Kuckuckskinder: Wie bekommt der Scheinvater den Unterhalt zurück?

02.05.2019, Redaktion Anwalt-Suchservice
Kuckuckskinder: Wie bekommt der Scheinvater den Unterhalt zurück? © Bu - Anwalt-Suchservice

Wer jahrelang für den Unterhalt eines Kindes aufkommt und dann feststellt, dass es nicht von ihm ist, kann den biologischen Vater auf Rückzahlung des Unterhalts verklagen. Oft gibt es aber Beweisprobleme.

Als Kuckuckskinder bezeichnet man umgangssprachlich Kinder, die mit einem Vater aufwachsen, der nicht ihr biologischer Vater ist – der dies aber nicht weiß. Die Erkenntnis, dass das vermeintlich eigene Kind von einem anderen Mann gezeugt worden ist, belastet nicht nur die Ehe oder die Beziehung, sondern kann auch zu deren Zerbrechen führen.
Der Gesetzgeber hat jedoch für den getäuschten Mann ein Trostpflaster in der Hinterhand: Dieser kann nämlich den echten, biologischen Vater auf Rückzahlung des Unterhalts in Anspruch nehmen, den er selbst die ganze Zeit geleistet hat. Allerdings muss der biologische Vater erst einmal bekannt sein.

Wer ist vor dem Gesetz der Vater?


Der gesetzliche Vater ist dazu verpflichtet, Kindesunterhalt zu zahlen. Als Vater vor dem Gesetz gilt der Mann, welcher

- zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war oder
- der seine Vaterschaft anerkannt hat oder
- dessen Vaterschaft durch das Familiengericht festgestellt wurde.

Was passiert, wenn der gesetzliche nicht der biologische Vater ist?


Gesetzliche Regelungen dazu finden sich in den §§ 1607 Abs. 3 und § 1600 d Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Diese besagen: Der sogenannte Scheinvater – derjenige also, der das Kind in dem Glauben aufgezogen hat, es sei sein eigenes – kann vom biologischen Vater den Ersatz des gezahlten Unterhaltes fordern. Die Voraussetzung dafür ist, dass zweifelsfrei festgestellt ist, dass der andere Mann der Vater ist. Dies kann dadurch geschehen, dass dieser seine Vaterschaft anerkennt – oder durch ein besonderes gerichtliches Verfahren.

Was ist eine Vaterschaftsanfechtung?


Das Verfahren, mit dem ein Vater feststellen lassen kann, dass er kein Vater ist, nennt sich gerichtliche Vaterschaftsanfechtung.
Natürlich sind Beweise notwendig, zum Beispiel ein Gentest. Ergibt dieser, dass Vater und angebliches Kind nicht verwandt sind, erlischt die gesetzliche Vaterschaft des Mannes rückwirkend ab Geburt des Kindes.

Was ist der Unterhaltsregress?


Als Unterhaltsregress bezeichnet man die Rückforderung des vom Scheinvater gezahlten Unterhalts vom biologischen Vater. Grundsätzlich kann im Anschluss an eine gerichtliche Vaterschaftsanfechtung ein auf die Zahlung von Unterhaltsregress gerichtetes Verfahren gegen den biologischen Vater eingeleitet werden. In dessen Rahmen kann dessen biologische Vaterschaft festgestellt werden.
Natürlich ist eine Klage schwierig, wenn man nicht weiß, wer der Vater ist. Deshalb gestand der Bundesgerichtshof dem Scheinvater lange einen Auskunftsanspruch gegen die Mutter zu – sie musste also zugeben, mit wem sie während der entsprechenden Empfängniszeit sexuelle Kontakte gehabt hatte (Urteil vom 9.11.2011, Az. XII ZR 136/09).

Bundesverfassungsgericht contra Auskunftsanspruch


Allerdings gilt dies so nicht mehr. Denn: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Mutter nicht zur Auskunft über ihr Sexualleben verpflichtet ist. Zumindest fehlte dem Gericht eine vernünftige Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch über derart private Belange. Ein solcher Auskunftsanspruch könne nur auf Basis eines Gesetzes existieren – das es aber nicht gebe (Beschluss vom 24.2.2015, Az. 1 BvR 472/14).

Gesetzesänderung nicht erfolgt


2016 hatte das Bundesjustizministerium einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der zum einen das Problem der fehlenden Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch der Mutter über ihre früheren Liebhaber lösen sollte.
Zweitens sollte aber auch ein anderer Punkt geändert werden: Kam der Regressanspruch vor Gericht durch, sollte der Scheinvater gezahlten Unterhalt nicht mehr von Geburt des Kindes an, sondern nur noch für zwei Jahre rückwirkend fordern können. Das Zahlungsrisiko für den biologischen Vater wäre dadurch erheblich gesunken. Allerdings sind die Bemühungen des Gesetzgebers in dieser Sache wegen Ablaufs der Legislaturperiode im Sande verlaufen. Die Änderungen sind also nicht zum Gesetz geworden.

Was tun?


