Schlechte Gehwege: Wer haftet bei Sturz eines Fußgängers?
26.11.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Haftet die Kommune bei Sturz eines Fußgängers? © - freepik Das Wichtigste in Kürze
1. Verkehrssicherungspflicht: Kommunen und Gemeinden sind verpflichtet, für ordnungsgemäße Gehwege und Straßen zu sorgen, die von Fußgängern sicher benutzt werden können.
2. Sorgfaltspflichten: Fußgänger müssen bei der Benutzung von Gehwegen und Straßen ihrerseits immer gewisse Unebenheiten einkalkulieren.
3. Haftung der Gemeinde: Die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde muss Fußgänger nur vor solchen Gefahren warnen, die für einen sorgfältigen Benutzer nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einstellen kann. Unterlässt sie das, haftet sie für daraus entstehende Schäden.
1. Verkehrssicherungspflicht: Kommunen und Gemeinden sind verpflichtet, für ordnungsgemäße Gehwege und Straßen zu sorgen, die von Fußgängern sicher benutzt werden können.
2. Sorgfaltspflichten: Fußgänger müssen bei der Benutzung von Gehwegen und Straßen ihrerseits immer gewisse Unebenheiten einkalkulieren.
3. Haftung der Gemeinde: Die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde muss Fußgänger nur vor solchen Gefahren warnen, die für einen sorgfältigen Benutzer nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einstellen kann. Unterlässt sie das, haftet sie für daraus entstehende Schäden.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wer haftet beim Sturz an einer Bordsteinkante? Wer haftet für Niveauunterschiede auf dem Gehweg? Haftet die Gemeinde, wenn ich beim Sankt-Martinsumzug stürze? Gullideckel kippt weg: Haftet die Gemeinde? Was gilt, wenn der Weg völlig vernachlässigt und uneben ist? Praxistipp zur Verkehrssicherungspflicht der Gemeinden Wer haftet beim Sturz an einer Bordsteinkante?
Am Übergang eines Fußgängerwegs zu einer Zufahrtsstraße war eine Passantin über einen gelockerten Bordstein gestolpert und gestürzt. Sie verklagte die Gemeinde auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Allerdings entschied das Landgericht Coburg, dass die Gemeinde hier ihre Pflichten nicht verletzt habe. Man könne aus den vorgelegten Fotos ersehen, dass der hochstehende, lockere Bordstein deutlich erkennbar gewesen sei. Zusätzlich habe die Stolperstelle nicht in einer Gehfläche gelegen, sondern an der Kante des Gehwegs zur Straße. Dort hätte sich nach Meinung des Gerichts ein umsichtiger Fußgänger ohnehin auf einen Höhenunterschied einstellen müssen. An der Sturzstelle sei der Bordstein optisch abgegrenzt und der Höhenunterschied gut zu erkennen gewesen. Daher trage die Fußgängerin die Verantwortung für ihren Sturz selbst. Ihre Klage war erfolglos (Urteil vom 30.5.2014, Az. 22 O 458/13).
Wer haftet für Niveauunterschiede auf dem Gehweg?
Ein anderer Fall betraf einen Fußgänger, der auf einem mit Waschbetonplatten bedeckten Fußweg gestürzt war. Diese wiesen nach seinen Angaben einen Niveauunterschied von bis zu 5 cm auf. Folge des Sturzes waren Aufschürfungen an Knie und Ellenbogen und ein Hämatom am Knie. Der Fußgänger verklagte daraufhin die Stadt. Diese habe ihre Verkehrssicherungspflicht für den Gehweg verletzt. Er forderte Schadensersatz in Höhe von rund 1.500 Euro.
Das Landgericht Coburg hielt an der Unfallstelle einen Ortstermin ab. Das Gericht stellte dabei fest, dass der Niveauunterschied zwischen den Waschbetonplatten auf dem Fußweg in Wahrheit höchstens 1,5 cm betrug. Nun besagt die gängige Rechtsprechung, dass Straßenbenutzer die Straße grundsätzlich so hinnehmen müssen, wie sie ist. Die verkehrssicherungspflichtige Stadt muss Passanten nur vor Gefahren warnen, die ein sorgfältiger Benutzer nicht selbst erkennen kann und auf die er sich nicht einstellen kann.
Dem Gericht zufolge muss ein sorgfältiger Fußgänger auf Gehwegen mit Bodenunebenheiten von bis zu 2,5 cm rechnen. Fußgänger müssten generell bei der Benutzung eines Gehwegs immer gewisse Unebenheiten einkalkulieren. Es müsse nicht vor Gefahren gewarnt werden, die man selbst erkennen könne. Die Klage wurde auch hier abgewiesen (Urteil vom 23.8.2013, Az. 41 O 271/13).
Haftet die Gemeinde, wenn ich beim Sankt-Martinsumzug stürze?
Vor dem Landgericht Frankenthal ging es um eine Frau, die mit ihrer Enkelin am Sankt-Martinsumzug ihrer Heimatgemeinde teilgenommen hatte. Dabei war die 66-Jährige über einen hervorstehenden Gullideckel gestolpert und hatte sich das linke Handgelenk und die rechte Schulter gebrochen. Sie verklagte die Gemeinde auf rund 1.700 Euro Schadensersatz und 13.000 Euro Schmerzensgeld. Ihrer Ansicht nach hätte die Gemeinde den Weg des Umzugs besser sichern müssen, zum Beispiel durch eine Gummimatte über dem Gullideckel.
