Erbschaft: Wie wirkt sich eine Schenkung auf den Pflichtteil aus?
30.09.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Kann der Erblasser Pflichtteile umgehen, indem er das Geld zu Lebzeiten verschenkt? © - freepik Das Wichtigste in Kürze
1. Ausgleich für Schenkungen: Ein vom Erblasser enterbter gesetzlicher Erbe hat einen Anspruch darauf, dass Schenkungen des Erblassers an Dritte bei der Berechnung des ihm zustehenden gesetzlichen Pflichtteils berücksichtigt werden. Das nennt man Pflichtteilsergänzungsanspruch.
2. Zehn-Jahres-Frist: Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten an Dritte gemacht hat, werden pro Jahr um 10 % weniger angerechnet, wenn sie länger als ein Jahr vor dem Tod erfolgt sind. Nach zehn Jahren bleiben sie komplett unberücksichtigt.
3. Besonderheiten bei Ehegatten: Bei Schenkungen zwischen Ehepartnern beginnt die Zehn-Jahres-Frist erst mit der Auflösung der Ehe – also in der Regel erst mit dem Tod eines der beiden Ehegatten oder der Scheidung.
1. Ausgleich für Schenkungen: Ein vom Erblasser enterbter gesetzlicher Erbe hat einen Anspruch darauf, dass Schenkungen des Erblassers an Dritte bei der Berechnung des ihm zustehenden gesetzlichen Pflichtteils berücksichtigt werden. Das nennt man Pflichtteilsergänzungsanspruch.
2. Zehn-Jahres-Frist: Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten an Dritte gemacht hat, werden pro Jahr um 10 % weniger angerechnet, wenn sie länger als ein Jahr vor dem Tod erfolgt sind. Nach zehn Jahren bleiben sie komplett unberücksichtigt.
3. Besonderheiten bei Ehegatten: Bei Schenkungen zwischen Ehepartnern beginnt die Zehn-Jahres-Frist erst mit der Auflösung der Ehe – also in der Regel erst mit dem Tod eines der beiden Ehegatten oder der Scheidung.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Welche Personen bekommen einen Pflichtteil? Kann der Erblasser den Pflichtteil schon zu Lebzeiten verschenken? Wie berechnet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch? Wogegen richtet sich der Anspruch auf Ausgleich einer Schenkung? Haben Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf Auskunft über Schenkungen des Erblassers? Fall aus der Praxis: Das verschwundene Erbe Praxistipp zu Pflichtteil und Schenkung Welche Personen bekommen einen Pflichtteil?
Pflichtteilsberechtigt sind nach § 2303 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Beispiel Abkömmlinge des Erblassers, die per Testament vom Erbe ausgeschlossen worden sind. Dies betrifft seine Kinder und auch seine Enkel, wenn die Kinder bereits verstorben sind. Auch vom Erbe ausgeschlossene Eltern und Ehepartner des Erblassers sowie gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartner können pflichtteilsberechtigt sein. Die Eltern erhalten nur dann einen Pflichtteil, wenn der Erblasser keine Kinder hat.
Kann der Erblasser den Pflichtteil schon zu Lebzeiten verschenken?
Viele Menschen möchten ihr Vermögen nicht vererben, sondern lieber "mit warmer Hand geben", es also zu ihren Lebzeiten verschenken, damit es derjenige bekommt, dem sie es wirklich zuwenden wollen – und nicht etwa ein Verwandter, mit dem sie sich überworfen haben. Folge wäre, dass ein enterbter Erbe, der ein Anrecht auf einen Pflichtteil hat, also z.B. ein Kind oder der Ehegatte des Erblassers, diesen mangels Erbmasse nicht erhalten kann.
Aus diesem Grund gibt es den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Das heißt: Der Erblasser kann zu Lebzeiten verschenken, was er möchte. Allerdings wird alles, was er oder sie in den letzten zehn Jahren vor dem Ableben verschenkt, fiktiv zum Nachlass hinzugerechnet und erhöht den Pflichtteil. Man tut für die Berechnung des Pflichtteils also so, als ob es diese Schenkung niemals gegeben hätte. Allerdings wird das Geschenk nicht komplett zum Nachlass gezählt.
