Haustürgeschäft: Wie lange ist ein Widerruf möglich?

10.07.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (13649 mal gelesen)
Klingel,Haustür,Hausnummer Gibt es Fristen für den Widerruf von sogenannten Haustürgeschäften? © Bu - Anwalt-Suchservice

Wer ein sogenanntes Haustürgeschäft abschließt, will oft nachträglich aus dem Vertrag aussteigen. Tatsächlich hat man ein Widerrufsrecht. Allerdings wird um die Einzelheiten oft gestritten.

Verbraucher haben heute das Recht, einen Vertrag ohne weitere Begründung zu widerrufen, der im Fernabsatz (online oder telefonisch) oder generell außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen wurde.
Zu den letzteren Verträgen zählt auch das sogenannte Haustürgeschäft, also ein Vertragsabschluss an der Haustür.
Dieser Begriff wird heute seltener verwendet. Als Geschäfte außerhalb von Geschäftsräumen zählen nämlich nicht nur Vertragsabschlüsse an der Haustür, sondern auch in einer Privatwohnung, am Arbeitsplatz, auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Verbrauchermessen, bei Weinproben, auf Kaffeefahrten oder anderen im Interesse des Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltungen. Auch ein Vertrag, der bei einer Marketing-Aktion in der Fußgängerzone abgeschlossen wird, gehört dazu. Bei all diesen Geschäften ist also ein Widerruf möglich. Achtung: Dauerhafte Verträge über regelmäßige Spenden für Organisationen aller Art lassen sich nicht ohne Weiteres widerrufen.

Wie lange kann man den Vertrag widerrufen?


Verträge, die auf einer Freizeitveranstaltung (etwa einer “Kaffeefahrt”) oder bei einem Vertreterbesuch zu Hause geschlossen werden (“Haustürgeschäfte”), kann man normalerweise nur innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Aber: Diese Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn dem Kunden eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung ausgehändigt wird.
Ordnungsgemäß bedeutet, dass es sich nicht um irgendeine Widerrufsbelehrung handeln darf, sondern, dass diese nach aktuellen rechtlichen Maßstäben wirksam sein muss.

War dies nicht der Fall, führte es lange Zeit zu einem sogenannten "ewigen Widerrufsrecht": Auch noch nach Jahren konnte ein Vertrag widerrufen werden, weil die Widerrufsfrist nie zu laufen begonnen hatte.

Dies ist heute allerdings nicht mehr so. Nach § 356 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches erlischt das Widerrufsrecht spätestens nach zwölf Monaten plus 14 Tagen. Das "ewige Widerrufsrecht" ist Geschichte.

Immerhin kann sich eine Widerrufsfrist durch Verwendung einer unwirksamen Widerrufsbelehrung von 14 Tagen auf ein Jahr und 14 Tage verlängern.

Wann ist eine Widerrufsbelehrung unwirksam?


Unternehmen haben immer wieder unwirksame Widerrufsbelehrungen benutzt. Die Gründe für die Unwirksamkeit sind immer unterschiedlich. Im konkreten Fall kann nur ein Fachmann feststellen, ob eine solche Belehrung rechtswirksam ist. Hier jedoch einige Beispiele:

Bis Anfang 2008 und zum Teil darüber hinaus haben viele Unternehmen bei ihrem Direktvertrieb insbesondere von Verlagsprodukten an Kunden einen Text verwendet, den einst das Bundesjustizministerium empfohlen hatte. Später wurde dieser Text jedoch als rechtlich unwirksam angesehen. Gerichte entschieden, dass die Verwendung dieser Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht zum Laufen brachte. Kunden konnten daher auch lange nach Ablauf der 14 Tage noch den Vertrag rückgängig machen und ihr Geld zurückbekommen.

Der damalige Text lautete:
“Der Käufer kann die Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an: ..."

Angegriffen wurde die Widerrufsbelehrung mit zwei Argumenten:
Erstens erwecke der Text den Eindruck, dass der Widerruf auch durch Rücksendung der Ware erfolgen könne, obwohl der damals angegriffene Verlag die Ware immer erst dann herausgab, wenn die Widerrufsfrist schon abgelaufen war.
Zweitens enthalte der Text keinen Hinweis auf die genauen Rechtsfolgen von Widerruf und Rückgabe, obwohl das für Haustürgeschäfte im Gesetz so vorgeschrieben sei.

Das Landgericht Koblenz sah das zweite Argument als stichhaltig an und befasste sich nicht näher mit dem ersten (Urteil vom 20.12.2006, Az. 12 S 128/06). Der Bundesgerichtshof hielt das erste Argument für überzeugend und prüfte das zweite nicht mehr. Da der Verlag die Revision zurückzog, kam es nicht zu einem Urteil des BGH. Das Urteil des Landgerichts ist rechtskräftig.

