Flugausfall: Welche Rechte haben Fluggäste?

15.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Flugausfall,Annullierung,Fluggesellschaft,Fluggast Ein Flugausfall sorgt meist für großen Ärger und bringt Zeitpläne durcheinander. © Bu - Anwalt-Suchservice

Ein Flugausfall bedeutet meist viel Ärger für Reisende. Flugpassagiere haben aber auch Rechte gegenüber der Fluggesellschaft. So kann zum Beispiel eine Entschädigung fällig werden.

Viele Flugreisende haben es schon erlebt: Da kommt man am Flughafen an, ist abreisebereit, beeilt sich, um rechtzeitig zum Gate zu kommen – aber der Flug ist abgesagt. Eine solche Flugannullierung kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Je nach Ursache haben Flugpassagiere bestimmte Rechte gegenüber der Fluggesellschaft.

Welche Rechte gibt die EU-Verordnung für Fluggastrechte Passagieren?


Seit 2004 räumt die Europäische Verordnung über Fluggastrechte Flugreisenden bei Nichtbeförderung, Annullierung des Fluges oder großen Verspätungen Ansprüche direkt gegen die Fluggesellschaft ein. Auch Pauschalreisende können direkt ihre Fluggesellschaft in Anspruch nehmen, ohne erst lange mit dem Reiseveranstalter über mögliche Reisemängel zu streiten. Wenn ein Flug abgesagt wird oder sich erheblich verspätet, können Reisende nach Verspätungsdauer und Flugstrecke gestaffelte Ausgleichszahlungen fordern. Nicht zu zahlen braucht die Fluggesellschaft, wenn sogenannte außergewöhnliche Umstände vorliegen, die nichts mit dem normalen Flugbetrieb zu tun haben und die sich außerhalb ihres Einflussbereiches abspielen.

Die EU-Verordnung gilt für Flüge,
- die in der EU angetreten werden oder
- die eine Fluggesellschaft mit Sitz in der EU (oder Island, Norwegen oder der Schweiz) durchführt und die ein EU-Land als Ziel haben.

Sie gilt nicht für Flüge aus Drittländern mit in Drittländern registrierten Airlines sowie für Flüge, die kostenlos sind oder die zu einem vergünstigten, nicht öffentlich verfügbaren Tarif angeboten werden. Letzteres umfasst nicht die Kundenbindungsprogramme der Fluggesellschaften oder der Reiseveranstalter.

Welche Rechte haben Fluggäste bei Flugausfällen?


Zunächst können von einer Flugannullierung betroffene Fluggäste wählen zwischen

- Erstattung der Ticketkosten für nicht zurückgelegte Reiseetappen oder auch für schon zurückgelegte, wenn die Reise durch die Annullierung einer Teilstrecke sinnlos geworden ist, ggf. in Verbindung mit einem Rückflug zum ersten Abflugort (außer Pauschalreisende),

- einer anderweitigen Beförderung zu vergleichbaren Konditionen zum endgültigen Ziel zum frühestmöglichen Zeitpunkt,

- einer anderweitigen Beförderung zu vergleichbaren Konditionen zum endgültigen Ziel zu einem späteren Zeitpunkt, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.

Außerdem können von einer Flugannullierung betroffene Flugpassagiere sogenannte Betreuungsleistungen der Fluggesellschaft direkt am Flughafen in Anspruch nehmen. Dies sind zum Beispiel kostenfreie Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit. Die Airlines händigen ihren Fluggästen in der Regel Gutscheine für Snacks oder Mahlzeiten im nächsten Flughafenrestaurant oder -imbiss aus. Ein Luxus-Dinner auf Kosten der Fluggesellschaft ist hier nicht gemeint.

Ebenso muss die Fluggesellschaft den Passagieren zwei kostenlose Anrufe oder den Versand von zwei Telefaxen oder E-Mails ermöglichen, damit diese ihre Familie, Arbeitgeber oder Geschäftspartner über den Flugausfall informieren können.

Liegt im Fall einer anderweitigen Beförderung die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges besteht auch Anspruch auf eine Hotelübernachtung und den Transfer zum Hotel.

Auch besteht ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen, also auf eine Geldentschädigung. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Fluggesellschaft den Flug rechtzeitig vorher absagt und einen Ersatzflug anbietet.

Wie lange vorher darf die Fluggesellschaft den Flug absagen?


Keine Ausgleichszahlung muss die Fluggesellschaft leisten, wenn sie den Fluggast mindestens zwei Wochen zuvor über die Annullierung informiert. Dies gilt auch, wenn der Passagier die Information in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor dem geplanten Abflug bekommt und ihm gleichzeitig ein Ersatzflug angeboten wird, welcher nicht mehr als zwei Stunden vor dem geplanten Flug abhebt und spätestens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit das Reiseziel erreicht.

Die Fluggesellschaft kann sogar noch weniger als sieben Tage vor dem Flug den Start absagen, ohne Entschädigung zahlen zu müssen. Dazu muss sie einen Ersatzflug anbieten, der nicht mehr als eine Stunde vor dem planmäßigen Abflug abhebt und nicht später als zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunft ankommt.

Wie hoch ist der Ausgleichsanspruch bei einer Fluganullierung?


Unter den oben genannten Voraussetzungen haben Fluggäste Anspruch auf eine Entschädigung. Diese beträgt:

a) 250 Euro bei allen Flügen über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger,
b) 400 Euro bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km
und 3.500 km,
c) 600 Euro bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Bei der Ermittlung der Entfernung legt man den letzten Zielort zugrunde, an dem der Fluggast infolge der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.

Die Fluggesellschaft darf allerdings die Entschädigung um 50 Prozent kürzen, wenn sie den Fluggästen einen Alternativflug anbietet, mit dem diese – je nach Flugentfernung nach den oben genannten Entfernungsschritten – ihr Ziel mit zwei, drei oder vier Stunden Verspätung erreichen.