Wie berechnet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Dies regelt das Gesetz in § 2325 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung seines Pflichtteils die Geldsumme verlangen, um die sich sein Pflichtteil erhöht, wenn man die Schenkung dem Nachlass hinzurechnet. Ein verbrauchbarer Gegenstand wird dabei mit dem Wert angesetzt, den er zur Zeit der Schenkung hatte. Andere Gegenstände setzt man mit dem Wert an, den sie zur Zeit des Erbfalls hatten – oder, falls ihr Wert zur Zeit der Schenkung geringer war, eben mit diesem geringeren Betrag.
Nach der Fristenregelung in § 2325 Abs. 3 hängt die Höhe der Anrechnung davon ab, wie lange die Schenkung bereits her ist. Wenn die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall stattgefunden hat, wird sie in voller Höhe angerechnet. Mit jedem weiteren Jahr vor dem Erbfall berücksichtigt man sie mit einem Zehntel weniger. Wenn seit der Schenkung zehn Jahre vergangen sind, wird die Schenkung überhaupt nicht mehr angerechnet. War die beschenkte Person der Ehegatte, beginnt die Frist nicht vor Auflösung der Ehe zu laufen.
Wogegen richtet sich der Anspruch auf Ausgleich einer Schenkung?
Grundsätzlich richtet sich der Pflichtteilergänzungsanspruch gegen den noch vorhandenen Nachlass des Erblassers. Anspruchsgegner sind der oder die Erben.
Reicht der Nachlass nicht aus, um eine Schenkung auszugleichen, sind auch direkte Ansprüche gegen den Beschenkten möglich. Ist der Beschenkte nicht selbst Erbe und hat der Pflichtteilsberechtigte gegen den Erben keinen durchsetzbaren Pflichtteilsergänzungsanspruch, weil der Nachlass zum Beispiel verschuldet ist, kann er den an seinem Pflichtteil fehlenden Betrag direkt vom Beschenkten verlangen (§ 2329 BGB).
Haben Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf Auskunft über Schenkungen des Erblassers?
Wenn ein Pflichtteilsberechtigter seinen Anspruch geltend machen möchte, muss er ihn natürlich erst einmal konkret beziffern können. Damit er dies kann, gewährt ihm § 2314 BGB einen Anspruch auf Auskunft gegen den Erben. Er darf also von diesem verlangen, ihn über die Höhe der Erbschaft zu informieren.
Wie sieht es jedoch nun bei Schenkungen zu Lebzeiten aus? Muss der Erbe offenlegen, dass er vor acht Jahren Geld geschenkt bekommen hat? Muss er womöglich Nachforschungen über Schenkungen anstellen, die an Nicht-Erben gegangen sind? Das Oberlandesgericht Stuttgart hat diese Frage mit "ja" beantwortet.
Fall aus der Praxis: Das verschwundene Erbe
Ein Mann war verstorben. Zu Lebzeiten hatte er bekanntermaßen 1.720 Euro im Monat verdient. Bei seinem Tod war sein Konto jedoch leer. Sein testamentarischer Erbe wollte nichts weiter unternehmen. Allerdings gab es einen Pflichtteilsberechtigten, der vom Erben Auskunft darüber verlangte, was mit dem Geld passiert sei. Daraufhin bot der Erbe an, ihm seinen Auskunftsanspruch gegenüber der Bank abzutreten, um selbst Nachforschungen anstellen zu können.
Das Gericht entschied jedoch, dass sich der Pflichtteilsberechtigte so nicht abspeisen lassen müsse. Dem OLG zufolge war der Erbe dazu verpflichtet, selbst Nachforschungen anzustellen – zum Beispiel durch Einsicht in alle Kontoauszüge, Sparbücher und Bankunterlagen. Dass ihm dadurch zusätzliche Kosten entstehen könnten, ändere nichts. Diese müsse der Erbe eben tragen. Im Übrigen müsse er auch Hinweisen aus der Verwandtschaft nachgehen und seine Verwandten fragen, wer das Geld bekommen habe. Wenn sich der Erbe weigere, solche Nachforschungen anzustellen, könne das Gericht gegen ihn ein Zwangsgeld verhängen (Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 26.1.2016, Az. 19 W 78/15).
Praxistipp zu Pflichtteil und Schenkung
Fragen rund um den Pflichtteil und die Auswirkungen einer Schenkung zu Lebzeiten können rechtlich sehr kompliziert sein. Daher lohnt es sich, einen Fachanwalt für Erbrecht zu Rate zu ziehen. Dieser kann Ihnen auf Ihre konkrete Situation abgestimmte Ratschläge geben.
(Bu)