Ein weiteres Beispiel: 2007 erklärte der Bundesgerichtshof folgende Widerrufsbelehrung bei Haustürgeschäften für unwirksam:

"Sie können Ihre Bestellung innerhalb von zwei Wochen ab Aushändigung dieser Belehrung ohne Begründung in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der bestellten Gegenstände gegenüber ... widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Im Falle des Widerrufs müssen Sie die erhaltene Sache zurück- und gezogene Nutzungen herausgeben. Ferner haben Sie Wertersatz zu leisten, soweit die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, Sie den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet haben oder die erhaltene Sache sich verschlechtert hat oder untergegangen ist. Die durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung bleibt außer Betracht."

Der Fehler: Hier war nicht darauf hingewiesen worden, dass im Falle des Widerrufs die gesetzlichen Vorschriften des Rücktritts anwendbar sind, sodass Verbraucher unter anderem ein Recht auf Zinszahlung gegen das Unternehmen haben (Urteil vom 12.4.2007, Az. VII ZR 122/06).

Hier konnten Verbraucher nach damaliger Rechtslage tatsächlich noch jahrelang ihre Verträge widerrufen. Heute ist dies - wie oben dargelegt - anders.

Wann beginnt die Widerrufsfrist zu laufen?


Der Fristbeginn hängt davon ab, worum es bei dem Geschäft geht.

Bei einem Kaufvertrag über Waren beginnt die Frist

- wenn der Verbraucher die Ware erhält,
- bei einheitlicher Bestellung von mehreren Teilen mit Erhalt des letzten Stücks,
- bei mehreren Teilsendungen mit der letzten Teillieferung,
- bei Verträgen über regelmäßige Lieferungen mit Erhalt der ersten Lieferung,
- bei einem Vertrag, der die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, die Lieferung von Fernwärme oder die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten zum Gegenstand hat, mit Vertragsschluss.

Zusätzlich beginnt die Widerrufsfrist wie erwähnt erst mit Erhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung.
Bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag muss der Verbraucher diese auf Papier oder mit seiner Zustimmung auf einem anderen dauerhaften Datenträger (etwa CD-ROM oder E-Mail) bekommen.

Was ist beim Widerruf zu beachten?


Nach heutiger Rechtslage können Verbraucher einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag widerrufen, ohne Gründe anzugeben. Sie müssen jedoch dem Unternehmen den Widerruf ausdrücklich mitteilen, zum Beispiel per E-Mail. Bei vielen Haustürgeschäften wird aus Beweisgründen eher ein Einschreiben mit Rückschein empfohlen, da hier nicht selten Unternehmen tätig sind, die in einer Grauzone operieren. Eine einfache Rücksendung der Ware ohne Kommentar war früher ausreichend, ist es heute jedoch nicht mehr.

Der Widerruf führt dazu, dass der Vertrag als nicht geschlossen gilt. Beide Seiten müssen die jeweiligen Leistungen zurückgeben. Die Rücksendekosten für Waren trägt üblicherweise der Verbraucher.

Auch wenn die 14-Tages-Frist verpasst ist, können Verbraucher immer noch Rechte geltend machen, weil die Ware oder Dienstleistung mangelhaft ist. Auch hier kann ein Rücktritt vom Vertrag möglich sein. Bei Kaufverträgen über Neuware verjähren die Mängelansprüche innerhalb von zwei Jahren, diese Frist gilt auch für Werkverträge mit Handwerkern. Bei Bauleistungen gelten andere Regeln.

Wann ist eine Widerrufsbelehrung wasserdicht?


Bei Verwendung der heute aktuellen gesetzlichen Muster-Widerrufsbelehrung ist davon auszugehen, dass diese rechtlich nicht angreifbar ist. Zu finden ist dieser Text in der Anlage 1 zu Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) oder hier:

https://www.gesetze-im-internet.de/bgbeg/art_253anlage_1.html

Die Verwendung dieses Textes ist für Unternehmen keine Pflicht. Diese können also nach wie vor eigene Texte verwenden.

Widerrufsrecht gegenüber Handwerkern


Auch an der Haustür geschlossene Werkverträge mit Handwerkern können widerrufen werden. Darauf wies das Landgericht Coburg hin. In dem Fall ging es um den Auftrag, die Heizung eines Einfamilienhauses von Öl auf Gas umzustellen. Das Unternehmen hatte den Kunden nicht über sein Widerrufsrecht belehrt. Dieser widerrief nach Ablauf der 14-tätigen Frist und bekam Recht. Dass das Unternehmen bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten begonnen hatte, änderte daran nichts (Urteil vom 9.8.2018, Az. 21 O 175/18).

Praxistipp


Wer einen Kauf an der Haustür bereut, sollte ihn innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Eine längere Widerrufsfrist kann möglich sein, wenn die Widerrufsbelehrung des Unternehmens Fehler aufweist. Dies kann ein im Zivilrecht tätiger Rechtsanwalt prüfen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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