Das Gericht sah das anders: Es meinte, dass die Klägerin mit Unebenheiten hätte rechnen müssen. Die Sicht auf die Straße sei bei einem Umzug mit vielen Menschen naturgemäß eingeschränkt. Dies sei jedem Teilnehmer bekannt und spätestens bei Beginn des Umzugs offensichtlich. Das Auslegen einer Gummimatte über dem Gullideckel hätte das Hindernis nur vergrößert. Nach Ansicht des Gerichts war die Klägerin überwiegend selbst schuld an ihrem Sturz (Urteil vom 15.8.2024, Az. 3 O 88/24).
Gullideckel kippt weg: Haftet die Gemeinde?
Anders ging ein Fall vor dem Oberlandesgericht Celle aus. Ein Fußgänger hatte in aller Ruhe seinen Hund ausgeführt und war dabei auf einen Kanaldeckel getreten. Der vermeintlich feste Deckel kippte jedoch weg und der Mann geriet mit einem Bein in den darunterliegenden Sickerschacht. Eine komplizierte Knieverletzung und monatelange Arbeitsunfähigkeit waren die Folge. In der ersten Gerichtsinstanz gewann die Gemeinde mit dem Argument, dass sie den Kanaldeckel regelmäßig kontrolliert habe. Das Oberlandesgericht sah dies anders und begründete seine Entscheidung nicht mit der herkömmlichen Verkehrssicherungspflicht.
Es gibt nämlich bestimmte Anlagen, die als gefährlich eingestuft werden und daher besonderen Regelungen unterliegen. Dazu gehören zum Beispiel Bahnanlagen, Strom- und Gasnetze und auch Rohrleitungen. Für solche Anlagen schreibt das Haftpflichtgesetz eine verschuldensunabhängige Haftung des Betreibers vor. Wird dadurch also ein Mensch verletzt, haftet der Betreiber unabhängig von dessen Sicherheitsvorkehrungen. Das Gericht sah hier den Gullideckel als Teil einer Rohrleitungsanlage an. Daher galt hier eine besondere Rechtslage, und nur ein Nachweis höherer Gewalt hätte die Gemeinde vor einer Haftung bewahrt. Dieser gelang nicht.
Das Gericht sprach dem Hundebesitzer 12.000 Euro Schmerzensgeld sowie rund 4.400 Euro für Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden und Rechtsanwaltskosten zu. Es verurteilte die Gemeinde obendrein dazu, auch künftige Folgeschäden der Verletzung zu bezahlen (Urteil vom 11.6.2025, Az. 14 U 138/23).
Was gilt, wenn der Weg völlig vernachlässigt und uneben ist?
In Berlin stürzte eine Frau auf einem Gehweg, der aus stark verwitterten Betonplatten bestand. Diese wiesen keine ebene Fläche mehr auf. Zuletzt war der Gehweg vom Bezirksamt vor mehreren Jahren kontrolliert worden. Trotz festem Schuhwerk blieb die Frau mit einem Fuß in einem 2 bis 2,5 cm tiefen Loch hängen und stürzte. Sie erlitt schwere Verletzungen im Gesicht, Prellungen im Arm- und Brustbereich und verstauchte sich das rechte Handgelenk.
Der Prozess ging durch die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof. Dieser bestätigte die Ansicht der Vorinstanz: Hier lag eine Pflichtverletzung des Landes Berlin vor. Die Richter verwiesen zunächst auf eine landesrechtliche Regelung in Berlin. Diese verpflichte das Land, bei solchen Schäden für eine zeitnahe Wiederherstellung der Verkehrssicherheit des Gehwegs zu sorgen. Dies sei nicht passiert. Der Weg sei stattdessen jahrelang in einem desolaten Zustand geblieben.
Es treffe zwar zu, dass der Verkehrssicherungspflichtige nur vor Gefahren warnen müsse, die Passanten nicht selbst erkennen könnten. Aber: Dieses Argument gelte nur, wenn die Passanten die Möglichkeit hätten, sich auf die Gefahr einzustellen. Gerade dies sei nicht möglich, wenn sich der gesamte Weg in desolatem Zustand befände. Hier habe man der Gefahr nicht ausweichen können.
Das Land könne nicht erwarten, dass Fußgänger statt des Gehwegs die anliegende Grünfläche benutzten. Fußgänger seien grundsätzlich nicht gehalten, auf unbefestigte Flächen auszuweichen. Die beengten finanziellen Verhältnisse des Landes seien kein Grund, dessen Verkehrssicherungspflichten zu vernachlässigen.
Das Land musste daher für den Schaden haften. Der Klägerin wurde eine Mithaftung von zehn Prozent auferlegt, da sie etwas vorsichtiger hätte sein können (Urteil vom 5.7.2012, Az. III ZR 240/11).
Praxistipp zur Verkehrssicherungspflicht der Gemeinden
Häufig entscheiden die Gerichte zu Gunsten der Gemeinden – aber nicht immer. Geschädigte haben gute Chancen auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, wenn die Gefahrenstelle nicht ohne weiteres erkennbar war oder wenn der Weg insgesamt in so schlechtem Zustand war, dass man der Gefahr nicht ausweichen konnte. Letztlich kommt es für den Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld immer auf den Einzelfall an. Der beste Ansprechpartner ist hier ein auf das Zivilrecht spezialisierter Anwalt. Dieser kennt sich mit den Verkehrssicherungspflichten der Kommunen und Städte aus.
(Wk)