Schlaglochschaden: Gibt es Schadensersatz von der Gemeinde?
24.04.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Verkehrssicherungspflicht: Die Gemeinde muss Straßen, die in ihrer Zuständigkeit liegen, in einem verkehrssicheren Zustand halten. Ansonsten haftet sie für durch Schlaglöcher an einem Kfz entstehende Schäden.
2. Keine Haftung: Eine Gemeinde haftet nicht für Schäden durch Schlaglöcher, wenn sie die Straßen regelmäßig kontrolliert, Warnschilder aufstellt und die erforderlichen Ausbesserungsarbeiten nicht unnötig verzögert.
3. Mitschuld des Autofahrers: Der Geschädigte ist zumindest mitschuldig am Schaden, wenn das Schlagloch bei der gebotenen Aufmerksamkeit für ihn erkennbar war oder er zu schnell gefahren ist.
1. Verkehrssicherungspflicht: Die Gemeinde muss Straßen, die in ihrer Zuständigkeit liegen, in einem verkehrssicheren Zustand halten. Ansonsten haftet sie für durch Schlaglöcher an einem Kfz entstehende Schäden.
2. Keine Haftung: Eine Gemeinde haftet nicht für Schäden durch Schlaglöcher, wenn sie die Straßen regelmäßig kontrolliert, Warnschilder aufstellt und die erforderlichen Ausbesserungsarbeiten nicht unnötig verzögert.
3. Mitschuld des Autofahrers: Der Geschädigte ist zumindest mitschuldig am Schaden, wenn das Schlagloch bei der gebotenen Aufmerksamkeit für ihn erkennbar war oder er zu schnell gefahren ist.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Beispiel: Motorrollerfahrer stürzt wegen Schlagloch Welche Rolle spielt die Tiefe von Schlaglöchern? Ab welcher Tiefe gilt ein Schlagloch als gefährlich? Was gilt, wenn sich Fußgänger durch Straßenschäden verletzen? Was passiert, wenn über Nacht neue Schlaglöcher entstehen? Was gilt, wenn Schlaglöcher nicht zu sehen sind? Praxistipp zum Schadensersatz wegen Schlaglöchern Ob die Kommune für den Schlagloch-Schaden an einem Fahrzeug aufkommen muss, hängt immer von den Gesamtumständen ab. Zum Beispiel:
Ist die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen, etwa durch regelmäßige Kontrollen oder entsprechende Warnschilder? Wurden erforderliche Arbeiten unnötig verzögert? Wichtig ist natürlich auch, ob der geschädigte Verkehrsteilnehmer vielleicht selbst mitschuldig ist, weil er etwa unaufmerksam war oder zu schnell gefahren ist.
Beispiel: Motorrollerfahrer stürzt wegen Schlagloch
Ein Motorrollerfahrer war auf einer überwiegend landwirtschaftlich genutzten, unebenen Nebenstraße in ein Schlagloch geraten und gestürzt. Das Landgericht Osnabrück wies seine Schadensersatzklage gegen die für die Straße zuständige Gemeinde ab. Das Gericht begründete dies damit, dass die beklagte Gemeinde für diese Straße zwar grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht habe. Der Umfang dieser Pflicht hänge jedoch davon ab, wie oft und wie intensiv der Verkehrsweg genutzt werde und welche Bedeutung er habe. Zunächst einmal müssten sich die Nutzer der Straße den vorhandenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihnen beim Befahren erkennbar darstelle. Daher bekam der Motorrollerfahrer hier seinen Schlaglochschaden nicht ersetzt (Az. 1 O 1208/04).
Welche Rolle spielt die Tiefe von Schlaglöchern?
Bei der Frage der Haftung berücksichtigen die Gerichte häufig auch die Tiefe des Schlaglochs. So verurteilte beispielsweise das Oberlandesgericht Celle eine Großstadt zum Schadensersatz, weil ein Autofahrer auf einer stark befahrenen Durchgangsstraße sein Auto in einem 20 Zentimeter tiefen Schlagloch beschädigt hatte. Ein Reifen war geplatzt und zwei Felgen waren zu Bruch gegangen. Aus Sicht des Gerichts hatte die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie musste sich laut Urteil am Gesamtschaden von 2.799 Euro zur Hälfte beteiligen (Az. 8 U 199/06).
Ab welcher Tiefe gilt ein Schlagloch als gefährlich?
Auch das Landgericht Hamburg beschäftigte sich damit, wie tief ein Schlagloch sein muss, um nicht mehr als harmlos zu gelten. Geklagt hatte eine Frau, die bei Nacht in einer Wohnstraße mit Tempolimit 30 mit ihrem Auto in ein Schlagloch gefahren war. Dieses maß 55 x 65 cm und war 9 cm tief. Beschädigt wurden der Reifen und die Felge vorne rechts. Die Frau gab an, dass das Schlagloch trotz langsamer Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h nicht rechtzeitig zu sehen gewesen sei. Das Gericht sah hier jedoch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Stadt. Eine Pflichtverletzung liege nämlich erst bei einer Schlaglochtiefe von etwa 20 Zentimetern vor. Auf so tiefe Schlaglöcher könnten sich Verkehrsteilnehmer nicht mehr einstellen. Ein Schlagloch von 9 cm Tiefe in einer Wohnstraße mit Tempo-30-Zone sei eine bloße Unebenheit, mit der man rechnen müsse. Die Stadt musste daher keinen Schadensersatz zahlen (Urteil vom 31.3.2023, Az. 331 O 203/22).