Dürfen Fluggäste nach einer Flugannullierung den Ersatztermin frei wählen?


Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Fluggäste nach einer Flugannullierung frei ihren Termin für den Ersatzflug wählen dürfen. Dieser muss also nicht sofort oder "in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang" zum annullierten Flug gebucht werden, wie von einigen Fluglinien bisher verlangt. Die Fluggesellschaft darf auch kein zusätzliches Entgelt verlangen, wenn der Ersatzflug erst später in Anspruch genommen wird. Voraussetzung ist jedoch, dass freie Plätze vorhanden sind. In dem Verfahren ging es um Flüge, die infolge der Corona-Pandemie gestrichen worden waren. Die Fluggäste wollten ihr Recht auf kostenlose Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt dann erst drei bis sechs Monate später ausüben (Urteil vom 27.6.2023, Az. X ZR 50/22).

Wann dürfen Fluggesellschaften Ausgleichszahlungen verweigern?


In einem Fall dürfen die Fluggesellschaften Ausgleichszahlungen bei Annullierungen verweigern: wenn diese auf außergewöhnlichen Umständen beruhen, für die die Airline nichts kann. Die Beweislast dafür trägt die Fluggesellschaft.

Technische Mängel am Flugzeug sind keine außergewöhnlichen Umstände. Auch eine Kollision mit Vögeln fällt nicht darunter (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 4.5.2017, Az. C-315/15). In solchen Fällen muss die Fluggesellschaft eine Entschädigung bezahlen.

Verspätet sich zum Beispiel ein Flug von Deutschland nach Menorca, weil in Griechenland das Radar der Flugleitstelle ausgefallen ist, handelt es sich laut Bundesgerichtshof um einen außergewöhnlichen Umstand (Urteil vom 12.6.2014, Az. X ZR 104/13). Dies gilt ebenso für Generalstreiks im Urlaubsland, Stürme oder Naturkatastrophen.

Kann ein Flugzeug nicht starten, weil ein Zulieferer der Fluggesellschaft im Winter nicht genug Enteisungsmittel bestellt hat, ist dies kein außergewöhnlicher Umstand. Die Fluggesellschaft muss eine Entschädigung für den Flugausfall zahlen. Dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zufolge müssen Luftfahrtunternehmen dafür sorgen, dass für ihre Flugzeuge die nötigen Betriebsstoffe bereitstehen. Dazu gehört im Winter auch Enteisungsmittel – auch, wenn dessen Beschaffung Sache eines Zulieferers ist (Urteil vom 19.11.2013, Az. 2 U 3/13).

Welche Informationen muss die Fluggesellschaft den Passagieren geben?


Die EU-Verordnung schreibt vor, dass Fluggesellschaften ihre Passagiere über deren Rechte informieren müssen. Wird Passagieren die Beförderung verweigert, ihr Flug annulliert oder verspätet sich ihr Abflug um mindestens zwei Stunden, muss an der Abfertigung ein gut lesbarer Hinweis angebracht werden. Dieser muss sie darauf hinweisen, dass sie am Abfertigungsschalter oder am Gate schriftliche Auskunft über ihre Rechte verlangen können. Blinde oder sehbehinderte Fluggäste müssen in anderer geeigneter Form informiert werden.

Kann ich zusätzlich Ansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend machen?


Nein. Eine Entschädigungsleistung nach der Fluggäste-Verordnung schließt eine zusätzliche Entschädigung wegen Reisemängeln durch den Reiseveranstalter aus (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.9.2014, Az. X ZR 126/13).

Was ist die Schlichtungsstelle für Flugverkehr?


Für Fluggäste gibt es seit November 2013 bei Problemen mit Fluggesellschaften die Schlichtungsstelle für Flugverkehr. Dort finden sich neutrale Schlichter. Diese hören sich die beteiligten Parteien an und unterbreiten ihnen dann einen Schlichtungsvorschlag. Einigen sich beide Seiten darauf, gilt der Vorschlag als angenommen. Einigen sie sich nicht, können die Fluggäste den Rechtsweg einschlagen. Für die Fluggäste ist das Schlichtungsverfahren kostenfrei. Zuständig ist die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp e. V.), https://soep-online.de.

Wie kann man als Fluggast seine Rechte geltend machen?


Bei Flugannullierungen können sich Fluggäste zwecks Entschädigung direkt an die Fluggesellschaft wenden. Das Ticket sollte man als Beweismittel aufheben. Einige Fluggesellschaften zahlen die Entschädigung ohne Weiteres. Fluggäste können jedoch ihren Fall auch einem der online werbenden Dienstleister übergeben. Zum Teil kaufen diese die Forderung gegen die Fluggesellschaft auf, zahlen den Fluggast aus und machen den Anspruch selbst geltend. Oder sie vertreten die Rechte des Passagiers gegenüber der Fluggesellschaft und der Fluggast zahlt im Falle eines Erfolges einen Teil der Entschädigung als Gebühr. Nicht zuletzt können Flugpassagiere natürlich auch einen Rechtsanwalt mit dem Fall beauftragen. Dies empfiehlt sich speziell bei komplizierteren Fällen, bei denen eine Standardlösung ausscheidet.

Praxistipp zum Flugausfall


Der beste Rechtsanwalt ist in diesem Fall ein Jurist, der sich auf das Reiserecht spezialisiert hat. Ein solcher Rechtsanwalt kennt die aktuelle Rechtsprechung zu Flugannullierungen und kann die Erfolgsaussichten eines juristischen Vorgehens auch bei einem ungewöhnlichen Fall am besten einschätzen.

(Wk)


 Günter Warkowski
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