehrschaos des Jahrhunderts zu erleben.

(Bu)


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 Stephan Buch
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