Was gilt, wenn sich Fußgänger durch Straßenschäden verletzen?
Auch bei verletzten Fußgängern hängt die Haftung der Gemeinde stark vom Einzelfall ab. Dies zeigt sich an einem Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm. Eine Frau war beim Überqueren einer Straße in ein Schlagloch getreten, umgeknickt und hatte sich den Unterschenkel gebrochen. Sie hatte daraufhin die für die Straße verkehrssicherungspflichtige Gemeinde auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt.
Allerdings blieb ihre Klage erfolglos. Laut Gericht orientiert sich die Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde für eine Straße an den Anforderungen des Fahrzeugverkehrs. Diese unterscheiden sich von den Anforderungen an Fußwege und Bürgersteige. Ein Schlagloch sei für den Fahrzeugverkehr noch kein gefahrträchtiges Hindernis. Es ändere nichts, dass die Klägerin die Straße nur überquert habe, um zu ihrem auf der anderen Straßenseite gelegenen Parkplatz zu kommen. Auch sei es nicht die Aufgabe der Gemeinde, spezielle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, weil Fußgänger die Straße nach einem Gaststättenbesuch möglicherweise in einem "abgelenkten Zustand" betreten könnten (Az. 9 U 208/03).
Was passiert, wenn über Nacht neue Schlaglöcher entstehen?
Eine Klage gegen das Land Berlin wurde vom Berliner Kammergericht abgewiesen. Es ging dabei um ein Auto, das durch ein Schlagloch auf einer stark befahrenen Hauptstraße beschädigt worden war. Dieses Schlagloch war etwa einen Quadratmeter groß und fünf Zentimeter tief. Nach Ansicht des Gerichts führte der verkehrsunsichere Zustand der Straße allein noch nicht zu einer Haftung. Das Land habe nur dann seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, wenn
- es die Straße nicht regelmäßig kontrolliert habe oder
- Schlaglöcher bei einer Kontrolle schuldhaft übersehen worden seien oder
- man deren Beseitigung schuldhaft unterlassen habe.
Allerdings liege hier kein derartiger Fall vor. Es habe nicht festgestellt werden können, dass das betreffende Schlagloch bei der letzten Begehung und Kontrolle schon vorhanden gewesen sei. Ein Schlagloch könne sich durchaus innerhalb von 24 Stunden neu bilden. Autofahrer müssten sich daher grundsätzlich an die Straßenverhältnisse anpassen (Kammergericht Berlin, Urteil vom 20.2.2015, Az. 9 U 188/13).
Was gilt, wenn Schlaglöcher nicht zu sehen sind?
Das Oberlandesgericht München sprach einer Radfahrerin ein Schmerzensgeld zu. Diese hatte ein Schlagloch übersehen, das sich genau vor ihrer Grundstückseinfahrt befand und nach Regenfällen durch eine große Pfütze getarnt war. Durch den Sturz hatte die Frau einen Oberarmkopfbruch mit Beteiligung des Oberarmknochens erlitten. Wegen der Verletzung musste sie sich sieben Tage stationär im Krankenhaus behandeln lassen. Es folgten Reha-Maßnahmen. Sie blieb jedoch zu 50 Prozent schwerbehindert.
Das Gericht machte den verkehrssicherheitswidrigen Zustand der Straße für den Unfall verantwortlich. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Schlaglöcher durch Regen nicht sichtbar seien. Verkehrsteilnehmer müssten jedoch nicht damit rechnen, dass sich auf einer öffentlichen Straße im Bereich einer Parkplatzeinfahrt mit abgesenkter Bordsteinkante eine etwa 5 bis 7 cm tiefe, muldenförmige Vertiefung in einer Länge von 145 cm und einer Breite von 40/50/52 cm befinde. Die Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast habe hier die Pflicht gehabt, etwas zu unternehmen.
Die Radfahrerin sei allerdings zu 50 Prozent an ihrem Sturz mitschuldig, weil sie durch die Pfütze gefahren sei. Sie hätte stattdessen absteigen müssen, da sie ja nicht wissen konnte, was unter der Pfütze war. Das Gericht sprach ihr ein Schmerzensgeld von 2.500 Euro zu (Urteil vom 14.3.2013, Az. 1 U 3769/11).
Praxistipp zum Schadensersatz wegen Schlaglöchern
Die Gerichte stellen sich bei Schlaglöchern oft auf den Standpunkt, dass der Geschädigte besser aufpassen oder vorsichtiger hätte fahren müssen. Trotzdem sind Ansprüche gegen die Gemeinde oder das Bundesland nicht ausgeschlossen. Es kommt hier wie immer stark auf den Einzelfall an, zum Beispiel darauf, wie wichtig und wie viel befahren die Straße ist, wie tief das Schlagloch war und ob der Verkehrsteilnehmer die Gefahr vorher hätte erkennen können. Wenn Sie durch Straßenschäden einen Schaden erlitten haben, kann Ihnen ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt helfen, die Chancen für eine Klage abzuschätzen.
(Wk)