Flugverspätung: Welche Rechte haben Flugreisende?

03.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Flugverspätung,Fluggastrechte,Entschädigung,Fluggesellschaft Bei einer Flugverspätung haben Reisende verschiedene Rechte. © - freepik

Flugverspätungen sorgen gerade im Sommer oft für Stress und Ärger bei Urlaubern und Geschäftsreisenden. Aber: Flugreisende haben Rechte und in vielen Fällen winkt eine Entschädigung. Allerdings diskutieren europäische Politiker auch darüber, Entschädigungen für Fluggäste zu reduzieren. Was ist dran an diesen Berichten?

Seit 2004 räumt die Europäische Verordnung über Fluggastrechte Flugreisenden bei großen Verspätungen Ansprüche ein, die sie direkt gegen die Fluggesellschaft geltend machen können. Dies hat nichts mit den Ansprüchen bei Reisemängeln nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu tun. Die EU-Verordnung ermöglicht es also nicht nur Reisenden mit einzeln gebuchten Flügen, sondern auch Pauschalreisenden, ganz einfach ihre Rechte gegen die Fluggesellschaft geltend zu machen – ohne erst Ansprüche gegen einen Reiseveranstalter anzumelden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Fluggesellschaft an dem Problem schuld ist. Wenn ein Flug abgesagt wird oder sich erheblich verspätet, können Reisende nach Verspätungsdauer und Flugstrecke gestaffelte Ausgleichszahlungen verlangen. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Fluggesellschaft nicht zahlen muss.

Dieser Rechtstipp behandelt Flugverspätungen. Zu Flugausfällen, Fluganullierungen und den Folgen von Streiks am Flughafen können Sie sich hier informieren:
Warnstreik, Flugverspätung und Flugausfall: Das ist Ihr gutes Recht!

Für welche Flüge gilt die EU-Verordnung?


Die EU-Fluggastrechteverordnung gilt für Flüge,

- die in der EU angetreten werden oder
- die eine Fluggesellschaft mit Sitz in der EU (oder Island, Norwegen oder der Schweiz) durchführt und die ein EU-Land als Ziel haben.

Nicht anwendbar ist sie auf Flüge aus Drittländern mit in Drittländern registrierten Airlines. Ebenfalls nicht auf Flüge, die kostenlos sind oder die zu einem vergünstigten Tarif angeboten werden, der der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung steht. Damit sind allerdings nicht die Kundenbindungsprogramme der Fluggesellschaften oder der Reiseveranstalter gemeint.

Was ist die Grundvoraussetzung für eine Entschädigung?


Flugpassagiere können nur dann Ansprüche wegen einer Flugverspätung geltend machen, wenn sie mindestens 45 Minuten vor dem geplanten Abflug am Gate waren – oder zu der Zeit, die die Fluggesellschaft oder das Reiseunternehmen ihnen vorher schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat.

Welche Rechte haben Fluggäste generell bei Flugverspätungen?


Wer als Flugpassagier von einer Flugverspätung betroffen ist, kann zunächst sogenannte Unterstützungs- und Betreuungsleistungen der Fluggesellschaft direkt am Flughafen in Anspruch nehmen. Dies sind etwa kostenfreie Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit. Ein luxuriöses Fünf-Gänge-Menü ist hier nicht gemeint: Meist händigen die Airlines ihren Fluggästen Gutscheine für Snacks oder Mahlzeiten im nächsten Flughafenrestaurant oder -imbiss aus.

Die Fluggesellschaft muss ihren Passagieren auch zwei kostenlose Anrufe oder den Versand von zwei Telefaxen oder E-Mails ermöglichen, damit sie ihre Familie, Arbeitgeber oder Geschäftspartner informieren können. Die genannten Leistungen muss die Fluggesellschaft immer gewähren, wenn sie absehen kann, dass sich der Abflug gegenüber der planmäßigen Abflugzeit wie folgt verspäten wird:

- bei allen Flügen über eine Entfernung bis zu 1.500 km um zwei
Stunden oder mehr oder
- bei allen Flügen innerhalb der EU über eine Entfernung von mehr
als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen
1.500 km und 3.500 km um drei Stunden oder mehr oder
- bei allen nicht unter die ersten beiden Punkte fallenden Flügen um vier Stunden oder mehr.

Wann muss die Fluggesellschaft ein Hotel bezahlen?


Ist zu erwarten, dass ein Flugpassagier wegen einer Abflugverspätung erst am Tag nach seiner planmäßigen Ankunft am Reiseziel eintrifft, muss ihn die Fluggesellschaft in einem Hotel unterbringen und einen kostenlosen Transfer zwischen Flughafen und Hotel organisieren, zum Beispiel per Taxi.

Flugverspätung: Was, wenn das Warten zu lange dauert?


Verspätet sich ein Flug um mindestens fünf Stunden, haben die Flugpassagiere die Wahl zwischen:

- einer Erstattung der Ticketkosten für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte (wenn der Reiseplan durch die Verspätung sinnlos geworden ist), ggf. plus Rückflug zum ersten Abflugort,
- einer schnellstmöglichen anderweitigen Beförderung zum endgültigen Reiseziel,
- einer anderweitigen Beförderung zum endgültigen Reiseziel zu einem späteren Zeitpunkt, soweit Plätze vorhanden.

Wann gibt es eine finanzielle Entschädigung?


