Reiserecht: Flugzeiten geändert- Flug verpasst, und jetzt?

07.08.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (837 mal gelesen)
Flugzeiten,Anzeigetafel Dürfen Reiseveranstalter Flugzeiten ändern? © Rh - Anwalt-Suchservice

Ein Alptraum für Flugreisende: Pünktlich steht man am Flughafen, aber der gebuchte Flug erscheint nicht auf der Anzeigentafel. Haftet der Reiseveranstalter, wenn er die Flugzeiten ändert?

Es kommt immer wieder vor, dass Abflugzeiten von Flügen sich ändern. Im komplexen Betrieb eines modernen Flughafens ist dies auch nicht anders möglich. Aber: Viele Reisen werden immer länger im Voraus gebucht, wofür Reiseveranstalter und Airlines auch gerne Werbung machen. Je mehr Zeit dann zwischen Buchung und Abreise liegt, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Fluggesellschaft oder am Flughafen irgendwelche Umstände eintreten, die eine Flugplanänderung erfordern. Reiseveranstalter versuchen zum Teil, sich durch fantasievolle Klauseln in ihren Verträgen abzusichern. Für die Reisenden sind geänderte Flugzeiten immer ein Ärgernis, das nicht selten vor Gericht landet.

Welche Verantwortung muss der Reiseveranstalter übernehmen?


Bei Pauschalreisen ist der Vertragspartner des Passagiers nicht die Fluggesellschaft, sondern der Reiseveranstalter. Ist dieser nun verpflichtet, seine Kunden vor der Abreise auf die geänderten Flugzeiten hinzuweisen? Oder ist ein allgemeiner Hinweis ausreichend, dass sich die Zeitpläne ändern können?

Das Amtsgericht München beschäftigte sich 2013 mit einem Fall, in dem ein Mann eine Orient-Kreuzfahrt mit Anreise per Flugzeug gebucht hatte. Reisebeginn sollte am 16.12. sein. In seiner Buchungsbestätigung stand der Hinweis: “Abflugtag ggf. am Vortag”. In der Reisebeschreibung war erläutert, dass der Abflug meist am Vortag der eigentlichen Reise erfolge; die endgültigen Flugdaten und die Kabinennummer für das Schiff könnten die Kunden aus den Reiseunterlagen ersehen.

Diese Unterlagen wurden dem Kunden zugeschickt – inklusive Flugtickets mit dem Abflugdatum 15.12. und den genauen Flugzeiten. Nur: Der Kunde sah sich die Unterlagen erst am 16.12. an, als er abreisen wollte. Da war es für den Antritt seiner Reise aber schon zu spät. Daraufhin forderte er vom Reiseveranstalter die Rückerstattung des gesamten Reisepreises, weil ihn dieser nicht mit einem besonderen Schreiben auf die Flugzeiten hingewiesen habe.

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil


Das Amtsgericht München entschied: Ein Reiseunternehmen ist nicht verpflichtet, den Reisenden in einem weiteren Schreiben zusätzlich zu den Reiseunterlagen auf die Flugzeiten hinzuweisen. In der Buchungsbestätigung und der Reisebeschreibung fänden sich klare und verständliche Hinweise auf den Abflug am Vortag der Kreuzfahrt. Nichts lasse darauf schließen, dass sich die Reisenden darauf verlassen könnten, erst am 16.12. vom Flughafen zu starten. Einem Reisenden könne man durchaus zumuten, die ihm rechtzeitig zugeschickten Reiseunterlagen dann auch zu lesen (Urteil vom 3.05.13, Az. 281 C 3666/13).

Was dürfen Reiseveranstalter in ihren AGB regeln?


Der Bundesgerichtshof entschied 2013 zu den Klauseln in manchen Reiseverträgen. Konkret hieß es in diesem Fall:

"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen."
und:
"Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."

Der BGH erklärte beide für unwirksam. Durch die erste Klausel werde ein Hauptversprechen des Reisevertrages frei abänderbar - nicht nur, wenn feste Flugzeiten genannt seien, sondern auch bei von Anfang an fest vereinbarten Zeiten. "Voraussichtliche" Flugzeiten müssten zwar nicht zwingend eingehalten werden. Sie dürften jedoch auch nicht ohne vernünftigen Grund geändert werden. Der Reisende habe ein Recht darauf, dass keine Änderungen ohne guten Grund stattfänden und dass nicht der vorgesehene Zeitrahmen für die Reise völlig abgeändert werde. Die erste Klausel ermögliche dem Reiseveranstalter aber genau das: Willkürliche Änderungen ohne guten Grund und ohne Einschränkung. Für Reisende sei dies nicht zumutbar.

Die zweite Klausel erlaube es dem Reiseveranstalter, sich einer vertraglichen Bindung zu entziehen, die dadurch entstehe, dass das Reisebüro dem Kunden Zeiten mitteile. Auch dies sei eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers (Urteil vom 10.12.2013, Az. X ZR 24/13).