Ist gerichtlich festgestellt worden, dass ein Mann nicht der Vater des Kindes ist, für das er bisher Unterhalt gezahlt hat, kann dieser nach wie vor ein Unterhaltsregressverfahren gegen den biologischen Vater führen. Dazu muss dessen Identität bekannt sein. Die Mutter muss dem Scheinvater aber keine Auskunft erteilen. Gibt es einen konkreten Verdacht gegen einen anderen Mann, kann in einem gerichtlichen Unterhaltsregressverfahren dessen Vaterschaft mit geprüft werden.

Was darf das Jugendamt?


Übrigens kann auch das Jugendamt den biologischen Vater in Regress nehmen und einen geleisteten Unterhaltsvorschuss für ein minderjähriges Kind vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zurückfordern. Die Rechtsgrundlagen dafür sind im Unterhaltsvorschussgesetz geregelt.

Wie viel Unterhalt ist zurückzuzahlen?


Ein wichtiges Urteil zum Thema Beweise erging im Jahr 2018. Allerdings ging es dabei nicht um die Namen von Liebhabern, sondern um die Höhe der Beträge. Auch diese kann durchaus problematisch sein, denn wer kann schon genau belegen, was er für sein Kind in den letzten Jahren ausgegeben hat? Dazu kommt: Lebt das Kind bei den Eltern und sind diese noch zusammen, finden meist keine nachvollziehbaren Überweisungen von Unterhaltsbeträgen statt, sondern die Eltern bezahlen eben, was nötig ist. Dabei spricht man von Naturalunterhalt. Das bedeutet: Die Eltern stellen dem Kind Unterhalt in Form von Unterkunft, Kleidung, Essen, Möbeln, Spielsachen, Schulsachen usw. zur Verfügung.
Als Kläger muss man jedoch normalerweise einen konkreten Betrag nennen, den man fordert, und diesen begründen können.

Fall: Jahrelang gezahlt


Ein Mann hatte sich im Rahmen seiner Scheidung im Jahr 1988 dazu verpflichtet, Unterhalt für seinen 1975 geborenen Sohn zu zahlen. Dieser lebte bei der Mutter. Bis Juli 1992 zahlte er 400 DM im Monat. Allerdings kamen Zweifel auf, dass der junge Mann sein Sohn war. Zusammen mit diesem wurde ein privates Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, das ergab: Eine Vaterschaft war so gut wie ausgeschlossen.
Der ehemalige Zeitsoldat focht nun vor Gericht erfolgreich seine Vaterschaft an. Als Vater wurde schließlich der Nachbar, ein Architekt, gerichtlich festgestellt. Der Scheinvater verklagte diesen auf Zahlung von 42.400 Euro. Dabei handelte es sich um den Unterhalt von der Geburt des Sohnes bis zum Abschluss von dessen Ausbildung.

In den ersten Gerichtsinstanzen wurde jedoch der Anspruch abgelehnt: Die Gerichte meinten, der vermeintliche Vater habe nicht nachgewiesen, in welchem Umfang er überhaupt Unterhalt geleistet habe, sei es als Naturalunterhalt oder in Form finanzieller Leistungen. Der Bundesgerichtshof war jedoch anderer Ansicht.
Danach muss der vermeintliche Vater nicht die Höhe von gezahlten Unterhaltsbeträgen beweisen, solange es um den gesetzlichen Mindestunterhalt geht. Dieser ergebe sich aus der Düsseldorfer Tabelle und sei vom jeweiligen Gericht auszurechnen. Nur darüber hinaus gehende Beträge müssten bewiesen werden (Beschluss vom 19.9.2018, Az. XII ZB 385/17).

Wann tritt Verjährung ein?


Der Bundesgerichtshof hat sich auch mit der Verjährung befasst. Der Anspruch auf Unterhaltsregress verjährt innerhalb von drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des biologischen Vaters erfahren hat (oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erfahren müssen).
Hier reicht es dem Bundesgerichtshof zufolge aus, dass dem Scheinvater aufgrund der ihm bekannten Tatsachen eine gerichtliche Geltendmachung seines Anspruchs in Anbetracht der Erfolgsaussichten zuzumuten ist. Risikolos muss eine Klage nicht erscheinen. Die dreijährige Verjährungsfrist begann im verhandelten Fall also zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Scheinvater erfahren hatte, wer der mögliche Erzeuger des Kindes war.
Allerdings gibt es noch eine Voraussetzung: Die Verjährungsfrist für gesetzliche Unterhaltsansprüche gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes kann frühestens am Schluss des Jahres beginnen, in dem ein Gericht festgestellt hat, dass der Scheinvater nicht der wirkliche Vater ist. Denn bis zur erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung ist der Scheinvater der gesetzliche Vater, und es gibt keine Ansprüche gegen andere Leute, die verjähren könnten (BGH, Beschluss vom 22.3.2017, Az. XII ZB 56/16).

Praxistipp


Der Unterhaltsregress ist ein besonders kompliziertes Thema. Hier sollten sich Männer, die Zweifel an ihrer Vaterschaft haben, gründlich beraten lassen – vorzugsweise von einem Fachanwalt für Familienrecht.

(Bu)


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 Stephan Buch
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