Erreichen Fluggäste ihr endgültiges Ziel mit über drei Stunden Verspätung, können sie eine finanzielle Entschädigung verlangen. Dieser Anspruch beruht ursprünglich nicht direkt auf der EU-Verordnung, sondern auf zwei Urteilen des Europäischen Gerichtshofes (23. Oktober 2012, Az. C-581/10 und C-629/10). Die Höhe hängt von der Flugentfernung ab und entspricht der Entschädigung bei Flugannullierungen:

- 250 Euro bei allen Flügen über eine Entfernung bis 1.500 km,
- 400 Euro bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung
von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung
zwischen 1.500 km und 3.500 km,
- 600 Euro bei allen anderen Flügen.

Was gilt, wenn ich einen verspäteten Flug nicht antrete?


Wer vorher erfährt, dass sich sein Flug verspäten wird, darf nicht einfach zu Hause bleiben und eine Entschädigung fordern. Ebenso darf man in dieser Situation nicht einfach selbst von zu Hause aus einen Ersatzflug buchen. Wer so handelt, bekommt keine Entschädigung von der Fluggesellschaft. Schließlich ist ihm gar kein Schaden entstanden. Anders als bei einer Fluganullierung müssen sich Flugpassagiere also auch bei einer erwarteten Verspätung zumindest pünktlich am Gate einfinden. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Urteil vom 25.1.2024, Az. C-474/22).

Wann dürfen Fluggesellschaften eine Entschädigung für Flugverspätungen verweigern?


Fluggesellschaften müssen keine Entschädigung leisten, wenn die Verspätung auf sogenannten außergewöhnlichen Umständen beruht, die sich außerhalb ihres Einflussbereichs abspielen und mit denen sie im normalen Flugbetrieb nicht rechnen müssen.

Beispiele für solche außergewöhnlichen Umstände sind:

- Generalstreik im Urlaubsland,
- Stürme und Naturkatastrophen,
- Radarausfall bei ausländischer Flugsicherung (BGH, 12.6.2014, Az. X ZR 104/13).

Technische Probleme am Flugzeug sind kein außergewöhnlicher Umstand.

Eine Verspätung durch einen randalierenden Passagier auf dem vorherigen Flug der Maschine beruht auf einem außergewöhnlichen Umstand. Voraussetzung: Die Fluggesellschaft muss alles ihr Mögliche getan haben, um eine Verspätung des nächsten Fluges dieser Maschine zu vermeiden (Urteil vom 11.6.2020, Az. C-74/19).

Schlechtes Wetter allein, etwa Gewitter oder starke Regen- oder Schneefälle, sind noch kein außergewöhnlicher Umstand. Dies hat das Landgericht Lübeck entschieden. In diesem Fall hatte starker Wind den Flugplan zwischen Deutschland und Griechenland durcheinandergebracht. Fluggesellschaften müssten sich auf schlechtes Wetter einstellen, so das Gericht (Urteil vom 16.6.2023, Az. 14 S 33/23).

Verspätet sich ein Flug, weil die Maschine am Vortag vom Blitz getroffen wurde und noch repariert werden muss, ist eine Ausgleichszahlung fällig. Ein Blitzschlag zählt zwar durchaus als außergewöhnlicher Umstand. Wenn aber ein Tag dazwischenliegt, muss die Airline ein Ersatzflugzeug organisieren (AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 17.2.2016, Az. 4 C 1942/15).

Wie muss die Fluggesellschaft die Passagiere informieren?


Gemäß der EU-Verordnung müssen die Fluggesellschaften ihre Passagiere über deren Rechte informieren. An der Abfertigung muss ein gut lesbarer Hinweis angebracht sein, der besagt, dass Passagiere, deren Flug sich um mindestens zwei Stunden verspätet, am Abfertigungsschalter oder am Gate schriftliche Auskunft über ihre Rechte verlangen können. Die Airline muss jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis auf die Leistungen übergeben. Blinde oder sehbehinderte Fluggäste müssen in anderer geeigneter Form informiert werden.

Schließt die Entschädigung weitere Ansprüche der Fluggäste aus?


Wenn ein Flugpassagier wegen einer Verspätung einen Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung gegen seine Fluggesellschaft geltend gemacht hat, kann er nicht noch zusätzlich aus dem gleichen Grund eine Minderung des Reisepreises vom Reiseveranstalter einklagen (BGH, Urteil vom 30.9.2014, Az. X ZR 126/13).

Werden die Rechte von Flugpassagieren künftig eingeschränkt?


Anfang Juni 2025 haben die EU-Verkehrsminister in Luxemburg über eine Änderung der Fluggastrechte diskutiert. Dabei ging es darum, die Fälle, in denen Flugpassagiere zum Beispiel bei einer Verspätung eine Entschädigung erhalten können, zu reduzieren. Dies könnte geschehen, indem eine Entschädigung erst ab fünf Stunden Verspätung fällig wird und nicht schon ab drei Stunden. Auch ein Kompromiss mit vier Stunden erscheint möglich. Deutschland hat sich dafür ausgesprochen, die Schwelle von drei Stunden so zu lassen, die Entschädigung aber in allen Fällen auf höchstens 300 Euro zu beschränken. Bisher gibt es keine Einigung auf EU-Ebene. Wann mit einer Reform zu rechnen ist, steht nicht fest.

Praxistipp zur Flugverspätung


Möchten Sie sich zum Thema Flugverspätung beraten lassen? Dann ist ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt der beste Ansprechpartner. Er kann Ihren Anspruch prüfen und kennt die aktuelle Rechtsprechung zu möglichen Ausnahmefällen.

(Bu)


 Stephan Buch
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