Anmerkung dazu: Dieses Urteil bezieht sich auf den Fall, dass Flugzeiten angegeben werden - feste oder voraussichtliche. Diese dürfen dann nicht durch den Vertrag frei abänderbar sein. Ob der Veranstalter bei der Buchung überhaupt Zeiten angeben muss, ist aber eine andere Frage:

Muss der Reiseveranstalter in der Reisebestätigung genaue Flugzeiten mitteilen?


Wie schon gesagt: Mancher bucht heute so lange im Voraus, dass die genauen Flugzeiten noch gar nicht feststehen. In der Reisebestätigung - also der Bestätigung der Buchung - verzichten daher manche Reiseveranstalter auf eine genaue Angabe. Diese erfolgt erst in den vor der Reise zugeschickten Reiseunterlagen.

Der Bundesgerichtshof musste sich - auf die Klage eines Verbraucherschutzverbandes hin - auch mit einer Angabe in der Reisebestätigung beschäftigen, die lautete: "Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt", verbunden mit dem Datum des Hin- und Rückfluges. Die Verbraucherschützer hielten dies für unzulässig.

Der BGH war hier jedoch anderer Meinung. In einem Reisevertrag könne vereinbart werden, dass die genauen Zeitpunkte für die Hin- und Rückreise, insbesondere die genauen Uhrzeiten, erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt würden. Vereinbarten die Vertragspartner des Reisevertrags bei dessen Abschluss nur das Datum und nicht die Uhrzeit, müsse auch die Reisebestätigung keine weiteren Angaben enthalten.
Auch § 6 Abs. 2 Nr. 2 der BGB-InfoV (BGB-Informationspflichten-Verordnung) verpflichte den Reiseveranstalter nur, den Reisenden über die Vereinbarungen zum Thema Flugzeiten im Reisevertrag zu informieren. Die Vorschrift enthalte keine Pflicht, sofort bei Vertragsabschluss exakte Flugzeiten anzugeben.
Die Angabe "Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!" gebe in solchen Fällen den Inhalt des Reisevertrags zutreffend wieder und sei daher nicht zu beanstanden (Urteil vom 16.9.2014, Az. X ZR 1/14).

Ist eine Flugzeitänderung sechs Wochen vorher zulässig?


2017 wurde vor dem Landgericht Hannover über eine Flugplanänderung gestritten. Eine junge Mutter hatte mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Kleinkind einen Urlaub auf Mallorca gebucht. Der Rückflug von Palma nach Frankfurt sollte um 13:40 Uhr starten. Sechs Wochen vor Reisebeginn teilte der Reiseveranstalter mit, dass sich die Rückflugzeit geändert habe: Jetzt starte der Rückflug um 19:25 mit einer anderen Fluggesellschaft.
Die junge Frau freute sich nicht über die zusätzlichen Stunden auf Mallorca. Schließlich würde sie nun mit ihrem Kleinkind erst spät in der Nacht zu Hause ankommen. Nachdem der Veranstalter auf Anfrage erklärte, an den Flugzeiten nichts ändern zu können, buchte sie für 13:15 Uhr die Rückflüge mit Lufthansa und verlangte vom Reiseveranstalter die Erstattung von etwa 600 Euro Kosten für die zusätzlichen Flugtickets.

Wann liegt ein Reisemangel vor?


Der Reiseveranstalter verweigerte dies mit dem Argument, dass eine derartige Selbsthilfe höchstens bei einem erheblichen Mangel der vertraglich vereinbarten Reiseleistung in Betracht komme. Die Reise sei jedoch durch die verschobene Abflugzeit nicht beeinträchtigt worden. Vielmehr habe sich der Urlaub sogar verlängert.

Das Landgericht Hannover war anderer Ansicht: Reisende müssten zwar eine gewisse Verschiebung der Abflugzeit hinnehmen. Eine Verschiebung um mehr als vier Stunden ginge aber über das Zumutbare hinaus und stelle einen Reisemangel dar. Insbesondere wegen des Kleinkindes sei es hier besonders wichtig gewesen, dass die zunächst mitgeteilten Flugzeiten auch eingehalten würden. Das Gericht gestand der Frau den Anspruch auf Ersatz der Lufthansa-Tickets zu (Urteil vom 27. April 2017, Az. 8 S 46/16).

Ob die Entscheidung allerdings ohne Kleinkind genauso ausgefallen wäre, ist eine andere Frage. Die Chancen auf Schadensersatz im Rahmen der Ticketkosten für einen Ersatzflug dürften jedoch generell höher sein, wenn der Reisende einen guten Grund hat, pünktlich den Rückflug anzutreten. Hier zeigt sich, wie viel Einfluss die jeweilige Fallkonstellation hat.

Praxistipp


Flugreisende sollten vor dem Abflug noch einmal überprüfen, ob es tatsächlich bei den zunächst genannten Zeiten geblieben ist. Kommt es zum Streit mit dem Reiseveranstalter, sollten Sie sich durch einen auf das Zivilrecht bzw. das Reisevertragsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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